Wenn aller guten Dinge auf keine Kuhhaut gehen

Über die Jahrhunderte entwickelt und wandelt sich die Sprache und bringt einige sehr interessante Phänomene – etwa Sprichwörter und Redewendungen – hervor. Im Folgenden werden einige der Redensarten mitsamt ihrer Herkunftsgeschichte genauer unter die Lupe genommen.

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Definitionen
Was die zwei Sprachphänomene – sowohl Sprichwörter als auch Redewendungen – eint, ist die Tatsache, dass beide eine gewisse Bildlichkeit sowie Formelhaftigkeit aufweisen und in der Gesellschaft allgemein bekannt sind. Sprichwörter drücken im Unterschied zu Redewendungen allerdings eine meist überkulturell bekannte Regel oder (Lebens-)Weisheit aus und sind in ihrer Form geschlossen: Sie bestehen aus unveränderbaren Sätzen. Redewendungen hingegen bieten Spielraum und können durch Veränderung der Zeitform, des Subjekts oder des Objekts angepasst werden.

Warum denn bloss?
Warum aber verwenden wir Redewendungen und Sprichwörter? Im Fall der letzteren ist es vermutlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die in den Sprichwörtern verbrieften Lebensweisheiten in unterschiedlichsten Lebenslagen Orientierung vermitteln können. Daraus lassen sich mitunter Handlungsanweisungen oder Verhaltensgebote ableiten, die Halt geben.

Redewendungen werden gebraucht, um Gefühle besser – und authentischer – auszudrücken: Ein schäumendes «Ich könnte aus der Haut fahren.» vom Vorgesetzten hat diskussionslos mehr «Punch» und Wirkung als ein schnödes «Ich bin sehr wütend.». Damit sind die rhetorischen Stilmittel auch ideal, um mit seinen Zuhörern (oder Lesern) auf einer emotionalen Ebene zu kommunizieren.

Alle Register ziehen (Redewendung)
Die Bedeutung dieser ersten vorgestellten Redensart ist klar: Nichts unversucht lassen und alle sich ergebenden Chancen zu nutzen, um ein Ziel zu erreichen. Die Begrifflichkeit stammt aus der Kirche, genauer gesagt aus dem Orgelspiel: Je mehr Register – das sind eine Reihe ähnlich klingender Orgel-Pfeifen – der Spieler zieht, desto kraftvoller und mächtiger klingt das vorgetragene Musikstück.

Aller guten Dinge sind drei (Sprichwort)
Manchmal müssen es eben einfach drei Versuche sein, bis etwas klappt. Dieser Meinung waren vermutlich schon die Germanen. Volks- und Gerichtsversammlungen hielt der aus mitteleuropäischen und südskandinavischen Gruppierungen bestehende Stämmeverbund dreimal jährlich ab. Eines Verbrechens oder des Sittenbruchs Beschuldigter wurde ebenso dreimal vorgeladen, ehe er – dann allerdings in seiner Abwesenheit – verurteilt wurde.

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Ausser Rand und Band sein (Redewendung)
Ungestüm, übermütig, ausgelassen – manchmal muss die angestaute Energie einfach heraus: Gerade bei kleinen Dreikäsehochs ist man manchmal überrascht, wie aufgedreht und mit welcher Ausdauer die Kleinsten da zu Werke gehen. Ausser Rand und Band zu sein, hat ursprünglich aber wenig mit Energie oder Dynamik zu tun.

Die Böttcher-, Küfner- oder Fassbinderzunft, unter anderem im Mittelalter ein florierendes Gewerbe, stellte dem Namen entsprechend Fässer aus gebogenen Hölzern her. Sprangen diese bei der Herstellung entweder aus ihren Halterungen, also den «Rändern» der Fassung am Gefässboden, oder aus den für zusätzliche Stütze sorgenden (Eisen-)«Bändern», waren sie im wahrsten Sinn des Wortes ausser Rand und Band.

Das geht auf keine Kuhhaut (Redewendung)
Was auf keine Kuhhaut geht, hat das Mass des Erträglichen definitiv überschritten. Das würde wohl auch der Teufel unterschreiben: Nach mittelalterlichem Glauben notierte sich der Höllenfürst nämlich jede Sünde der Erdenbürger auf einem Pergament. Schriftstücke – so also auch die «teuflische» Liste der menschlichen Verfehlungen – bestanden damals vornehmlich aus Ziegen- oder Kuhhaut.

Kein Blatt vor den Mund nehmen (Redewendung)
Unverblümt die eigene Meinung kundtun oder dem Gegenüber deutlich die Leviten lesen (auch das wieder ein Sprichwort) wird mit der Redewendung «kein Blatt vor den Mund nehmen» umschrieben. Die Redensart hat ihren Ursprung im antiken Theater und ihre Bedeutung seither stark verändert: Künstler auf der Bühne hielten sich bei ihren mitunter provozierenden oder verhöhnenden Darbietungen ein Feigenblatt (einige Jahrhunderte später dann eine Theatermaske) vor das Gesicht, um Rückschlüsse auf die dahinter steckende Person zu vermeiden – und damit möglichen Konsequenzen zu entgehen.

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Jemandem auf den Zahn fühlen (Redewendung)
Richtig geraten: Tatsächlich hat diese Redensart ihren Ursprung in der früheren «Dentalmedizin» – obwohl man dieser dem heutigen Verständnis des Begriffes nach kaum gerecht wurde. Wer vor dem 18. Jahrhundert mit Zahnschmerzen zu kämpfen hatte, ging nicht zu einem Arzt, sondern zu einem Barbier oder Schmied. Diese befühlten und klopften dann alle Zähne ab, bis «der Schuldige» gefunden und mit einer Zange entfernt wurde. Im übertragenen Sinn – Befühlen und Abklopfen von jemandes Absichten – hat die Redensart heute glücklicherweise eine weitaus weniger schmerzvolle Bedeutung als die Tätigkeit von damals.

Etwas auf dem Kasten haben (Redewendung)
Hier ist natürlich nicht relevant, was auf dem Aktenschrank oder auf der Kommode liegt. Für die Redensart gibt es zwei mögliche Erklärungen – beide aus dem Mittelalter stammend. Zum einen ging man damals davon aus, dass Brust und Kopf/Gehirn leere Hüllen sind, die im Laufe des Lebens zu füllen sind. Wer eine proppenvolle Hirnhülle – oder auch «Hirnkasten» – angesammelt hatte, war demnach intelligent – jemand mit einem spärlich gefüllten Kasten eher weniger. Zum anderen führt eine mögliche Erklärung für die Redewendung ins Schulwesen der damaligen Zeit: Schüler trugen anstelle des heutigen Rucksacks einen Holzkasten mit Tontafeln in die Schule. Die Tafeln wurden während des Unterrichts mit den Informationen der Lehrkraft beschrieben – wer den Worten des Schulmeisters fleissig lauschte (und diese auch niederschrieb), hatte am Ende des Tages wortwörtlich einiges im respektive auf dem Kasten.

Toi, toi, toi (Redewendung)
Heutzutage würden wir wohl eher mit Befremden oder blankem Entsetzen reagieren, wenn jemand zum «Daumen drücken» dreimal auf den Boden spuckt. Einst war das allerdings Habitus – die repetitive Spuckerei sollte böse Geister oder Unglück vertreiben. Mit dem Wandel der Gesellschaft wurde das Absondern des Speichelsekrets jedoch zunehmend als unanständig empfunden – und im 18. Jahrhundert durch das lautmalerische Pendant «toi, toi, toi» ersetzt.

Zeigen, wo der Bartli den Most holt (Redewendung)
Zum Abschluss etwas Mundart, obschon der Ausdruck auch im Deutschen – «Ich zeige dir, wo der Barthel den Most holt.» – existiert und eigentlich aus jiddischen Wörtern besteht. Barthel ist nicht etwa der Vorname eines Mannes, sondern jiddisch für «Brechstange». Most steht derweil auch nicht für den alkoholhaltigen Fruchtsaft, sondern ist die jiddische Übersetzung für Geld. Soll heissen: Wir bewegen uns im Gaunerjargon und sprechen mit jemandem, der weiss, wo Geld (zur Not mit der Brechstange) zu holen ist. Das ist allerdings nur eine von vielen möglichen Herleitungen der Redewendung. Und: Sie hat zugegebenermassen nicht mehr viel mit dem heutigen Verständnis des Ausdrucks – oft sexuell konnotiert und mit «zeigen, wo der Hammer hängt» übersetzt – gemein

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