Onlineprint ohne Grenzen?
Der E-Commerce boomt – und mittlerweile gibt es kaum noch Printprodukte, die sich nicht auch online produzieren lassen. Wobei sich die Regeln des Internets nicht nur auf das blosse Verkaufen oder innovatives Marketing beziehen, sondern auf alle Bereiche unseres digitalen Lebens, und die basieren auf Transparenz, neue Services, Dynamik sowie auf Aufbau und dem Teilen von Know-how. Onliner, echte Unternehmen der nächsten Print-Generation, sind also nicht nur Drucker, die online verkaufen, sondern Unternehmen, die den Spirit der neuen Philosophie leben und weiterentwickeln. Denn mal ehrlich: Alles was digital werden kann, wird unabdingbar digital werden – so wird Print immer mehr mit Online verschmelzen und beide werden sich im Kommunikationsprozess ergänzen.Wer hier nur an die grossen Player und Onlineprint-Generalisten wie Flyeralarm und Co. denkt, der denkt zu kurz. Klar, auch Plattformen wie Helloprint und Gelato wachsen, expandieren unnachahmlich und versorgen europäische Printkunden. Zumeist aber mit Commodity.
Aber Abseits von Akzidenzen hat E-Commerce in Verbindung mit Print auch einiges zu bieten. Verstanden haben die vorteilhaften digitalen Prozesse und Möglichkeiten vor allem junge Nischendrucker und Spezialisten, die dem Onlineprint-Markt ihren innovativen Stempel aufdrücken. Als «kleine» Onlineprinter sind sie die primären Produktentwickler und Ideengeber. Entscheidend für ihren Erfolg ist – wie bei den grossen Playern – neben dem Produkt der Marketing- und Vertriebsweg Internet. Mit zum Teil jährlichen Wachstumsraten im grösseren zweistelligen Prozentbereich sind einige der vermeintlich «Kleinen» so erfolgreich, dass auch die grossen Player ihre Ideen adaptieren – oder sie sich direkt einverleiben. Dabei zählt auch die persönliche Note: Deshalb ist hier wohl die kartenmacherei ein Paradebeispiel für Nischenprint. Denn mit Produkten rund um die personalisierbare Karte liegt das Unternehmen bei mehr als 20 000 Bestellungen jährlich – und dabei ist die kartenmacherei nicht einmal der günstigste Anbieter in diesem Segment. Einige der grossen Onlinedrucker bieten zwar ebenso Gruss- und Einladungskarten an. Die grossen Stärken vieler kleinerer Vertreter von Print im E-Commerce liegen aber gerade in der Kommunikation – und natürlich lässt sich der «Nutzen» eines schmucken Einzelprodukts anders vermitteln als von Akzidenzen, die sich im Onlineprint oft nur durch den Preis unterscheiden.
Das Start-up myPostcard konzentriert sich auf printbasierte Urlaubs- und sonstige individuell gestaltete Grusskarten, Postkarten eben. Wichtigster Kanal: Smartphone – und auch hier bilden Marketing und die bequeme Abwicklung für den Kunden den primären Erfolgsaspekt des Modells. Die Grossen bieten hier Ähnliches, nur weniger «erfolgreich».
Online: Die Nische machts
Für Kreative und hochgradig Qualitätsbewusste bietet Juniqe Kunstdrucke via Print-on-Demand und liegt damit genauso weit weg wie die anderen Spezialisten von dem, was man gemeinhin als «Standard» schimpfen würde. Das individuelle Element besorgt hier nicht die eigene Gestaltung von Postern, Leinwanddrucken und Co., sondern ein sorgfältig ausgewähltes Portfolio an ansprechenden Designs, gepaart mit dem passenden «digitalen» Vokabular im Marketing – also das, was die meisten grossen Player im Online-Business nicht haben. Spezialisten im Onlineprint sorgen für die Umsetzung vom Digitalen ins Haptische, und zwar mit besonderen Produktideen und -varianten.
Visitenkarten und Bierdeckel? Haben die Grossen – aber zumeist eben nur den «Standard». Letterpresso nutzt das Netz als Kanal, um Printprodukte zu vertreiben, die auf der mit Abstand ältesten Drucktechnik aller möglichen Produktionsarten im Onlineprint basieren. Im Hochdruck mit gleichzeitiger Tiefprägung in hochvolumige Substrate entsteht ein charakteristisches Letterpress Look-and-Feel, das so gar nichts mit Commodity zu tun hat. Druckkunst, bei der im Shop auch ein vergleichsweise kleines Portfolio reicht, um das Besondere zu bieten.
Das Onlinedruck-Business bringt aber auch in anderen Bereichen, in die sich der fortwährende Personalisierungstrend zieht, die Potenziale von Print mit einer konkreten Nachfragesituation zusammen. So z. B. bei Limmaland, dem Kölner Start-up, das gedruckte Klebefolien für die Personalisierung von Kindermöbeln und den bekanntesten Linien wie Callax oder Billy von Ikea online anbietet. Oder bei der Braufabrik, die mit dem Onlineangebot von personalisierbaren Etiketten auch gleich das Brauen und den Druck der Kennzeichner für Bier, Wein, Gin und Likör offerieren, nebst personalisierbaren Kisten. Mass Customization und Onlineprint sind eben die ersten Brücken zu einem modernen Print-Kommunikationsprozess – und zeigen einen wesentlichen Weg in die Zukunft des Druckens.
Kreativität?
Die steht auch bei Creightivist an erster Stelle. Das Label bietet digitalen Direktdruck auf weisse und schwarze Leinen-Sneaker á la Chucks sowie T-Shirts über einen Shop an und entgegnet damit gekonnt dem Bedarf an individuell bedruckbaren Spezialprodukten. Nicht der Preis entscheidet in jedem Fall über den Erfolg von Print – das Erlebnis mit dem Produkt steht im Vordergrund. Und das schaffen neben den Generalisten auch die Spezialisten am besten online, mit einer guten User Experience und der richtigen Kommunikation.
Bernd Zipper ist Berater, Dozent, Redner sowie Gründer und CEO der zipcon consulting GmbH (gegründet 1999). Seine Schwerpunkte sind Mass Customization, E-Business Print, Web-to-Print, Online Print und interdisziplinäre Transformation. Er entwickelt mit seinem Team Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure unterschiedlichster Branchen.
-
Autor
Bernd Zipper
- Rubrik Print
- Dossier: Publisher 4-2018
- Thema Kommentar
Kommentieren