Erfolg in der Nische

Der Druck in der Branche wächst, keine Frage. Und auch die bisher gangbaren Instrumentarien – mehr Kapazität, niedrigere Preise – scheinen langsam nicht mehr zu greifen. Welche Erfolgsrezepte gibt es also für kleinere und mittelständische Druckunternehmen, um sich weiterhin zu behaupten und wirtschaftlich zu arbeiten? Für manche könnte die Chance durchaus in der Spezialisierung liegen. Es gibt viele Beispiele, die hierzu ermutigen …

Die Druckbranche, das ist bei allem Optimismus ein Fakt, hat in der Breite zu kämpfen. Es gibt massive Verdrängungen, ein verändertes Kundenverhalten, schrumpfende Auflagen, abnehmende Margen. Für kleine und mittelständische Betriebe ist es daher inzwischen keine Lösung mehr, «lediglich» in den Maschinenpark zu investieren – denn, um es mit den Worten eines Druckers zu sagen: «Wenn ich eine schnellere Maschine habe, steht sie auch länger still». Ein grundsätzliches Umdenken ist oft erforderlich, um weiterhin seine Position zu behaupten, neue Geschäftsfelder müssen eruiert und Strategien überdacht werden. Kann der Schlüssel zum Erfolg vielleicht tatsächlich im Besetzen einer Nische liegen? Natürlich ist dies kein Patentrezept für jedes Unternehmen, aber für einige Anbieter im Druckbereich lag genau darin eine Möglichkeit, die diese erfolgreich zu nutzen wussten.

Hightech und Tradition

Eine der Druckereien, die das Bewusstsein für ein besonderes Angebot neben dem Alltagsgeschäft schon früh entwickelte, ist in Birmensdorf ansässig. Die J. E. Wolfensberger AG bietet neben ihrem Hightech-Offsetdruck schon seit fünfzig Jahren ganz traditionelle Veredelungstechniken an. Hier stehen die hohe Kunst der Bronzierung sowie Steindruck in bester Handwerkskunst im Portfolio – klassische Nischenangebote, die in Zeiten sinkender Auflagen in den Fokus rücken: «Trotz starkem Rückgang im Printvolumen spüren wir eine große Nachfrage nach haptischen und veredelten Druckproduktionen. Und hier kann die Bronzierung, die auf ungestrichenen Papieren einen einzigartigen Glanz erzielt, ihre Wirkung gänzlich ausspielen», so erzählt Benni Wolfensberger. Mit dieser Druckspezialität schuf sich das Unternehmen schon früh eine nahezu unbesetzte Nische, was nicht nur ein zweites Standbein, sondern eben auch ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt bedeutet «Das ist ohnehin ein Muss! Ohne ein spezielles Angebot ist es schwierig, heute allein von sogenannten Standarddrucksachen zu leben. Entweder man ändert seine Ausrichtung als Druckerei in Richtung ‹digitale Medien› beziehungsweise ‹Kreation/Agenturangebot› oder man hat eben eine Spezialität», davon ist der Geschäftsführer und Inhaber Wolfensberger überzeugt. Und tatsächlich sind ja gerade traditionelle, manchmal schon fast vergessene Veredelungsmethoden und Bindearten wieder auf dem Vormarsch, da würde es nicht wundern, wenn so manch einer auf die eindrucksvolle Wirkung von Bronzierungen stösst. Der Umsatz, der sich in der Menge nicht mehr erzielen lässt, könnte also ein Stück weit durch eine besondere Qualität aufgefangen werden – mit einem exklusiven Angebot, das der Kunde entsprechend honoriert. 

In der Nische starten

Manch einer muss sich seine Nische gar nicht suchen, sondern stolpert quasi in sie hinein und startet hier von Null auf ein Unternehmen. So wie Laura Sirch und Sascha Wellm alias Herr & Frau Rio, die nach ihrem Designstudium per Zufall und aus generellem Interesse am Druckwesen den ungewöhnlichen Charme von Risografien entdeckten. «Da diese Technik damals in München noch vollkommen unterrepräsentiert und beinahe unbekannt war, beschlossen wir kurzerhand, hier Abhilfe zu schaffen», erzählen die beiden. Es war auch der richtige Riecher zum optimalen Zeitpunkt, denn die eigenwillige und individuelle Anmutung der Risografie kam rasant in Mode. Immer mehr Anwendungsbereiche taten sich auf und die anfänglich überschaubare Nische wurde größer. «Vom Künstlerkatalog über Plakate und Flaschenetiketten bis hin zu Hochzeitseinladungen reicht unser Portfolio – die Klientel ist wirklich breit gefächert. Ein verbindendes Element gibt es aber: All unsere Kunden schätzen die besondere Ästhetik der perfekt ‹unperfekten› Drucke in tollen Farben, die nicht nur schön, sondern auch umweltfreundlich sind.» Dass dabei einen nicht unerheblicher Teil der Arbeitszeit gar nicht das Drucken selbst, sondern die Beratung im Vorfeld einnimmt, zählt wohl ganz generell zu den einschneidendsten Veränderungen in der Branche – Druck ist inzwischen eine umfängliche Dienstleistung geworden, die heute an der Maschine endet und nicht erst anfängt. «Wir arbeiten sehr gerne eng mit unseren Kunden und versuchen mit ihnen Ideen und Lösungen zu erarbeiten. Mit dem Risografen ist ja nicht jede Vorstellung umsetzbar, aber es findet sich immer ein Weg, um das gewünschte Kommunikationsziel zu erreichen», so Laura Sirch. Die Druckerei als Inspirationsquelle, Dienstleister und Impulsgeber sein, Handwerker und Berater: Vielleicht ist oftmals nur eine neue Gewichtung der Unternehmensbereiche nötig, um sich ein neues Feld zu erobern. 

Perfekt unperfekt – die Risografie hat ihren eigenen Charme.
Foto: Herr & Frau Rio

Dimensionswechsel

Mehr Mut für Veränderungen könnten vor ­allen Dingen kleinere Druckereien aufbringen, denn ihre Stärke liegt ja gerade in der Flexibilität. Könnten? Vielleicht müssen sie es sogar. Dieser Überzeugung folgte zumindest Xaver Egger, der noch vor fünfzehn Jahren als kleine Akzidenzdruckerei vor allem für regionale Kunden produzierte. «Uns war irgendwann klar: Ohne Spezialisierung können wir uns nicht langfristig und erfolgreich in einer Nische positionieren», erzählt er uns. Es war durchaus ein mutiger Schritt, nach und nach einen Onlineshop für bedruckte Verpackungen zu etablieren – ein komplexes Thema, an das sich zu jener Zeit die wenigsten Kleinunternehmer herantrauten. Inzwischen agiert Egger Druck + Medien seit fünf Jahren mit madika.de erfolgreich in diesem speziellen Segment und baut seinen Kundenstamm kontinuierlich aus. Aus dem Online-Geschäft ergeben sich viele Vorteile für den Auftraggeber, der beispielsweise nicht mehr lange auf ein neues Angebot warten muss, wenn er per Mausklick Änderungen an seinem Wunschprodukt vornimmt. Aber auch die Druckerei profitiert von dieser Form der Auftragsabwicklung: «Für uns bedeutet die Verlagerung in die digitale Welt eine bessere Planbarkeit durch klare Lieferzeiten und optimierte Produktionsbedingungen durch Standardisierung von Produkten und Prozessen. Außerdem kommen uns gewisse, bereits akzeptierte Standards der Onlinewelt zu Gute, wie zum Beispiel die Vergütung von Expressproduktionen oder aber die Vorkasse», erläutert Xaver Egger. Voraussetzung ist natürlich auch hier eine permanente Anpassung an das Einkaufsverhalten der Kunden sowie deren aktuelle Präferenzen, denn ein Selbstläufer ist selbst die brillanteste Nische nicht. «Durch die Online-Plattform erreichten wir dafür jedoch zahlreiche neue Firmen, vom Start-up bis zum DAX-Konzern».

Perfekt unperfekt – die Risografie hat ihren eigenen Charme.
Foto: Herr & Frau Rio

Lückenfüller

Nur drei Beispiele aus einer Vielzahl von Unternehmen, die für sich ein neues Feld erobert haben und dieses erfolgreich besetzen. Andere Druckereien suchen ihr Alleinstellungsmerkmal in der Spezialisierung auf ökologischem Druck, bieten Letterpress oder Siebdruck an, setzen auf Lasergravur, konzentrieren sich auf ein spezielles Printprodukt oder verstärken ihr Team in der kreativen Beratung. Ob eine mögliche Nische nun eher in der Technik, im Service oder aber in einer ergänzenden Dienstleistung abseits des Drucks zu finden ist, ob man sich auf eine Zielgruppe oder ein Medium fixiert, muss jeder Betrieb für sich entscheiden. Einig scheinen sich aber viele zu sein, dass es ohne Alleinstellungsmerkmal für kleinere und mittlere Betriebe schwierig bis unmöglich werden wird, sich den Stürmen in der Branche entgegenzustemmen. Grund zur Sorge? Sicherlich nicht, wenn man die Zeichen der Zeit erkennt, seine Stärken definiert, die Lücken besetzt, die der Markt noch (oder künftig) bietet und die eigene Exklusivität auch entsprechend kommuniziert. Mut macht da doch eine Einsicht, die schon Henry Ford mit auf den Weg gab: «Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als ­solche, die scheitern». 


  • Autor Bettina Schulz
    Bettina Schulz ist freiberufliche Texterin und Journalistin in München. 18 Jahre lang leitete sie als Chefredakteurin das internationale Fachmagazin novum World of Graphic Design und initiierte in dieser Zeit auch die alle zwei Jahre stattfindende Creative Paper Conference in München. Zudem ist sie Jurymitglied verschiedener (internationaler) Designwettbewerbe wie beispielsweise dem Red Dot Communication Design, dem Design Preis München oder dem IIIDaward und hielt bereits zahlreiche Vorträge. Zu ihren Kunden zählen Verlage, Agenturen und Kreative sowie Unternehmen aus der Wirtschaft. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Bereichen Papier, Druck und Veredelung. www.bettina-schulz.de.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 2-2020
  • Thema Digitaldruck, Druckbranche

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