Grün ist das neue Schwarz

Die Nachfrage steigt und langsam ­entwickelt sich die «Schwarze Kunst» zur «grünen Herausforderung»: Immer mehr Auftraggeber legen Wert darauf, ihre Printproduktion in ökologisch-bewusste Fachhände zu geben – selbstverständlich bei gleichbleibender Druckqualität. Funktioniert das überhaupt? Und ist alles tatsächlich so umweltfreundlich, wie es uns diverse Label glauben machen wollen?

Fotos: Mario Drechsler, Highendmedia

Allen – auch der Druckindustrie – liegt natürlich der Umweltschutz am Herzen und es wird kräftig geforscht, entwickelt und investiert, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Recycling, geschlossene Wasserkreisläufe, autarke Energiesysteme, Solaranlagen – all das ist für moderne Betriebe schon eine Selbstverständlichkeit. In der Produktion an sich gibt es jedoch immer noch Stellschrauben hin zu einem kleineren ökologischen Fussabdruck. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage nach der gewohnten Qualität, denn jeder möchte natürlich in einen regionalen Bio-Apfel beissen, doch aussehen soll er bitteschön makellos und wohl geformt. Um zu ergründen, inwieweit eine «umweltfreundliche» Printproduktion tatsächlich hohe Ansprüche ans Druckbild erfüllen kann, traf ich mich mit Mario Drechsler, der sich bereits seit über zehn Jahren mit dieser Thematik beschäftigt sowie Workflow- und Druckdaten-Optimierung anbietet.

Eines muss allerdings bereits zu Beginn konstatiert werden: Es gibt natürlich keinen umweltfreundlichen Druck. Bei jeder Printproduktion werden Ressourcen verbraucht – diesbezüglich sollte man also seinem Kunden nichts vorgaukeln, sondern mit Massnahmen punkten, die für einen öko-effizienten Druck sprechen.

Die Rolle des Papiers

Die Wahl des Papiers obliegt nicht (immer) der Druckerei, aber in diesem Punkt lohnt sich die Anstrengung, seine Kunden aufzuklären, denn sie entscheidet erheblich über die Öko-Bilanz eines Druckprodukts. So sind beispielsweise für 5 Tonnen eines Druckprodukts 5,6 Tonnen Altpapier notwendig, wenn Recyclingpapier verwendet wird, während circa 15 Tonnen Holzschliff für die gleiche Menge auf Frischfaserpapier gebraucht würden. Mittels Online-Rechner (wie beispielsweise www.papiernetz.de/informationen/nachhaltigkeitsrechner) lassen sich diese doch beeindruckenden Zahlen leicht ermitteln. Fest steht natürlich auch, je «weisser» ein Recyclingpapier ist, desto grösser war der Ressourcenverbrauch beim Bleichprozess. Ebenfalls eine Alternative sind Papiersorten aus schnell nachwachsenden Fasern wie Bambus oder Gras, allerdings sollte hier natürlich geprüft werden, ob eine Zertifizierung im wahrsten Sinne des Wortes grünes Licht gibt, oder ob nur ein Bruchteil der ­Fasern aus eben einer dieser unbedenklichen Rohstoff-Quellen kommt. Denn Greenwashing hilft niemandem weiter.

Deinking-Test: Das bedruckte Papier wird in einer Lösung eingeweicht – die Farbpartikel steigen mit dem entstehenden Schaum im besten Fall nach oben auf. (Foto: Mario Drechsler, Highendmedia)

Eine Frage des Druckstandards

Wie kann nun aber auch auf einem mehr oder minder stark ausgeprägtem Grauton eines Recyclingpapiers trotzdem hochwertiger Druck gelingen? Diese Frage stellte ich Mario Drechsler (Highendmedia), der erst vor Kurzem von der Flughafen München GmbH beauftragt wurde, einen individuellen, öko-effizienten Druckstandard zu entwickeln, der obendrein durch ein verbessertes Druckbild überzeugt. Der Einsatz von Recyclingpapier mit einer 90er-Weisse war dabei Bestandteil der neuen Vorgaben: «Im Endergebnis haben wir einen 22 %igen grösseren Farbraum als im ISO-Standard erreicht», erzählt mir Mario Drechsler. Wie ist so etwas zu schaffen? Nachdem alle Parameter festgelegt waren, folgten zahlreiche Tests an der Maschine mit verschiedenen Bio-Druckfarben. Schliesslich ging es daran, die Standarddaten so zu konvertieren, dass diese exakt zum Druck passen: «Mit schlechten Druckdaten kann keiner gut drucken», erklärt der Experte, der ursprünglich in der Lithografie zu Hause ist. Dass er sich dann mehr und mehr mit Druckoptimierung beschäftigte, begründet er so: «Mich hatte es schon seit meiner Analog-Zeit in den 90ern gewundert, warum bei gleichbleibenden Daten das Druckbild überall anders aussieht. Das hat mich letztlich vor zehn Jahren in die Druckerei getrieben – ich wollte es einfach wissen. Inzwischen bin ich mit meinem Know-How und eigener Messtechnik in den Druckereien gern gesehen. Man unterhält sich und tüftelt auf Augenhöhe, jeder mit seinem Fachwissen.»

Mario Drechsler während einem Drucktest bei Eberl Print. (Foto: Mario Drechsler, Highendmedia)

Alles Bio?

Beim Thema Druckfarbe wollte ich doch noch einmal nachhaken: Gewährleistet «Bio» tatsächlich die gewünschte Qualität? «Vom Druckergebnis her waren beispielsweise beim Flughafen-Projekt alle getesteten Biodruckfarben einwandfrei und auch die Trocknung verlief selbst auf ungestrichenem Papier problemlos», erzählt Drechsler. «Beim anschliessenden Deinking-Test fielen allerdings zwei dieser Produkte durch.» Um also wirklich Gewissheit zu haben, dass Bio auch öko-effizient ist, hilft nur ein Gutachten, dass beispielsweise bei der Ingede in Auftrag gegeben werden kann. Denn umweltunbedenkliche Farben sind natürlich zwecklos, wenn das Druckprodukt letztlich nicht dem Recyclingkreislauf zugeführt ­werden kann.

Natürlich ist die Farbindustrie daran interessiert, in Sachen Ökologie weiter zu forschen. Inzwischen gibt es sogar schon UV-Farben, die sich deinken lassen – wenngleich vom Umweltschutzgedanken hierfür einige Eigenschaften derzeit noch nicht ausreichen. Es wird wohl noch einige Zeit in ­Anspruch nehmen, bis dieser Teil des Druckprozesses tatsächlich ein gänzlich unbedenklicher sein wird.

Individuelle Druckstandards – lohnen sie sich?

In der Regel ist eine ausgelastete Druckerei ja nicht unbedingt erpicht darauf, neue Druckstandards auszutüfteln – unter Umständen kann sich aber ein derartiger Prozess, der durchaus zeitaufwendig ist, ­dennoch lohnen. «Vergleichbar ist es vielleicht mit der Formel 1 für Mercedes Benz. Da investiert man, um sich einen Namen zu machen, das Geld verdient man aber woanders», so erklärt das Mario Drechsler. «Es lohnt sich also für Prestigeobjekte oder aber für grosse Aufträge, die über mehrere Jahre laufen und die ein gleichbleibendes Druckbild über diese Zeit erfordern. Dann geht es zwar primär darum, die Farbverbindlichkeit auf den Punkt genau zu erarbeiten, aber wenn man schon dabei ist, einen Workflow zu entwickeln, kann ja auch gleich die Qualität optimiert werden. Das stärkt die Kundenbindung – ein gutes Argument für einen passgenauen, individuellen Druckstandard.» Und gerade, wenn es um öko-effiziente Druckprojekte geht, bei denen das perfekte Zusammenspiel aller Parameter nahezu ­unabdingbar ist sowie ein erstklassiges Druckbild gefordert wird, kann der Aspekt Farbraumerweiterung der Schlüssel zum Erfolg sein. Wie geht Mario Drechsler so eine Aufgabe an? «Zumeist wird die Standard-Farbserie aus der Druckmaschine rausgeworfen, danach kommen hochpigmentierte Farben in die Maschine, damit bei gleichbleibender Farbschichtdicke mehr Farbe aufs Papier kommt. Anschliessend heisst es ans Maximum gehen, immer wieder testen und auswerten – im permanenten Austausch mit dem jeweiligen Drucker. Druck ist ein Handwerk und guter Druck eine Kunst – und jeder Drucker hat auch so seine eigene Kniffe sowie das Gespür, um aus seiner Maschine das Beste herauszuholen. Auf diese Weise entstehen ein Prozessstandard und ein Profil, in das normale Daten hineinkonvertiert werden können, um schliesslich eine Farbverbindlichkeit zu erreichen.»

Hochweiss kaum gefragt

Man kann sich noch gut an Zeiten erinnern, in denen Weiss gar nicht weiss genug sein konnte – das scheint vorbei zu sein. Zum einen, weil der Verbraucher ein getöntes Papier sofort mit dem Umweltschutzgedanken verknüpft und ihm daher positiv gegenübersteht. Zum anderen aber auch, weil ­Recycling nicht mehr mit «Minderwertigkeit» in Verbindung gebracht wird. Schon vor fünfzehn Jahren wurde in einer deutschlandweit repräsentativen Statistik von TNS Emnid belegt, dass ein Magazin auf Recyclingpapier identisch gut bewertet wurde wie sein inhaltlich gleiches Pendant auf Frischfaserpapier. Wenn dann auch noch der Drucker zaubert und die Farbindustrie weitere Fortschritte erzielt, ist man in Sachen Umweltschutz schon wieder ein gutes Stück weiter –  Print for Future!

  • Autor Bettina Schulz
    Bettina Schulz ist freiberufliche Texterin und Journalistin in München. 18 Jahre lang leitete sie als Chefredakteurin das internationale Fachmagazin novum World of Graphic Design und initiierte in dieser Zeit auch die alle zwei Jahre stattfindende Creative Paper Conference in München. Zudem ist sie Jurymitglied verschiedener (internationaler) Designwettbewerbe wie beispielsweise dem Red Dot Communication Design, dem Design Preis München oder dem IIIDaward und hielt bereits zahlreiche Vorträge. Zu ihren Kunden zählen Verlage, Agenturen und Kreative sowie Unternehmen aus der Wirtschaft. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Bereichen Papier, Druck und Veredelung. www.bettina-schulz.de.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 1-2020
  • Thema Ökologie, Printproduktion

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