Google in die Hände gespuckt

Der Zugang zur beruflichen Grundbildung und Weiterbildung hat sich dank dem Internet sehr vereinfacht. Früher gabs ein paar Gurus, denen hingen die Zuschauer an den Promotionsveranstaltungen an den Lippen. Veranstaltungen waren ein gutes Geschäft, für die Unternehmen als Plattform, die Gurus, die Anwender, die ihre Notizbücher mit Tipps und Tricks füllten. Heute scheinen diese Zeiten vorbei zu sein. Wer heute etwas wissen will, googelt. Es gibt nichts, was Google nicht weiss. Sogar, was ich nicht weiss und deshalb google. Hat der Beruf Fachlehrer Zukunft? Google weiss es doch viel besser, aktuell und schneller! Vielleicht etwas gar provokativ gedacht, denn Google hat keine Vorstellung davon, wie Know-how in Wertschöpfung umgewandelt werden kann. Wissen ist das eine, aber wie Wissen vom Hirn über die Hände auf die Tastatur gelangt, etwas ganz anderes. Noch leben wir alle nicht davon, dass wir einfach supergescheit sind. Unsere Kunden oder Chefs wollen Taten sehen, die Wertschöpfung bedeuten.

Und hier spielen softe Faktoren hinein: Erfahrung, Fehlervermeidung, vorausschauendes Handeln, Teamwork. Und etwas ganz Wichtiges: Die gelisteten Informationen werden kaum nach Relevanz oder der Bedeutung im Zusammenhang mit dem Workflow geratet.

Unsere Branche ist wie noch nie voller Quereinsteiger. Schon die Marketingpraktikantin oder die Assistentin werden inhouse genötigt, den Flyer oder die Anzeige selbst herzustellen. Konzept, Text, Bild von Debütanten, welche «vorgestern» noch auf dem Gymi waren. Ihre Chefs haben keine Ahnung und auf dem Bildschirm sieht es doch ganz gut aus. Die Quer­einsteiger haben ja das Wissen von Google und YouTube. Dort lernt man Freisteller, Retusche und Links zu setzen. Bei der Wissensvermittlung kann Google brillieren. Was davon unnütz ist, können nur erfahrene Fachleute begreifen. In der Konsequenz entstehen Dokumente, die nicht sauber sind. Voller Schreibfehler (Korrekturlesen ist Googles Sache nicht), bar jeder gestalterischen Vernunft oder mit technischen Unzulänglichkeiten, bis hin zu «nicht druckbar». Facharbeit wird schleichend ersetzt, genauso, wie wenn man zu Hause die Wände selber tapeziert oder die Steckdose einen Meter verlegt.

Man versuche einmal den Begriff «Pantone» zu googeln. Ohne technische Voraussetzungen, also zu wissen, was ein Farbauszug ist, kommt man der Sache nicht bei. Es beginnt bei der Farbdefinition eines Logos über mehrere Farbräume wie CMYK, Pantone, RGB, RAL, Scotchcal hinweg. Nur schon zu verstehen, was ein Farbraum ist und wie Offset oder Digitaldruck Farben interpretieren und aufs Papier bringen, ist fast «ungoogelbar».

Am Arbeitsplatz ist keine Zeit, um zu googeln und auf die Schnelle etwas zu kapieren. Dieses zusammenhängende und vernetzte Fachwissen wird ­vorausgesetzt. Aber als Anfänger in die Sphären von Fachspezialisten mit ihren eigenen Netzwerken zu gelangen, ist schier unmöglich. Es fehlt an Beurteilungsvermögen über die Qualität von Handlungskompetenz und die angemessene Zeit, die für eine Aufgabe benötigt wird. Man sollte in allen Bildungsinstitutionen Sorge tragen, inwieweit ein Zertifikat aufgrund praktischer Übungen und Handlungskompetenzen die Erwartungen erfüllt oder nicht.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 4-2018
  • Thema Kolumne

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