Font Neue DIN: Design-Klassiker neu gedacht

In diesen Tagen präsentiert die Berliner Fontwerk GmbH mit der Neuen DIN ein Schriftsystem, das sich stark an die Designikone «DIN-Schrift» anlehnt, diese aber elegant mit der heute verlangten Flexibilität und spannender Variabilität kombiniert. Die DIN-Schrift kommt auf diese Weise im 21. Jahrhundert an – und wie!

Die Bezeichnung DIN kennen wir aus diversen Bereichen, zum Beispiel bei den Papierformaten wie DIN A4. DIN steht dabei für das «Deutsche Institut für Normung», das sich als unabhängige Plattform für die Standardisierung versteht.

Auch der «DIN 1451» bist du sicher schon begegnet, wenn auch nicht bewusst. Denn diese Bezeichnung steht für die deutsche Norm-Schrift in den Bereichen Technik und Verkehr. In Deutschland ist sie besonders von Orts-, Autobahn-, Eisenbahn- und anderen offiziellen Hinweisschildern bekannt.

Globaler Design-Klassiker
Doch die Schrift hat weltweit einen Siegeszug angetreten und prägt in vielen Teilen der Welt bis heute das grafische Gesicht. Auch dank mehrerer schriftgestalterischen Interpretationen der Grundform wirkte die Schrift nie altmodisch oder überholt – im Gegenteil.

Genau dieser Schrift haben sich Hendrik Weber (Type-Director der Agentur KMS Team) und Andreas Frohloff (freier Type-Director) Hand in Hand mit Fontwerks Font-Engineer Olli Meier angenommen, mit dem Ziel, die Designikone definitiv ins neue Jahrtausend zu überführen. Jede Interpretation der Grundform hatte ihr zwar eine neue Farbe hinzugefügt, doch die Designer waren sich einig, dass noch nicht alle Farben freigelegt worden sind. Und so haben sie sich daran gemacht, diese Nuancen herauszuarbeiten, um damit die Vitalität der Schrift zu stärken. Der Font sollte aus seiner ursprünglichen Heimat Berlin heraus neu gedacht werden.

Variabel und flexibel
Aber die neue Schrift sollte auch eine adäquate Antwort auf eine immer dynamischer werdende Welt sein. In der heutigen Zeit sind variable Fonts am wichtigsten, die auf allen Kanälen einsetzbar sind und auf jedem Bildschirm gut aussehen – ob gross oder klein. Deshalb setzten die Designer auf die variable Breite, insbesondere der Condensed und der Wide. Im Ergebnis erscheint so die normale Breite neutraler als bei DIN-Schriften, die von jener Grundform her gedacht wurden.

Schwierig war dabei, herauszufinden, wie weit sich die Macher von den Vorgaben der Norm entfernen konnten. Allzu mutige Entwürfe, welche die geometrische Konstruktion und Offenheit des Originals zu verlieren drohten, wurden knallhart verworfen. Auch die neue Schrift sollte klar als DIN erkennbar bleiben, mit all der ihr eigenen Schlichtheit und Zeitlosigkeit.

Neun Schnitte und neun Breiten
Die strenge Geometrie war es wohl auch, was den Kreativen als Schlüssel für den endgültigen Entwurf diente. Doch etwas Eleganz war ebenfalls erwünscht und so kam Andreas Frohloff die zündende Idee: Alle senkrechten Rundungen – also etwa die Seiten des o, d oder g – sind komplett rund und haben einen leichten Schwung. Das ist unauffällig, gibt der Schrift aber den gewünschten eleganten Touch.

Als Alleinstellungsmerkmal der Neuen DIN gilt jedoch das klare Zusammenspiel von neun aufrechten Schnitten (Thin-Black) und neun Breiten (XXCondensed, XCondensed, Condensed, SemiCondensed, Normal, SemiWide, Wide, XWide, XXWide). Die enorme Bandbreite sorgt dank der Flexibilität der Variable-Fonts-Technologie für ein brandneues DIN-Erlebnis, obwohl – oder gerade weil – sich die extremen Breiten zunächst recht ungewohnt «anfühlen». Aber wie bei der DIN 1451 sind diese nicht nur konsequent, sie machen auch Spass.

Olli Meier begründet die Entscheidung für neun Breiten so: «Die DIN neu zu denken bedeutet auch, vom Web und responsiven Umgebungen auszugehen und sie derart zu gestalten, dass sie in CSS reibungslos funktioniert.»

Elegante Strenge
Subtilere Design-Unterschiede zu ihren Vorgängern erkennt man im kompakten Gesamteindruck und der Neuinterpretation des Strichverlaufs, welcher strenger und damit auch normierter erscheint. Bedingt durch die technische Ausrichtung der Körperformen hat die Schrift breite Punzen, auch Zeichen wie t, f, r und 1 wurden ein wenig breiter gestaltet. Dazu kommen laut den Machern Alternativformen für Q, a, u, r, l 6, 9 und 7, runde Pfeile, Ziffern in Kreisen und Quadraten.

Die raffinierten Details und die erwünschte Flexibilität der Neuen DIN fügen dem Spektrum der bestehenden DIN-Schrift eine kompakte, strenge, aber eben auch dezent elegante Variante hinzu, die auch wieder zeitlos wirkt – und es auch sein möchte. Statt der Schrift der Eisenbahn ist sie nun also so etwas wie die Schrift der Mobilität der Zukunft geworden. Oder um die Macher zu zitieren: «Die Neue DIN ist eine deutsche Normschrift in all ihrer gestalterischen und lokalen Stringenz und einer erstaunlichen Anpassungsfähigkeit.» 

Mehr zur Neuen DIN gibt es zu lesen auf neuedin.com

  • Autor Alain Zanolari
    Als Redaktor redigiert Alain Zanolari beim PUBLISHER Fachartikel und schreibt eigene Texte für das Fachmagazin und publisher.ch.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 6-2022
  • Thema Fonts

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