Neue Arbeitsformen für die grafische Industrie

New Work ist das Schlagwort der Stunde. Neue Arbeitsformen sind seit dem Lockdown der Corona-Krise sogar für Offset-Fetischisten und CEOs mit ärztlich attestierter Home-Office-Intoleranz ein Thema. Doch geht es einmal mehr um Tools oder um die Neuerfindung der Arbeitswelt?

Vielleicht kennen Sie das: Sie gehen am Samstagabend in ein gepflegtes Restaurant und wollen mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner ein schönes Essen und damit einen schönen Abend geniessen. Damit das wirklich gelingt, braucht es viele Zutaten. In der Küche aber auch im Service. In der Mehrheit der Fälle ist der Abend «ok». In seltenen Fällen werden Sie begeistert das Restaurant verlassen und jedem ungefragt von diesem Erlebnis erzählen. In welche Kategorie würden Sie Ihr Unternehmen einordnen?

Ja, es geht um Menschen. Das, was in vielen nichtssagenden und nicht gelebten Leitbildern in den Unternehmen rumhängt, muss jetzt endlich mit Leben gefüllt werden. «New Work» ist das aufrüttelnde Schlagwort.



Beim Thema New Work und grafische Industrie sehe ich zwei Gefahren.

1. Das Thema geht ander grafischen Industrie vorbei.
Man kann einfach so weiterarbeiten, wie man das schon immer gemacht hat. Man kann sich dann über mangelnde Fachkräfte aufregen und dies mit der Begründung abtun, dass die Branche halt nicht mehr so attraktiv sei.

2. Das Thema wird einmal mehr auf die Tool-Ebene reduziert.
(Nicht nur) die grafische Industrie liebt Tools und grosse Maschinen. Die Gefahr besteht dann allerdings, dass man Tools wie Kanban, Scrum oder agile Irgendwas implementiert, aber nicht grundsätzlich darüber spricht, wie man wirklich arbeiten möchte.

Was beim Thema New Work oft unter den Tisch fällt ist, dass es sich dabei um eine eigentliche Transformation handelt. Die viel beschriebene digitale Transformation ist aber nur eine Disziplin. Die kulturelle Transformation ist die wahrscheinlich schwierigere Herausforderung. Wir verbringen unglaublich viel Lebenszeit bei der Arbeit. Aber selten sprechen wir darüber, wie wir diese Zeit wirklich verbringen möchten. Welche Möglichkeiten wir haben (z.B. mit Homeoffice) und welche Chancen sich daraus ergeben.

Wir müssen also weg von den Tools hin zur Strategie und zu einer Vision, wie wir arbeiten und vor allem auch, wie die neuen Generationen arbeiten wollen. Diese möchten weit mehr als nur eine gute Bezahlung. Es geht um Freiheiten, Eigenverantwortung, Kreativität, Werte und darum, dass die Arbeit sinnhaft ist.



Was tun wir in 5 Jahren?
Ein erster Schritt auf dem Weg, die eigene Vision zu entwickeln, stellt sich mit der Frage, was das Unternehmen in fünf Jahren macht.

• Werden wir noch Bilder freistellen? Ich selber habe als Technopolygraf auf viele verschiedene Arten gelernt Menschen und Objekte freizustellen. Heute gibt es sehr günstige Online-Tools, die das gleich gut können (ja auch Haare-Freisteller!) und das in wenigen Sekunden. 

• Werden wir noch Visitenkarten drucken (und zu welchem Preis)?

• Werden die Mitarbeiter noch täglich ins Unternehmen kommen?

• Was genau wird unser Angebot sein? Wohin wollen wir uns als Unternehmen entwickeln?

• Wie wollen wir unsere Arbeitszeit verbringen? Wie möchten wir arbeiten? Wie miteinander umgehen? Wie unsere Kunden begeistern?

Diese Fragen sind natürlich nicht abschliessend. Machen Sie doch einen internen Workshop «Unser Unternehmen in fünf oder zehn Jahren».



«Wir machen jetzt auch New Work»
Die Grundidee von New Work ist, dass Arbeit die Menschen mit Sinn erfüllen soll. Dann werden sie auch lieben, was sie tun. Und das werden die Kunden spüren (siehe oben das Restaurant-Beispiel). Ist New Work ein «Nice-to-have»- Thema? Wer so denkt, wird in wenigen Jahren die Quittung dafür erhalten. Unternehmen, die dies nicht verstehen, werden vom Markt verschwinden. Auch diejenigen Unternehmen, die das Thema einfach als PR-Massnahme verstehen. Wir haben es in der Corona-Krise erlebt. Themen, die vorher über Jahre vor sich hergeschoben wurden, werden – wenn es darauf ankommt – in wenigen Wochen umgesetzt. Diese Geschwindigkeit ist keine Ausnahme. Sie wird Standard. Die Frage ist, ob man darauf vorbereitet ist oder nicht.

Stefan Dudas ist ursprünglich Typograf, Technopolygraf und hat, wie so manche Führungskraft in der grafischen Industrie, die HF TGZ und die SKUGRA absolviert.
Heute ist Stefan Dudas Leadership-Experte für Sinngebung. Der Keynote-Speaker, Trainer und Autor «VOLL SINN – Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen» legt humorvoll und tiefsinnig das Fundament für neue Denkansätze. Seine Führungsseminare für sinnbasiertes Management vermitteln Sinnhaftigkeit in Führung, Kommunikation und Persönlichkeit. Weitere Infos:
stefandudas.com

Kommentieren

+ 51 = 59

*Pflichtfelder

Ihre Persoenlichen Daten werden nicht veroeffentlicht oder weitergegeben.