Das Übernahmekarussell in der Druckbranche dreht immer schneller

Die Ereignisse überschlagen sich: Galledia übernimmt Multicolor, Schellenberg die Effingermedien und zwei Branchenfremde stehen zwei Jahre nach ihrem Markteintritt schon bei Übernahme Nummer sieben!

«Konsolidierung» heisst seit Jahren das unfreiwillige Motto, welches das Geschehen in der Druckindustrie prägt. Die harte Realität hinter diesem abstrakten Begriff hat uns beim PUBLISHER schon mehrfach eingeholt. So mussten wir uns 2011 nach einem neuen Papier aus dem Ausland umsehen, als das Aus für die traditionsreiche Papierfabrik Biberist kam. Und 2015 mussten wir gar in einer Blitzaktion die fixfertig gedruckten Hefte aus der Konkursmasse der nicht weniger traditionsreichen Schlaefli & Maurer herauskaufen, um erscheinen zu können.

Ungeschminkt bedeutet Konsolidierung also Konkurse, Geschäftsaufgaben, Fusionen und Übernahmen. Und die digitale Transformation dreht immer schneller an dieser Abwärtsspirale. 2015 kam in der Schweiz noch der starke Franken hinzu und jetzt noch Corona! In dieser Situation sind Fusionen und Übernahmen das Rezept, um noch zu retten, was zu retten ist. Denn das Druckbusiness ist ein typisches Skalengeschäft: Je höher das Volumen, desto kostengünstiger kann produziert werden (siehe Kasten).



Sechs Player in der Top-Liga
Dieser Logik folgend überschlagen sich in den letzten Monaten die Meldungen von Übernahmen in der Druckindustrie. Dabei kristallisieren sich sechs Player heraus, die mit einem Mitarbeiterbestand von je über 100 die anderen immer weiter hinter sich lassen und mit beachtlichen Maschinenpärken ein grosses Druckvolumen auf sich vereinigen (siehe Box).

Print als Skalengeschäft
Der Offsetdruck ist besonders stark durch Skaleneffekte geprägt. Hier sinken die Stückkosten bei höheren Volumen markant. Dies gilt sowohl bei einem einzelnen Druckauftrag für sich betrachtet als auch bezüglich der Anzahl an Druckaufträgen:
– Grosses Volumen als Voraussetzung,
– einen breiten Maschinenpark voll auszulasten
– Bessere Konditionen im Einkauf, speziell Papier
– Investitionen in Prozessoptimierung etc. können breiter abgewälzt werden
– Potenzial von markantem Effizienzgewinn mit Sammelformen
– Potenzial, die Wertschöpfungskette laufend auszubauen

In diesem Bereich des klassischen (Bogen-) Akzidenzdrucks ist die Galledia- Gruppe mit der Ende Juni bekannt gegebenen Übernahme der Multicolor Print AG nun ganz klar die Nummer eins. Nicht weniger spektakulär ist jedoch, was sich am unteren Ende dieser Top-6-Liste tut. Da schrecken zwei Branchenfremde namens Angst und Bang die Branche auf, indem Sie in eineinhalb Jahren nicht weniger als sieben Druckereien aufgekauft und zur Mattenbach-Gruppe vereint haben: also die Unionsdruckerei Schaffhausen, die GDZ Zürich, de druck, Marty Druck, Sprecher Druck und die Typodruck unter dem Dach des im Herbst 2019 gekauften Winterthurer Medienhauses Mattenbach. Das lässt die Gerüchteküche brodeln und man hört alles von dubiosen Hintermännern bis zur Geldwäscherei. Was wirklich dahinter steckt, legen Vince Bang und Alfred Angst in unserem Interview auf der nächsten Doppelseite offen.



Schellenberg diversifiziert
Ein beeindruckendes Tempo schlägt auch Oskar Schellenberg mit seiner Tochter Regula an und dies schon seit längerem. Zu den wichtigsten Übernahmen gehören die Sailer Druck Medien GmbH, Götz Offset AG, Colorplast AG, Schwegler Druck und Medien AG, Pro Sales AG, PMC Print Media Corporation AG und schliesslich dieses Jahr die Effingermedien AG. So gewachsen dürfte die Schellenberg Gruppe heute die Nummer zwei im Schweizer Akzidenzdruck sein. Gemäss Geschäftsführerin Regula Schellenberg ging es bei diesen Akquisitionen neben dem Zukauf von Druckvolumen auch immer wieder um eine gezielte Diversifizierung. So mit Colorplast AG in den Sicherheitsdruck, mit Schwegler Druck und Medien AG in die Welt des Grossformatdrucks, mit Pro Sales AG in Richtung Crossmedia- Kommunikation, mit der PMC Print Media Corporation AG in den Rollenoffset und jetzt mit der Effingermedien AG ins Web-to-Print und ins Verlagswesen. Gemäss Regula Schellenberg kommt das so erreichte Prinzip «alles aus einer Hand» bei den Kunden sehr gut an und gerade durch Spezialitäten wie den Sicherheitsdruck liessen sich immer wieder neue Kunden gewinnen. Schellenberg gilt in der Branche als solide finanziertes Familienunternehmen und Regula Schellenberg betont, dass die ganze Infrastruktur eigenfinanziert ist und aus Prinzip nichts geleast wird. So aufgestellt, sieht sie Corona als doppelte Chance: Einerseits spielt die Krise dem Lokalen in die Hand und hilft, Aufträge aus dem Ausland zurückzugewinnen. Und andererseits suchen jetzt Drucker vermehrt das Gespräch hinsichtlich einer Übernahme.

Durch Übernahmen und Zusammenschlüsse ist auch die Merkur-Gruppe mit Sprüngli Druck und Hertig + Co unter ihrem Dach in eine Top-Position aufgerückt. Per 1. Juli dieses Jahres haben die beiden Geschäftsführer Thomas Schärer und Marco Husistein im Rahmen eines Management- Buyouts die Anteile von Mehrheitsaktionär Peter Berner übernommen.



Stämpfli nimmt Highspeed-Inkjet ins Haus
Seit Jahrzehnten eine Grösse für sich ist die Stämpfli AG. Übernahmen wie die der Digitaldruck-Sparte der Ziegler Druck AG im Jahr 2015 sind hier eher die Ausnahme. Eine traditionelle Stärke von Stämpfli ist die ursprünglich aus der Produktion des Kursbuches gewachsene IT-Affinität. Noch heute sind IT-Spezialisten bei Stämpfli an der Aufbereitung der Fahrplandaten beteiligt, die Softwarekompetenz liegt heute jedoch insbesondere bei PIM-, Redaktionssystem- und Web-to-Print-Lösungen. In diese Tradition passt auch der jüngste strategische Schritt der Berner, eine Partnerschaft mit der Avaloq Outline AG. Diese Tochter der im Bereich Banken-Software tätigen Avaloq-Gruppe ist auf den Transaktionsdruck sowie die digitalen Kommunikationskanäle spezialisiert und betreibt seit längerem zwei Produktionszentren in Winterthur und Bedano (TI). Neu ist jetzt ein Produktionszentrum bei Stämpfli in Bern dazugekommen, das über zwei Xerox-Inkjet-Drucksysteme verfügt. Diese können von beiden Partnern genutzt werden; von Avaloq Outline im Bereich Transaktionsdruck, von Stämpfli auch im Akzidenzdruck für individualisierte Drucksachen. Gemäss Geschäftsführer Daniel Sinn will Stämpfli dafür auch die eigenen Kompetenzen in der Beratung, Konzeption und Umsetzung von personalisierten Kommunikationslösungen weiter ausbauen.

Auf den aktuellen Konsolidierungsprozess angesprochen schliesst Daniel Sinn weitere Partnerschaften mit zur strategischen Ausrichtung von Stämpfli passenden Firmen nicht aus. Der strategische Fokus liege dabei auf dem Weiterausbau der Konzeptions- und Umsetzungskompetenzen rund um die digitale und analoge Unternehmens- und Verbandskommunikation.



FO-Gruppe mit Druckzentrum-Modell
Die Idee eines von mehreren Druckereien gespiesenen Druckzentrums hat die FO- Gruppe in Egg bei Zürich bereits realisiert. Gemäss Geschäftsführer Martin Hegglin sind neben der FO-Fotorotar, Neidhart und Schön, Bruhin-Spühler, Swisspack und Bühler Druck auch weitere kleinere lokale Druckereien an das Druckzentrum Büelholz angeschlossen. Diese treten am Markt weiterhin autonom auf und liefern die Druckjobs «pfannenfertig» ins Druckzentrum. Der Gewinn soll gemäss Martin Hegglin bei den Partnern anfallen, das Druckzentrum muss nur kostendeckend funktionieren. So geht die Rechnung am Schluss auch für die FO- Gruppe auf, da die FO-Fotorotar als grösster Kunde des Druckzentrums auch entsprechend stark von dessen tiefer Kostenstruktur profitiert.

Auch im Segment der mittelgrossen Druckereien mit 50 – 100 Mitarbeitern tut sich viel bezüglich Zusammenschlüssen und Übernahmen. Es ist durchaus denkbar, dass so künftig weitere Unternehmen in unsere «Top-Player-Liga» vorstossen.

Ein solches Unternehmen, das offen ist für ein Wachstum durch Partnerschaften, ist die Ast & Fischer AG in Wabern. Seit 2013 pflegt man eine strategische Kooperation mit rubmedia. Statt einer Ersatzinvestition in Millionenhöhe wählte rubmedia den Weg einer Beteiligung an der A&F-Muttergesellschaft Mediengruppe Grünau AG. So sind die Druckmaschinen bei Ast & Fischer heute auch die von rubmedia. Daniel Troxler, Geschäftsführer von Ast & Fischer, geht davon aus, dass sich dieses Modell multiplizieren lässt. Und er ist überzeugt: «Die Welt nach Corona wird gerade auch im Druckgewerbe nicht mehr dieselbe sein!»

  • Autor Martin Spaar
    Martin Spaar ist Gründer des PUBLISHER und hat diesen kontinuierlich zum führenden Magazin im Bereich Publishing und Digitaldruck im deutschen Sprachraum ausgebaut. Anfang 2019 hat er die Zeitschrift an das junge Team der Pantara GmbH übergeben. Jedoch bleibt er dem PUBLISHER als Autor weiterhin verbunden und ist über freie Mandate auch sonst aktiv in der Schweizer Publishing-Szene unterwegs.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 4-2020
  • Thema Druckbranche, Schweizer Druckmarkt, Übernahmekarusell

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