Wir kaufen, bis der Markt Boden findet!

Alfred Angst und Vince Bang kaufen Druckereien auf, als ob es kein Morgen gäbe. Die Branche staunt und wir haben die brennenden Fragen gestellt – zu Geld, Motiven, Menschen und Märkten!

PUBLISHER: Mit der Übernahme von sieben Druckunternehmen seit Anfang 2018 wirbeln Sie beide als Branchenfremde ganz schön Staub auf. Speziell bezüglich Finanzierung spriessen die vielfältigsten Gerüchte – von dubiosen Hintermännern bis zur Geldwäscherei. Was steckt wirklich dahinter?

Alfred Angst (A): Wir sind diesbezüglich traditionell schweizerisch unterwegs. Mit viel Engagement, Eigenmitteln und klassischen Übernahmefinanzierungen bei grösseren Zukäufen. Kleine Ergänzungen werden direkt über den operativen Cash-Flow bedient. Wir haben keine aussenstehenden Investoren und es gibt auch sonst keine Zaubertricks. Wir stützen uns auf eine detailreiche Planung und Modellierung der Geschäftsfälle. Die Werttreiber müssen klar ersichtlich – und deren Erschliessung realistisch sein.

Und wie hat das Duo Angst und Bang zusammengefunden?
Vince Bang (B): Wir haben uns über unsere Ehefrauen kennengelernt und danach öfter etwas gemeinsam unternommen – wie Tischtennisspielen, Wandern und Grillieren mit der Familie. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft.
Alfred Angst: Mein «Pär» war selbstständiger Unternehmer – ich bin in einem KMU- Umfeld aufgewachsen und habe lange im väterlichen Betrieb mitgearbeitet. Ich wollte nach Jahren der Wanderschaft im internationalen Umfeld – quasi zurück zu den Wurzeln – selber etwas machen und den eigenen Lohn erwirtschaften. So haben wir zusammengefunden und dann ging alles sehr rasch …

Wieso haben Sie sich ausgerechnet für die darbende Druckbranche als Spielfeld für Ihr Unternehmertum entschieden?
A: Wenn eine Branche boomt, wollen alle die Welle reiten und Geld verdienen. Wir handeln antizyklisch und sehen im Druckgeschäft unsere Chance, gerade dank der jetzigen Konsolidierung. Wir werden weiter aktiv nach vorne arbeiten und sequenziell Zukäufe tätigen, bis der Markt Boden findet und sich normalisiert. Wir haben seit Herbst 2018 viele Druckereien angeschaut und sind offen für weitere Chancen.

Was machen Sie besser als andere Druckunternehmen, welche mit der Profitabilität immer grössere Mühe haben?
A: Wir sind beide studierte Betriebswirtschafter mit MBA, haben im Ausland studiert, dort gelebt und gearbeitet. Finanzen, Geschäftsentwicklung und Führung sind unsere Kerndomänen – von Druck haben wir tatsächlich wenig Ahnung. Jedoch haben wir durch unsere Tätigkeiten in und für internationale Unternehmen über Jahre hinweg betriebswirtschaftliches Spezialwissen aufgebaut. Dieses Spezialwissen ist bei klassischen Druckunternehmen traditionell weniger üppig gesät. Seinerzeit als Manager funktionierten wir nicht gleich wie jetzt als Unternehmer. Wir sind heute frei in der Entscheidung, aber auch voll verantwortlich für diese Entscheide.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie dieses Know-how ins Spiel kommt?
A: Wir haben Führungsinstrumente wie eigene Key-Performance-Indikatoren für das Druckbusiness entwickelt. Wir haben ein einges Monitoring aufgezogen, inklusive einem «Internen Kontroll-System (IKS)» zur frühzeitigen Erfassung von allfälligen betrieblichen Risiken. Die wichtigsten Leistungsparameter haben wir auf dem Schirm. Wir wissen, wie man den Cashflow in den Griff bekommt und können auf der Basis unserer Analysen als Unternehmer rasch entscheiden und handeln.

B: Unser Set-up hat sich gerade in der Corona-Krise bewährt. Geschwindigkeit ist tatsächlich extrem wichtig. Es geht darum, die gewählte Strategie rasch und konsequent umzusetzen. So haben wir jetzt beispielsweise die «De Druck» in kurzer Zeit operativ vollständig in Mattenbach integriert. Mit dem Resultat sind wir zufrieden.

Und das Personal macht da mit?
A: Neben dem Cashflow und der Qualität unserer Dienstleistungen gehören engagierte Mitarbeiter zu den drei zentralen Pfeilern, die für unseren Unternehmenserfolg stimmen müssen. Wir wollen keine patronale Hierarchie, sondern setzen auf fähige Leute, die in dezentralen Strukturen selber Verantwortung übernehmen und sich unternehmerisch einbringen. Wir haben immer ein offenes Ohr. Die besten Ideen kommen erfahrungsgemäss von der Basis!

B: Da gilt es tatsächlich oft, eine neue Firmenkultur und Denke einzuführen: So kam bei meinem Antritt als neuer Inhaber ein Drucker mit einem frischen Druckbogen zu mir und fragte, ob die Farbe so stimme und ob er den Auftrag so produzieren könne. Ich antwortete: «Du bist der Profi und kannst das alleine entscheiden. Und wenn der Kunde nicht zufrieden ist, musst du die Verantwortung übernehmen und den Auftrag zur vollen Zufriedenheit des Kunden abwickeln!»

A: Wir sind bemüht, nach einer Übernahme den Kernbestand der Leute zu halten – wir setzen auf deren Know-how, um vorwärts zu kommen. Bei der Übernahme von Mattenbach haben uns nur einzelne Mitarbeiter verlassen. Wir wollen die Mitarbeiter in ihrer Entwicklung unterstützen und in die richtige Position bringen, damit diese ihr Potenzial optimal leben können. Wir sind keine Erbsenzähler, sondern wollen mit Menschen zu tun haben und gemeinsam etwas «reissen»; und das mit Freude und Herzblut!

Wie bestimmen Sie jeweils den Kaufpreis eines Unternehmens?
A: Der Kaufpreis berechnet sich sehr klassisch aufgrund der geprüften Bilanz und Erfolgsrechnung. Unser Kaufpreis basiert auf einem definierten Referenz-Nettoumlaufvermögen und einem fixierten Wert fürs Eigenkapital. Wir ermitteln sehr traditionell den Ertrags- und Substanzwert des Unternehmens und stellen diese einander gegenüber. Der jeweiligen Verkäuferschaft offerieren wir einen fairen austartierten Preis unter Würdigung der persönlichen Wünsche. Wir schauen uns die Kandidaten also sehr genau an und machen transparent, wie wir auf unser Angebot kommen. Der Kaufpreis muss sich ja über die nächsten Jahre erwirtschaften lassen.

B: Auf dieser Basis wird dann verhandelt. Dabei gilt das Bonmot: «Eine gute Lösung ist dann gefunden, wenn es beiden etwas weh tut!» Bei einer guten Lösung gibt es keinen Sieger – nur Gewinner!

Das tönt ja alles sehr ambitioniert – wollen Sie das grösste Druckunternehmen der Schweiz werden?
A: Wenn wir von konkreten Zielvorgaben und Grössen sprechen, ist das bei uns eher die Profitabilität und nicht die absolute Umsatzgrösse. Wenn schon Spitzenreiter, dann wollen wir eher das profitabelste Druckunternehmen als das grösste der Schweiz werden.
B: Wir setzen uns grundsätzliche keine fixen Ziele, sondern wollen immer bereit sein, auf die Entwicklung des Marktes dynamisch zu reagieren, Chancen zu identifizieren und nutzen. Diese «Readyness» im Sinne des Chinesischen Generals, Militärstrategen und Philosophen Sunzi (siehe Kasten) war für mich auf meinem Lebensweg immer ganz zentral. Spannend finde ich, dass ich zahlreiche Unternehmer treffen durfte, welche sich im Business an strategischen Leitsätzen Sunzis orientieren – obwohl diese 2500 Jahre alt sind. An Gültigkeit und Inspiration haben sie nichts eingebüsst. Dies könnte vielleicht auch für andere eine interessante Quelle sein.

Nämlich?
A: Viele Menschen tun sich schwer, Entscheide zu fällen, gerade in der Schweiz. Neben den vielen Stärken – wie Engagement, Qualität und Zuverlässigkeit – welche ich schätze, sehe ich hier eine Schwäche der Schweizer Geschäftskultur. Die langjährige Erfahrung in einem internationalen Marktumfeld prägt unser heutiges Denken und Handeln. In der Schweiz sind wir im globalen Vergleich zu risikoavers, saturiert und wollen 100 % risikofrei vorwärtskommen. Doch so geht das in der Regel nicht. Unternehmerische Aktivität ist immer mit Risiko verbunden. Entscheidend ist, wie man mit dem Risiko umgeht und es umgarnt. Hier ticken wir tatsächlich anders als die Mehrheit. Die gängige Lehrmeinung an Managementschulen predigt, man solle mit einem Vorhaben starten, wenn man das Risiko zu 80 % abschätzen könne. Wir starten schon bei 70 %!

B: Dazu ein Beispiel: Man will als Wanderer möglichst rasch von A nach B gelangen. Wer erst startet, wenn er den vorausliegenden Weg zu 100 % überblicken kann, kommt viel später ans Ziel als der, der schon bei 70 % gestartet ist und die Richtung laufend korrigiert. Und oft gibt es ohnehin keine andere Möglichkeit, als loszumarschieren, um an die fehlenden Informationen zu gelangen.

Ist das schnelle Entscheiden nicht ein Problem für ein Führungsduo? Alleine ginge das doch einfacher …
B: Nein, nicht wirklich. Das ist gerade die Stärke unserer Konstellation, dass wir uns gegenseitig Sparringpartner sind.

Wie können Sie in einer technologiegetriebenen Branche die Richtung bestimmen, ohne selbst über entsprechendes Know-how zu verfügen?
B: Wir sind uns dieser Herausforderung bewusst. Technologisches Know-how muss in unsere Entscheide einfliessen. Die entsprechende Position eines Chief Technology Officers (CTO) oder eines Chief Innovation Officer (CIO) ist noch offen. Wir werden eine entsprechende Person innerhalb der Gruppe selber heranziehen oder mit einer weiteren Übernahme mit ins Boot holen.

Viele Schweizer Drucker sehen in den internationalen Online-Druckfabriken eine grosse Bedrohung. Gilt das auch für Sie?
B: Nein, wir haben mit den Schweizer KMU ein anderes Kundensegment, bei dem die Beratung wichtig ist. 08/15 und billig ist definitiv nicht unser Ding! Und im konventionellen Drucksegment sind die Preise heute in der Schweiz nicht mehr viel höher als in Deutschland. Da hat sich in den letzten Monaten sehr viel getan.

A: Die klassische Druckindustrie lebt zwar stark von Skaleneffekten, trotzdem ist das Druckvolumen nicht unser einziger Fokus. In fünf Jahren werden wir kein Druckunternehmen mehr sein, sondern ein facettenreiches Medienhaus. Unser Ziel ist es, eine immer breitere Wertschöpfungskette abzubilden. Wir wollen also mit unseren Übernahmen nicht nur das Volumen steigern, sondern auch gezielt diversifizieren.

Vielen Dank für das Gespräch – wir sind gespannt, womit Sie als nächstes Schlagzeilen machen! 

Das Duo Angst und Bang
Vince Bang, 1970 in Vietnam geboren, kam 1980 nach dem Fall Saigons über die Caritas als Flüchtling in die Schweiz. Nach einem Wirtschaftsstudium in den USA und an der HSG arbeitete er in der Versicherungsbranche, davon sieben Jahre bei der damaligen Winterthur-Versicherung. 2005 macht er den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete erfolgreich eine Verpackungsfirma. Anfang 2018 übernahm er die Unionsdruckerei in Schaffhausen und ging im Herbst 2018 die Partnerschaft mit Alfred Angst ein.

Alfred Angst teilt mit Vince Bang den durch die Familiengeschichte gegebenen Blick über den Schweizer Tellerrand hinaus: Seine Mutter war 1968 bei den Studentenunruhen in Prag als Flüchtling aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz gekommen, wo sie sich in den Germanistikstudenten und späteren Unternehmer Alfred Angst Sr. verliebte. Nach einem Wirtschaftsstudium in Zürich und einem Master am Imperial College London arbeitete Angst 11 Jahre in der Unternehmensberatung, davon 4 für Ernst & Young und 6 Jahre für Deloitte. Die Karriere führte ihn von Zürich nach Asien und London und wieder zurück. Nachdem eine Firmenübernahme im letzten Moment gescheitert war, ergab sich in der Partnerschaft mit Vince Bang 2018 eine neue Perspektive für eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit.

Sunzi und «The art of war»
Vince Bang ist mit seinem Interesse für den chinesischen General und Strategie-Philosophen Sunzi und der Übertragung dessen Weisheiten auf das moderne Management in guter Gesellschaft. Auch Oracle-Chef Larry Ellison bezieht sich immer wieder auf Sunzis Werk «The Art of War».
Im Kapitel 8 geht es um unsere «Readyness»: Die Kunst des Krieges lehrt uns, uns nicht auf die Wahrscheinlichkeit zu verlassen, dass der Feind nicht kommt, sondern auf unsere eigene Bereitschaft, ihn zu empfangen; nicht auf die Chance, dass er nicht angreift, sondern auf die Tatsache, dass wir unsere Position unangreifbar gemacht haben.

  • Autor Martin Spaar
    Martin Spaar ist Gründer des PUBLISHER und hat diesen kontinuierlich zum führenden Magazin im Bereich Publishing und Digitaldruck im deutschen Sprachraum ausgebaut. Anfang 2019 hat er die Zeitschrift an das junge Team der Pantara GmbH übergeben. Jedoch bleibt er dem PUBLISHER als Autor weiterhin verbunden und ist über freie Mandate auch sonst aktiv in der Schweizer Publishing-Szene unterwegs.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 4-2020
  • Thema Interview, Alfred Angst, Vince Bang, Druckereien

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