Gestaltung ist Haltung – Nachhaltiges Design zahlt sich auf Dauer aus

Heute wird das Design von Flyern, Büchern oder Verpackungen nicht mehr nur unter dem Aspekt der Kreativität beurteilt. Es werden auch Kriterien berücksichtigt, welche viel weiter gehen. Wurde das Produkt umweltgerecht hergestellt? Welche Zertifikate von unabhängigen Umweltorganisationen zeichnet das Druckprodukt aus? Nachhaltiges Design beginnt beim Prozess der Herstellung und geht bis hin zum Recycling des Produkts.

Als Designer ist man sowohl Macher als auch Verbraucher, deshalb hat man gute Chancen, etwas zu bewirken. Die Frage der Nachhaltigkeit beim Entwurf eines Projekts sollte ganz am Anfang stehen. Es sollte zuerst geklärt werden, ob das geplante Projekt überhaupt sinnvoll ist. Wie vermittelt das geplante Druckprodukt die gewünschte Botschaft am besten? Welche Auswirkung hat das Produkt auf die Umwelt?


Konkrete Entscheidungen
Nachdem man sich über die Antworten der Fragen, welche man sich zu Beginn eines jeden Projekts stellen sollte, sicher ist, ziehen diese in der Praxis konkrete Entscheidungen nach sich. Eine daraus resultierende Entscheidung könnte wie folgt lauten: Wir minimieren die Abfallmenge und nutzen die kompletten Druckbögen. Auf diese konkrete Entscheidung hin sollte der Designer ein Seitenformat wählen, das den Ansprüchen des Projekts genügt und gleichzeitig Papier spart. Erfordert das Layout ein aussergewöhnliches Format, so wird es nicht zu vermeiden sein, dass automatisch viel Abfall erzeugt wird und somit Ressourcen sowie Geld vergeudet werden. Falls jedoch ein Sonderformat unumgänglich ist, sollte der Designer erwägen, ob auf dem Druckbogen nicht noch ein anderes Projekt gleichzeitig mitgedruckt werden kann. Auf diese Weise wird der Druckbogen optimal genutzt und Abfall vermieden.


Weniger ist mehr
Ein anderer Ansatz, um umweltfreundliche Produkte zu fertigen, besteht darin, weniger Farbe zu verwenden. Der Designer kann zum Beispiel bei der Konzeption den Anteil der bedruckten Flächen möglichst gering halten. Dies kann erreicht werden, indem man mit mehr Weissraum arbeitet sowie weniger und kleinere Abbildungen einfügt. Natürlich kann man bei einem Produkt in Bezug auf das Design nicht nur auf die Nachhaltigkeit schauen, sondern es sollte vor allem immer auch ästhetisch und angenehm fürs Auge sein. Auch die Reduzierung des Umfangs macht durchaus Sinn, hierbei ist aber zu prüfen, ob der Umfang um eine sinnvolle Seitenzahl verringert werden kann. Hat man beispielsweise eine Broschüre mit einer einfachen Rückstichheftung, ist es wichtig, dass die Seitenzahl durch vier teilbar bleibt. Generell ist zu sagen, dass ein Designer bereits zu Beginn eines Auftrags auch die Entsorgung des Produkts bedenken sollte. Das Ziel eines jeden Projekts sollte jedoch darin bestehen, dass es von der ersten Planung bis hin zur Verwendung des fertigen Produkts ökologisch und sozial verantwortungsbewusst umsetzbar ist.


Nachhaltige Materialien
Ein ökologisch hergestelltes Produkt muss sich äusserlich nicht zwingend von einem herkömmlichen unterscheiden. Entscheidend sind die frühen Weichenstellungen wie die Auswahl des Papiers, der Druckfarbe und der Druckerei. Bei der Herstellung eines Produkts ist es unvermeidbar, sich für ein nachhaltiges Design konkret mit den Materialien auseinanderzusetzen, die verwendet werden sollen. Es ist zu empfehlen, mit recycelten und schadstofffreien Materialien zu arbeiten. Um den Überblick auf dem Markt mit all den Produkten zu behalten, sollte der Designer sich mit den Herstellern in Kontakt setzen. Durch Ehrlichkeit und Transparenz des Herstellers kann man sich bereits ein genaueres Bild über das Produkt machen und, darauf basierend, eine Entscheidung treffen.

Beispiel eines möglichen Sammelbogens mit vier Druckprojekten. Die grünen Flächen stellen das Produkt mit dem Sonderformat dar und die weiteren Farben die Produkte, welche gleichzeitig mitgedruckt werden können.


Zertifizierungen
Der Designer kann einen wichtigen Beitrag zur Förderung nachhaltiger Forstwirtschaft leisten, indem er auf Papiersorten und Holzprodukte zurückgreift, welche von unabhängigen Organisationen als umweltfreundlich eingestuft werden. Zum einen gibt es die Forest-Stewardship-Council-Zertifizierung (FSC), die ein eindeutiger Indikator für Produkte aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft ist. Zum anderen gibt es die PEFC- Zertifizierung, die sich für die nachhaltige Beschaffung von Holz und Papier einsetzt. Die ISO 14001 ist seit 1996 eine weltweit anerkannte Grundlage für Umweltmanagementsysteme und umfasst alle Aspekte für eine stetige Verbesserung der Umweltleistung. Auch das Label ClimatePartner setzt sich für Lösungen zum Klimaschutz ein. Es bietet Unternehmen Hilfe an, um deren CO2-Emissionen zu berechnen, diese zu reduzieren sowie durch Klimaschutzprojekte auszugleichen. Weitere nennenswerte Zertifizierungen, welche die Nachhaltigkeit fördern, sind zum Beispiel der Blaue Engel, Nordischer Schwan und das Projekt VOC-Reduktion.

Ausschnitte aus dem Projekt
«The Alphabet Poster Project» mit den Buchstaben N von Sam Dunn und S von Ash Reyksen.


Öko-Schriftart
Die Schriftart Ryman Eco ist eine kostenlose Schrift, welche von Dan Rhatigan entworfen wurde. Die Schrift wurde konzipiert, um den Verbrauch von Druckertinte zu minimieren. Aus diesem Grund bestehen die Buchstabenformen aus nebeneinander liegenden Strichen, die Kanäle von Weissraum innerhalb der Buchstabenformen generieren. Beim Druck in kleinen Schriftgrössen sind diese nicht ersichtlich, jedoch kann der ungewöhnliche Buchstabenaufbau durchaus auch als Gestaltungselement dienen. Um die Akzeptanz in der Design-Community sowie den gewünschten Bekanntheitsgrad zu erlangen, wurde «The Alphabet Poster Project» ins Leben gerufen. Aus den 26 Buchstaben des Alphabets kreierten 26 Designer mit der Schriftart Ryman Eco je ein Poster. Wer kann die Flexibilität und die Verwendung einer Schriftart besser demonstrieren als die Designer selbst? Genau darum wurde das Projekt zu einem Alphabet von Designern für Designer. Fakt ist, dass Ryman Eco ein Drittel weniger Tinte und Toner verbraucht als Standard-Schriftarten.


Ressourcen sparen durch Font
Neben der Schriftart Ryman Eco gibt es auch andere sparsame Schriftarten wie zum Beispiel Century Gothic, Ecofont, Times New Roman, Calibri, Verdana und Arial. Deshalb ist es möglich, mit einer platzsparenden Schrift den Umfang einer Broschüre zu verringern und somit den Verbrauch von Papier zu reduzieren. Dabei ist jedoch immer zu beachten, dass die Schrift, trotz ihrer platzsparenden Eigenschaften, gut lesbar bleibt und zudem der Anwendung entsprechend ausgebaut ist.


Aus zwei mach eins
Bei der Konzeption für ein Buch könnte man bedenken, sofern der Kunde damit einverstanden ist, die Makulaturbögen zu verwenden. Diese werden sonst weggeworfen. Deshalb ist es eine Überlegung wert, den Einband, Schutzumschlag sowie das Vorsatzpapier mit den Makulaturbögen umzusetzen. So wird jedes Exemplar durch die unterschiedlichen Cover zu einem einzigartigen Produkt, das sich gleichzeitig vom Markt abhebt. Auch bei einem Jahresbericht könnte der Designer diesen mit einem Jahreskalender kombinieren. Auf diese Weise erhält der Leser übersichtliche Sachinformationen und mit dem Kalender zugleich ein attraktives Geschenk. Dasselbe gilt bei der Ausschnitte aus dem Projekt «The Alphabet Poster Project» mit den Buchstaben N von Sam Dunn und S von Ash Reyksen.
Gestaltung eines Prospekts. Wieso verbindet man diesen nicht gleich mit einem Plakat? Durch die zweifache Einsetzbarkeit und die optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Druckfläche holt man den maximalen Nutzen aus dem Produkt heraus. Bei vielen Marketingstrategien verfährt man nach dem Giesskannenprinzip: Werbeprodukte werden an unzählige Menschen verteilt, in der Hoffnung, dass ein paar wenige darauf reagieren. Statt Ressourcen zu verschwenden, könnte man sie durch sorgfältige Zielgruppenanalysen schonen und gleichzeitig die Kampagne auch effizienter gestalten.


Fazit
Nachhaltiges Grafikdesign ist nichts anderes als ein Medium zu erschaffen, dass visuell attraktiv gestaltet ist und innovativen Ansprüchen genügt. Als Designer kann man nicht jeden Vorschlag berücksichtigen und umsetzen, jedoch führen oft schon kleine Abweichungen vom konventionellen Weg zu spürbar positiven Effekten für die Umwelt. Man sollte sich jedoch stets bewusst sein, dass alles, was heute als vorbildlich gilt, bereits in fünf Jahren (oder in fünf Monaten) überholt sein kann. Aus diesem Grund sollte man fortlaufend über die aktuellen Trends und Produkte informiert sein und sein Arbeitsumfeld sowie die Kunden zu nachhaltigem Design ermutigen. Der Titel der Biografie von Helmut Schmid, einer der bedeutendsten Typografen des 20. Jahrhunderts, lautet: «Gestaltung ist Haltung». Am Ende des Tages hat das persönliche Handeln mit Einstellung und Passion zu tun – und somit mit der Haltung eines jeden.

Melanie Zgraggen ist Studierende im zweiten Jahr des berufsbegleitenden Weiterbildungslehrgangs zur diplomierten Medientechnikerin an der Höheren Fachschule der Schule für Gestaltung Zürich. Aus dem schulischen Projekt «Nachhaltige Medienproduktion für die Fachzeitschrift PUBLISHER» wuchs ein tiefes Interesse für die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Druckbranche.

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