Normgerechte Lichtwerbung im Fokus des VWP
Fast hundert Jahre lang war es möglich, Lichtwerbung zu machen, ohne sich an spezifische Normen halten zu müssen. Erst Mitte der 1990er Jahre kam die erste europäische Norm für Leuchtreklamen im Hochspannungsbereich zwischen 1000 und 10 000 Volt unter der Bezeichnung EN 50107 heraus. Sie wurde kurze Zeit später aufgrund technischer Weiterentwicklungen in zwei Teilen, als EN 50107-1 und -2, fortgeschrieben. Spätestens seit Einführung von LEDs war jedoch klar, dass es zudem eine Normung für Lichtwerbung im Niederspannungsbereich unter 1000 Volt braucht. Dafür setzte sich auch der Schweizer Verband Werbetechnik + Print (VWP) in Brüssel stark ein, sodass im September 2019 schliesslich der dritte Teil, EN 50107-3, bereitgestellt werden konnte. Um Hersteller, Verkäufer und Installateure zu unterstützen, die normgerechte Bauweise von Leuchtreklamen zu dokumentieren, hat der VWP ausserdem gemeinsam mit dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) ein spezielles Abnahmeprotokoll erarbeitet.
Normen sind freiwillige, von Experten erarbeitete Regeln für fast alle Gebiete im modernen Wirtschafts- und Alltagsleben. Normen begegnen uns täglich – meist völlig unbemerkt. Noch bevor wir morgens bei der Arbeit eintreffen, haben zahlreiche Normen unser Leben sicherer und bequemer gemacht. Diese unsichtbaren Helfer sorgen für das reibungslose Zusammenspiel vielfältiger Produkte, Prozesse und Dienstleistungen. Unterschieden werden Schweizer Normen (SN), Europäische Normen (EN) und Internationale Normen (IEC oder ISO). Ihre Anwendung ist freiwillig. Bindend werden sie nur dann, wenn sie Gegenstand von Verträgen und z.B. in den Einkaufsbedingungen festgeschrieben sind oder wenn der Gesetzgeber ihre Einhaltung zur Gewährleistung der Sicherheit zwingend vorschreibt. So fordert der Gesetzgeber in Österreich tatsächlich die Erfüllung der bestehenden EU-Normen für Leuchtreklamen, während das in der Schweiz und in Deutschland nicht der Fall ist. Trotzdem werden diese Normen aber auch in diesen Ländern vor Gericht als Grundlagen herangezogen, wenn es zu Haftungsstreitigkeiten kommt. Bis letztes Jahr standen dafür ausschliesslich die beiden Teile der europäischen Norm EN 50107 für Lichtwerbeanlagen im Spannungsbereich zwischen 1000 und 10000 Volt zur Verfügung (siehe Hintergrundkasten «Entwicklung von Normen für Lichtwerbeanlagen»).
EN 50107-3: die neue Norm gewährleistet sichere LED-Leuchtwerbungen
Im September 2019 sind diese beiden Teile nun durch einen dringend benötigten dritten Teil (EN 50107-3) ergänzt worden. Er definiert die Anforderungen an Lichtwerbeanlagen im Niederspannungsbereich unter 1000 Volt sowie an die darin verbauten Entladungslampen, LEDs und elektrolumineszierenden Lichtquellen. Damit konnte fast 15 Jahre, nachdem man mit der Erarbeitung dieser Norm begonnen hatte, endlich eine grosse Lücke geschlossen werden.
EN 50107-3 regelt die unterschiedlichsten Aspekte von Niederspannungsleuchtreklamen: angefangen bei den Schutzmassnahmen gegen elektrischen Schlag, thermische Auswirkungen, Kurzschlüsse und Brände weiter über die Auswahl und Beschaffenheit der Leuchtquellen, Leitungen, Verdrahtungen, Abdeckungen und Gehäuse bis hin zu den Informationen, die per Typenschildern und Aufklebern gut sichtbar auf den Geräten oder den Anlagen anzubringen sind. Es ist daher insbesondere Herstellern von Lichtwerbeanlagen angeraten, die neue Norm anzuwenden.
EN 50107-3: relevant für alle, die mit Leuchtwerbung zu tun haben
Da mit dem Anschluss der Lichtwerbeanlagen an das Schweizer Niederspannungsstromnetz sowohl die normalen Vorschriften für Niederspannungsinstallationen des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (ESTI) erfüllt werden müssen, als auch weitere Produktnormen, die das ESTI heranzieht, um die elektrische Sicherheit der Leuchtreklamen zu beurteilen, ist es ebenfalls für alle anderen in- oder ausländischen Markteilnehmer wie Verkäufer, Wiederverkäufer, Montagefirmen und Elektriker empfehlenswert, sich mit der Norm zu befassen. Dies gilt auch für jede Werbetechnikfirma, die Lichtwerbeanlagen von Dritten fixfertig und anschlussbereit einkauft, sogar dann wenn sie diese nicht verändert und nicht selbst montiert. Das oft gehörte Argument, «wir schliessen keine Anlagen ans Stromnetz an», entbindet die Firmen nicht von den vom ESTI geforderten Nachweisen. Sich über die Vorschriften hinwegzusetzen, führt keinesfalls zum Ziel, denn staatliche Behörden wie das ESTI sitzen immer am längeren Hebel!
Erleichterte Arbeit durch das VWP- Abnahmeprotokoll
Der VWP hat deshalb zusammen mit dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) ein spezielles Abnahmeprotokoll exklusiv für VWP-Mitglieder erarbeitet, das auf alle drei Teile der Leuchtreklame-Norm anwendbar ist. Denn um die Anforderungen zu erfüllen, werden neben einer schriftlichen Dokumentation, die vorgehalten werden muss, auch einmalige und periodische Produktprüfungen der Lichtwerbeanlagen vorgeschrieben. Hier hilft das Abnahmeprotokoll, alle erforderlichen Informationen zusammenzutragen, und unterstützt damit gleichzeitig auch in der Abarbeitung der erforderlichen Prozesse bei der Planung und Installation von Leuchtreklamen. Das Formular beinhaltet darum sowohl einen administrativen Bereich, in dem der Montageort, Hersteller, Betreiber sowie allgemeine Angaben zum Produkt bzw. zur Anlage festgehalten werden, als auch notwendige fachtechnische Formularfelder sowie Felder zum Eintrag der getätigten Messungen oder Funktionskontrollen. Mit der abschliessenden Unterzeichnung wird das Abnahmeprotokoll als Nachweis für die normgerechte Bauweise der Lichtwerbeanlage verbindlich. Mitglieder des VWP können das Abnahmeprotokoll in Kürze im Mitgliederbereich der VWP-Website unter Produkte downloaden. Zudem ist es dem VWP wichtig, seine Mitglieder auch weiterhin in Sachen Normierung von Lichtwerbeanlagen up to date zu halten. Derzeit engagiert sich der VWP für eine weitere Norm zum Thema LED-Anlage-installationen im Niederspannungsbereich und für Bestrebungen, den vom Europäischen Lichtwerberverband ESF (European Sign Federation) verfassten «Code of Practice» (CoP) weiterzuentwickeln. Wenn Sie an der Erarbeitung solcher Dokumente Interesse haben, melden Sie sich gerne beim SekretariatdesVWP.
Hintergrund
Entwicklung von Normen für Lichtwerbeanlagen
Mit dem Aufstieg der Elektrizität in den 1890er Jahren waren findige Werbeleute auf die Idee gekommen, mit Lichtreklamen im öffentlichen Raum zu werben. Dabei stellten sich im Laufe der Jahre grosse länderspezifische Unterschiede in den Bauweisen ein – mit so negativen Folgen wie verfrühten Ausfällen und Gefahr von Bränden. Trotz erheblicher Diskussionen zwischen Herstellern und Betreibern oder Endkunden liess eine Normierung der Leuchtwerbeanlagen jedoch auf sich warten. Erst nach langjährigen Verhandlungen unter Schweizer Mitwirkung in Brüssel beim Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung – CENELEC (Comité Européen de Normalisation Electrotéchnique) wurde 1998 die erste europäische Norm für Lichtwerbeanlagen, die sogenannte EN 50107, veröffentlicht. Sie regelt Leuchtreklamen im Hochspannungsbereich zwischen 1000 und 10 000 Volt. Das absolute Novum dieser Norm war, dass sie eine Kombination aus Produkt- und Installationsnorm ist. Denn sie beschreibt sowohl die Normierungsanforderungen für kleinere in sich geschlossene Leuchtröhrengeräte – also Produkte, die wie geliefert montiert werden können –, als auch für grosse und komplexe Leuchtröhrenanlagen, die aus mehreren Baugruppen bestehen und erst am Bestimmungsort zusammengefügt und installiert werden.
Zwar konnte die Sicherheit von Leuchtreklamen durch spezielle Schutzschalter bald weiter gesteigert werden, was dazu führte, dass EN 50107 als EN 50107-1 weitergeführt wurde, während die Anforderungen an die Schutzschalter in EN 50107-2 definiert wurden. Immer noch aber fehlte eine Norm für Lichtwerbeanlagen, die bei Niederspannung unter 1000 Volt betrieben werden. Dies obwohl es damals bereits Lichtwerbungen gab, die aufgrund ihrer Ausrüstung mit Leuchtstofflampen an unser normales 230-Volt-Stromnetz angeschlossen werden konnten, und obwohl viele Planer und Architekten aus Furcht vor den Hochspannungsvorschriften Leuchtreklamen bevorzugt als Anlagen für Niederspannung unter 1000 Volt konzipierten – wodurch sich wiederum erhebliche Sicherheitsmängel und teils drastische Folgeschäden ergaben. Man denke nur an den Grossbrand einer Tankstelle in England, der durch einen technischen Defekt in einer der ersten LED-Leucht- werbeanlagen ausgelöst worden war.
Darüber hinaus setzten sich LEDs auch in der Lichtwerbung mehr und mehr durch. Solche Anlagen werden meist bei Betriebs- spannungen von unter 1000 Volt betrieben. Es wurde daher immer dringender, eine weitere Norm für Lichtwerbeanlagen im Niederspannungsbereich zu erarbeiten, in der ausserdem die Anforderungen an die neuartigen LED-Produkte geregelt werden sollten. Die dafür 2005 formierte Arbeitsgruppe kam bald zu dem Schluss, dass die neue Norm für LED-Lichtwerbeanlagen als EN 50107-3 geführt werden und sie ähnlich wie EN 50107-1 sowohl produkt- als auch installationsspezifische Definitionen enthalten sollte. Im Jahr 2009 lag der erste Entwurf zur
Abstimmung vor, wurde aber leider durch diverse nationale Komitees abgelehnt. Begründet wurde dies u.a. damit, dass zuerst eine Produktnorm vorliegen müsse, bevor eine Installationsnorm erarbeitet werden könne. Erst durch Intervention des Verbands Werbetechnik + Print (VWP) und des Comité Électrotechnique Suisse (CES) konnte 2018 eine Einigung mit dem Bureau Téchnique (BT) in Brüssel zur Aufteilung der Norm EN 50107 in drei Teile erreicht werden, so dass die Norm EN 50107-3 für Niederspannungslichtwerbeanlagen endlich seit September 2019 zur Verfügung steht.
Die hier beschriebenen Normen
– EN 50107-1: Leuchtröhrengeräte und Leuchtröhrenanlagen mit einer Leerlaufspannung über 1 kV, aber nicht über 10 kV – Teil 1: Allgemeine Anforderungen
– EN 50107-2: Leuchtröhrengeräte und Leuchtröhrenanlagen mit einer Leerlaufspannung über 1 kV, aber nicht über 10 kV – Teil 2: Anforderungen an Erdschluss-Schutzeinrichtungen und Leerlauf-Schutzeinrichtungen
– EN 50107-3: Produktnorm für Lichtwerbeanlagen mit Entladungslampen und/ oder LED- (lichtemittierende Dioden) und/ oder EL- (elektrolumineszierende) Lichtquellen mit einer Nennspannung bis einschliesslich 1000 V, ausgenommen Allgemeinbeleuchtung, Verkehrs- oder Notbeleuchtung
Die Normen können online über Electrosuisse und die Schweizerische Normenvereinigung käuflich erworben werden.
Ralph Hug ist als Leiter Ressort Technik beim VWP tätig. Seit gut 25 Jahren setzt der gelernte Maschinenbauer sein umfangreiches Fachwissen für die Normierung von Licht- werbeanlagen ein. Er hat bereits bei der Erarbeitung der ersten, 1998 veröffentlichten europäischen Norm EN 50107 mitgewirkt.
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Autor
Ralph Hug
- Rubrik Werbetechnik
- Dossier: Publisher 5-2020
- Thema Werbetechnik, VWP, Lichtwerbung, Normen, Technische Normen
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