Visual Thinking ist angesagt!

Rund 60–65 % der Bevölkerung denken visuell. Nur etwa 25 % denken ausschliesslich in Worten. Um etwas also besser verständlich zu machen, hilft es, den Sachverhalt bildlich darzustellen und damit eine Kombination aus Worten, ­Symbolen, Farben und Bildern zu schaffen. Demnach haben alle diese Bezeichnungen mit einer Form von «Visualisierung» zu tun.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich informieren möchten – ob digital in den sozialen Medien (Twitter, LinkedIn oder anderen Plattformen), oder analog in Zeitungen, Zeitschriften oder Infobroschüren? Ich selber halte nach Bildern Ausschau, die mich anziehen und zum Weiterlesen auffordern, damit ich meinem Anspruch gerecht werde, die Sache in möglichst kurzer Zeit zu verstehen. Gilt es doch, sich in der heutigen Zeit in dem Überfluss an Informationen schnell zurechtzufinden.

In meiner eigenen Arbeit habe ich gerade in den letzten Jahren festgestellt, dass ich einen Sachverhalt viel besser und schneller greifen und begreifen kann, wenn ich mir mit Bildern und Farben behelfe. Damit sortiere ich meine Gedanken. In meiner letzten Weiterbildung wurde es zum Selbstläufer: Mein Notizbuch bestand grösstenteils aus Zeichnungen, kleinen Bildern mit farblichen Schattierungen, handschriftlich hinzugefügten Schlagwörtern. Ich konnte den Inhalt zum einen schneller mitprotokollieren, und mich zum anderen im Nachhinein besser an die Seminarstunden zurückerinnern und mir den Inhalt so besser einprägen.

Das Gleiche wende ich bei Telefon-, Videokonferenzen und Meetings an, ob zuerst noch analog im Skizzenbuch oder später auch digital auf dem Tablet (iPad Pro) mit digitalem Stift (Apple Pencil). 

Ich war schon immer ein visueller Mensch, konnte genau sagen, wie die Seite oder die Notiz aussah, auf der ich die Deadline oder das Briefing für ein Projekt vermerkt hatte. 

Aber was tu ich da eigentlich? Sind das einfache Zeichnungen oder nach dem ­Fachjargon neuerdings «Sketchnotes»? Was ist der Unterschied zu einem Graphic Recorder? Für mich waren das lange Zeit Fremdwörter und ich umschrieb das alles mit meiner Art der Visualisierung.

Ziel einer Visualisierung ist es, komplexe Themen leicht verständlich aufzubereiten. Quelle: Rebekka Ludwig

Es gibt die unterschiedlichsten Bezeichnungen für das sogenannte «Visual Thinking»: Visualisierung, Illustration, Graphic Recording, Visual (Graphic) Facilitation oder auch Sketchnotes. All diese Bezeichnungen haben eines gemeinsam: Einen komplexen Inhalt leicht verständlich wiederzugeben. Beispielsweise ist das Ziel des Graphic ­Recording, Inhalte für einen Auftraggeber zu protokollieren, um einen besseren Überblick und Emotionen zu schaffen, damit das Gesagte besser in Erinnerung bleibt.Genauso kann aber die Visualisierung auch als eine Art von Kunst oder Ausdruckweise im Vordergrund stehen, wie z.B. bei einer Illustration. 

Illustration

Eine Illustration hat zur Aufgabe, den Inhalt bildlich darzustellen und damit zu erklären. Das fängt schon bei den Kleinen an: Die Kinderbuchillustratoren schaffen Bilderwelten mit ihren Zeichnungen, die unglaublich, wild, frech, fantastisch und so vieles mehr sind. Sie machen die Geschichten noch lebendiger und regen die Fantasie weiter an. Illustration ist ein ganz eigenes Arbeitsfeld mit vielen verschiedenen Schwerpunkten. Und jeder Illustrator hat seinen speziellen Stil, wofür er am Ende auch gebucht wird. So wie jeder von uns anders denkt, interpretiert jeder auch Inhalte anders und hat seine ­individuelle Ausdrucksform. 

Infografik

Bei einer Infografik geht es darum, reine Daten und Gesamtzusammenhänge besser als nur in Textform darzustellen und zu visualisieren. Sie muss einfach und einleuchtend sein und besteht aus einer Kombination von 
> Text
> Tabellen
> Diagrammen
> Symbolen
> Formen
> Farben
> Bildern

Infografiken helfen mit einer bildlichen Darstellung komplexe Inhalte greifbarer zu machen. Quelle: Rebekka Ludwig

Auch sie können Geschichten erzählen, und damit Daten und Fakten für den Leser verdaulicher machen. Man kann den Sachverhalt dabei so objektiv wie möglich erzählen, oder die Betrachtenden in eine bestimmte Richtung führen. Denn wie immer können Formen, Symbole, Farben und Bilder gezielt eingesetzt werden, um den Leser unbewusst zu beeinflussen. Wer kennt das nicht von PowerPoint-Präsentationen an Verkaufsveranstaltungen: Mit den unterschiedlichen Diagramm-Typen kann man vieles «gut» aussehen lassen.

Sketchnotes

Der Begriff Sketchnote heisst übersetzt: ­gezeichnete Notiz. Es ist eine schnelle handgemachte Skizze, die als Notiz dienen und so die Gedanken schnell sortieren soll. Sie muss nicht perfekt ausgestaltet sein. Die Schattierungen sind nicht zum «aufhübschen» da, sondern um Räumlichkeit oder farbliche Zusammenhänge zu schaffen. Eine Sketchnote soll helfen, Klarheit zu bringen, ob bei einer ToDo-Liste, einem Brainstorming, einem Mindmapping oder einem Meeting. Genauso kann die Sketchnote einem bei der nächsten Reiseplanung ­helfen, oder beim Mitprotokollieren seines gelungenen selbstgekochten Abendessens. Und das Gute ist dabei, dass man nur einen Stift und ein Stück Papier braucht. Die digitale Alternative lässt sich in unterschiedlichen Devices mit Stiftunterstützung realisieren.

Beim Graphic Recording geht es um eine visuelle Dokumentation. Quelle: Rebekka Ludwig

Graphic Recording

Zuhören. Denken. Zeichnen. Das sind die drei Oberbegriffe, wenn es um Graphic Recording und Facilitation geht. Dabei sind alle drei Bereiche gleich wichtig. Das Gezeichnete ist am Ende das, was jeder sieht, aber genauso wichtig ist es, das Gesagte zu verstehen, indem man aufmerksam zuhört und darüber nachdenkt, wie man es veranschaulichen kann, um es schliesslich so klar wie möglich wiederzugeben.

Beim Graphic Recording arbeitet man meist im Grossformat. Aufgabe ist es, einen Vortrag z.B. auf einer Konferenz zu protokollieren. Und das live vor den Zuhörern. Das kann mit Markern auf einer Papierwand passieren, aber auch digital am Tablet, was live über einen Bildschirm oder Beamer für die Zuschauer übertragen wird. 

Ganz wichtig dabei ist, dass der Graphic Recorder unparteiisch und objektiv sein muss. Er hört nur zu, denkt und zeichnet. Solche visuellen Protokolle helfen den Teilnehmern im Nachhinein, ihre Erinnerung anzukurbeln und sich das Meeting oder den Vortrag an einer Konferenz wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Graphic Facilitation

Beim Graphic (Visual) Facilitator kommt die Fähigkeit, das «grosse Ganze» immer im Blick zu haben, mit dazu. Er begleitet Gruppen bei ihrer Arbeit, kann und soll aber auch aktiv in den Prozess eingreifen und ihn mitgestalten. Bei einem Meeting schafft er Klarheit. Er hilft der Gruppe bei der Zusammenarbeit, da er die Gedanken und Ideen, Aufgaben und Probleme bildlich festhält, sodass der Gesamtzusammenhang durch das Protokollieren und Zusammenfügen der Einzelteile am Ende klar herauskommt. Dadurch wird die Kommunikation um einiges effektiver und die Gruppenarbeit produktiver. 

Bei all den vorgestellten Techniken geht es darum, Sachverhalte auf das Wesentliche zu reduzieren. Dabei helfen schon einfachste Formen, Symbole und Elemente, selbst wenn sie nicht aufwendig gezeichnet sind. Sie müssen aber für jedermann leicht erkennbar sein.

Fazit

Visual Thinking schafft einen klaren Blick für die Lösung. Es schärft den Blick auf das ­Wesentliche. Fügt Einzelteile zu einem ­Gesamtbild zusammen. Und erzählt einen komplexen Sachverhalt visuell aufbereitet als leicht verständliche Geschichte. Jede Form des «Visual Thinkings» kann aus einfachsten Elementen und Hilfsmitteln (Symbolen, Farben und Formen) bestehen und ist damit für jeden, auch für «Nicht-Zeichen-Profis», geeignet. 


Rebekka Ludwig lebt in Nürnberg und ist Autorin, Speakerin, Grafikdesignerin und Trainerin aus ­Leidenschaft. Sie hat Kommunikations­design studiert und entdeckte Ihre Leidenschaft für die Technik und den Workshopbereich während ihrer Zeit bei der Firma Apple. Seitdem begleitet sie Unternehmen im Foto-, Design- und Businessworkflow ganz nach der Devise: Das Meiste aus seinen Werkzeugen herausholen, um mehr Zeit mit der kreativen Arbeit zu verbringen.

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  • Autor Rebekka Ludwig
    Sie lebt in Nürnberg und ist Autorin, Speakerin, Grafikde- signerin und Trainerin aus Leidenschaft. Sie hat Kommunikationsdesign studiert und entdeckte Ihre Leidenschaft für die Technik und den Work- shopbereich während ihrer Zeit bei der Firma Apple. Seitdem begleitet sie Unter- nehmen im Foto-, Design- und Businessworkflow ganz nach der Devise: Das Meiste aus seinen Werkzeugen herausholen, um mehr Zeit mit der kreativen Arbeit zu verbringen.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 3-2020
  • Thema Visual Thinking, Illustration, Infografik

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