Das neue Bild im Fokus

Der Wandel von der Textkommunikation hin zur Bildkommunikation hat globale ­Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Menschen im ­digitalen Zeitalter miteinander kommunizieren.

Das Bild hatte nicht immer diesen hohen Stellenwert in der Kommunikation. Die Bildsprache war lange Zeit der Wortsprache untergeordnet und der hochkulturell gese­henen Literatur als trivial gegenübergestellt. Hochstehende Literatur kam ­gänzlich ohne Bilder aus und bei erklärungsbedürftiger ­Literatur fand das Bild höchstens als Illustra­tion seinen Platz. In der Bildung hat Lesen und Schreiben immer noch einen festen Platz, dem Medium Bild wurde eine ähnliche Aufmerksamkeit bisher verwehrt. Aus heutiger Sicht waren die Vorbehalte gegenüber Bildern und bildorientierten Medien nicht auf eine grundsätzliche Opposition zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Konkurrenz zwischen Wort und Bild. In Gesellschaften, welche über Jahrhunderte die Fähigkeit des Lesens und Schreibens zum zentralen gesellschaftlichen Bildungsziel ­erhoben, wird es die Forderung nach Fortschritt in Form von mehr Bildkompetenz schwer haben. Das digitale Zeitalter und die anhaltende Globalisierung jedoch ­haben die Informationsmenge dramatisch erhöht. Diese Informationsflut zwingt zur Selektion und da ist die bildhafte Darstellung ein wesentlicher Vermittlungsmodus, erfordert aber spezielle Fähigkeiten. Die Bildsprache bedingt, dass ein Bild zuerst «geschrieben» und danach dessen Sinn und Zweck auch «gelesen» werden kann. Aus der Wichtigkeit, die der visuellen Kommunikation im digitalen Zeitalter zukommt, ergibt sich, dass Sprachkompetenz durch Bildkompetenz ergänzt werden sollte. Da sind nicht nur diejenigen gefordert, die mit Bildern konfrontiert sind, sondern auch jene, die die Bilder produzieren.

Emotionen pur. Werbeinserat eines Energielieferanten.

Warum kommt der visuellen Darstellung eine Schlüsselrolle zu?

Unter den 5 Sinnen des Menschen, über welche er die Umgebung wahrnimmt, ist der Sehsinn der ausgeprägteste. 83 Prozent der Informationen nehmen wir alleine über die Augen wahr. Nur 17 Prozent werden über die übrigen Sinnesorgane aufgenommen. Das Auge ist daher am wichtigsten für die Informationsaufnahme. Visuelle Darstellungen können sowohl Bilder als auch Texte sein. Beim Text entspricht jeder Buchstabe einem Bild. Ein Wort besteht demnach aus mehreren Bildern, aus denen wiederum Sätze entstehen. Das menschliche Gehirn durchläuft beim Konsum von Texten einen wesent­lich längeren und komplexeren Prozess. Die Folge ist eine enorme Anstrengung für unser Gehirn und ein schneller Aufmerksamkeitsverlust. Während der Text also erst aufwendig von unserem Gehirn decodiert werden muss, ist die Bedeutung eines Bilds auf den ersten Blick klar. Bezieht das Gehirn also aus einem Bild die notwendigen Informationen, wird es den Text aus Bequemlichkeit möglichst beiseite lassen. Über den emotionalen Stimulus kann das Bild aber auch dazu animieren, zusätzliche Informationen, sei es über weitere Bilder oder auch Text, einholen zu wollen.

Immer mehr Bilder

Gemäss einer Studie von 2017 hat die Zahl der weltweit pro Jahr geschossenen Fotos stark zugenommen. Wurden 2013 noch 660 Milliarden Fotos gemacht, waren dies im Jahr 2017 bereits 1200 Milliarden, also fast eine Verdoppelung innert fünf Jahren. Aufgezeigt wird auch, welche Geräte dafür verwendet wurden: 4,7 % Tablets, 10,3 % Digitalkameras und 85 % Smartphones (Quelle: Bitkom/InfoTrends). Dies verwundert nicht, denn dank dem Smartphone ist es so einfach wie noch nie, «gute» Fotos zu machen. Das kleine Gerät hat die Fotografie und damit die Art und Qualität des Bilds stark beeinflusst. Über Qualität lässt sich bekanntlich streiten, es ist aber unübersehbar, dass die Spontanität der Smartphone-Bilder im Trend liegt und mittlerweile auch von professioneller Seite übernommen wird.

Wie wird Information heute konsumiert?

Die digitale Fotografie ist die grösste Umwälzung in der Kommunikation, seit Gutenberg diese durch den Buchdruck revolutionierte. Dr. Hubert Burda, führender Verleger der Medienbranche, ist sogar der Meinung: «Wo immer sich Kommunikation verändert, verändern sich die Fundamente der Gesell­schaft. Der Wandel von der Text- hin zur Bild­kommunikation habe globale Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Menschen im ­digitalen Zeitalter miteinander kommunizieren». Was sind nun die Auslöser, um sich mit einer Information länger als 2 bis 3 Sekunden auseinanderzusetzen. Für Jugendliche, aber auch für Personen, welche mitten im Leben stehen, lässt sich das auf einen einfachen Nenner bringen. Bild, Headline und wo notwendig Bildlegende sind Auslöser, um auf einer Information länger zu verweilen. Dies betrifft fast alle Arten der Informationsvermittlung, also gedruckte wie auch elektronische Medien: Werbeflyer, Broschüren, Kataloge, Zeitschriften oder einzelne Artikel in Fachjournalen und akzentuiert bei allen Informationen im Internet. Springt der Funke nicht über, und dies gilt primär für das Bild, landet die gedruckte Information im Altpapier und elektronisch genügt ein Klick respektive das Wegwischen, um sich interessanteren Themen zuzuwenden. Auch Internet-Verweigerer können diesen Trend bei den Tageszeitungen unschwer feststellen. Zeitungen, welche sich angepasst haben, leiden viel weniger an Auflagenschwund als traditionelle, textlastige Blätter. 20 Minuten kann hier als gutes Beispiel herangezogen werden. Emotionales Bildmaterial, animierende Headlines und wenig Text. Trotzdem hochaktuell und informativ im Tagesgeschehen.

Wie soll nun ein neues, modernes Bild daherkommen?

Weil heute sehr viele Menschen ständig mit dem Smartphone geschossene Fotos aus dem Alltag in den Sozialen Medien posten und  die Bilder jederzeit als «Fotoalbum» auf dem Smartphone zur Verfügung haben, ist diese Art von Bildern stark im Trend. Aufnahmedistanz wie auch Aufnahmewinkel haben sich vor allem durch die Selfie-Kultur stark verändert. Viele ­dieser Bilder werden im 60-bis 80-Grad-Winkel, also von oben auf das Objekt gerichtet, ­geschossen. Durch die limitierte Aufnahmedistanz (Armlänge) rückt das Objekt (­Personen) stark in den ­Mittelpunkt. Die Qualität der Aufnahme spielt meist eine untergeordnete Rolle, Haupt­sache aus dem Leben gegriffen und hoch emotional. Da sind angeschnittene Gesichter und Gegenstände kein Beinbruch mehr.

Der Trend der Selfie-Fotografie wird hier direkt ins Bild integriert.

Es reicht heute nicht mehr, langatmige Texte mit langweiligen Produkte- oder Land­schaftsbildern zu ergänzen. Der ­Betrachter will den Nutzen des Produkts sehen. Der Energielieferant soll in seiner Bildkommunikation also keine Strommasten mehr zeigen, sondern vielmehr deutlich machen, wie seine Energie das Leben bereichert respektive erleichtert. Die Desti­nation im Berggebiet soll keine Schwebe­bahn- und Natur­bilder mehr verwenden, denn diese sehen überall in etwa gleich aus. Differenzieren kann sich die Destination über die vielen Möglichkeiten der Freizeitaktivitäten. Menschen, die wandern, biken, ­klettern, Wellness-­Angebote geniessen, Indoor-Sportmöglichkeiten nutzen usw. Erst damit widerspiegelt ein Bild die ­Lebenswirklichkeit der Menschen. Emotionale Bilder oder Ereignisse werden vom Gehirn sofort wahrgenommen und ziehen die Betrachter in ihren Bann, egal was sie zum entsprechenden Zeitpunkt gerade tun. Emotionale Bilder können gezielter eingesetzt werden, um das Verhalten ihrer Betrachter in eine bestimmte Richtung zu ­lenken. Positiv besetzte, angenehme Fotos finden in der Werbung Anwendung, schockierende Bilder können den Betrachter beispielsweise abhalten, Leib und Leben durch gefährliche Aktionen zu gefährden. Gestan­dene Fotografen werden mich für diese Analyse wohl steinigen wollen, dürfen aber auch nicht unterschlagen, dass 85 Prozent der ­jährlich weit über eine Milliarde geschossenen ­Bilder von ­Smartphones kommen. Also klar den Trend bestimmen. Es ist aber auch zu erkennen, dass viele der professionellen Zunft diesen Trend aufgenommen haben. Den Beweis liefern hier die Unsummen von Stock-Bildern, welche genau diese neue Art der Bildkommunikation in hoher Qualität übernommen haben.

Stark im Trend sind auffallend ­farbige Hintergründe, welche mit dem Sujet ­korrespondieren.

Neue visuelle Sphären

Kaum ist der eine Trend verkraftet, kündigt sich bereits der nächste an. Er ist keine Verdrängung, sondern eine Erweiterung der bestehenden Bildkommunikation. Mit der zunehmenden Verbreitung der ­Multicopter entwickelt sich ein neues Bedürfnis nach hochwertigen Luftaufnahmen. In der Vergangenheit teuer und aufwendig können Multicopter heute als gebrauchsfertige ­Lösung inklusive Kamera und Zubehör bereits zu einem Preis von wenigen hundert Schweizer Franken erstanden werden. Copter-Hersteller kooperieren dafür mit traditionsreichen Spezialisten für Aufnahmegeräte, um auch hier bestmögliche Qualität zur Verfügung stellen zu können.

Aktuelle Foto-Trends
Da Bilder eine immer grössere Rolle in der Kommunikation spielen, sei es in Nachrichten, in der ­Werbung, in Blogs usw., ist es von Bedeutung, zu wissen, welche Bildinhalte und -charakteristika die ­Botschaften am besten unterstützen.

  • Hellere und kräftigere Farben sollen die Aufmerksamkeit der Leser und Nutzer auf sich ziehen.
  • Bilder, die ganz natürlich wirken, sind gefragt. Bilder mit Menschen, deren reale Gefühle in ­bestimmten Momenten eingefangen werden, strahlen eine Natürlichkeit aus.
  • Bilder zum Thema Zukunftstechnologie sollen zeigen, wie diese unser Leben beeinflussen.
  • Nähe zur Natur. Der Wunsch wächst, sich mehr mit der Natur zu verbinden.
  • Der Foto-Trend geht beim Thema Umweltschutz zu Bildern, die die Gefahren des masslosen Konsums und den Wunsch nach Veränderungen deutlich zeigen.
  • Humor soll sich in Fotos widerspiegeln dürfen. Gerade alltägliche Themen können humorvoll und kreativ präsentiert werden und helfen damit, sich von der Masse etwas abzuheben.
  • Witzige Models für junges Publikum.
  • Die 80er Jahre sind zurück. Vergiss den guten Geschmack und lass die guten alten Zeiten aufleben.
  • Themen wie soziale Gerechtigkeit und Naturschutz. Dieser Trend wird mittels spektakulärer und ­eindrucksvoller Bildern visualisiert.
  • Luxusminimalismus, der Authentizität und Originalität an die erste Stelle setzen. Die Besonderheit dieses Trends ist eine sehr raffinierte, schlanke und klare Ästhetik.
  • Drohnenfotos – das Leben von oben.
  • Provokante Bilder zu aktuellen Themen wie Migration, Umweltschutz, Politik usw.
  • Schweizerisch ist im Trend. Es darf gezeigt werden, was die Schweiz ausmacht, auch im Sinne «wer hat’s erfunden».

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