Unternehmenskultur mit Design Thinking entwickeln

Vielschichtige Marktanforderungen bedingen einen Pragmatismus im Handeln der Unternehmensverantwortlichen: Mit gesundem Menschenverstand gilt es, ungewöhnliche oder gar unbekannte Wege zu finden und zu begehen. Design Thinking als Methode bietet eine klare Struktur, um den angestrebten Innovations- bzw. Entwicklungsprozess zuverlässig zu steuern.

«Architekturanleitung» für den Innovations- bzw. Entwicklungsprozess im Design Thinking.

Die Methode des Design Thinking lässt sich in mehrere Phasen aufteilen. Als erstes wer- den dazu der Hintergrund sowie das Um- feld eines Problems systematisch erfasst. Es folgen die Ideenfindung, viele Zwischen- ergebnisse und schliesslich eine Lösung, die dem tatsächlichen Bedarf genügen soll. Vom Ansatz her ist das Verfahren co-kreativ, also auf Kollaboration ausgerichtet. Da- durch wird eine Bündelung von Kompeten- zen sowie eine Steigerung des Kreativ- potenzials sämtlicher Mitglieder eines ent- sprechenden Teams befördert. Design Thin- king ist äusserst anwendungsbezogen und damit stets auch Design Doing.



Grundlegendes
Design meint an dieser Stelle nicht etwa eine konkrete Gestaltung oder Formgebung, sondern die Prinzipien der kreativen Denk- und Arbeitsweise von Designern: De- ren Mindset stellt Altbewährtes zunächst vorbehaltlos in Frage. Erst danach entsteht Neues. Die diesen Prozess begleitende, ständige Selbstreflexion weist einen iterati- ven Charakter auf (vgl. Abb. 1: 6-Phasen- Schema).
Design Thinking priorisiert das Nutzer- bzw. Kundenbedürfnis (Wünschbarkeit), wo- gegen sich die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit einer am Markt zu eta- blierenden Neuheit erst einmal als sekundär darstellen (vgl. Abb. 2: Faktoren und ihre Schnittmenge). Zudem strebt die Methode auch Prozessänderungen oder Paradigmen- wechsel im Changemanagement an.
Der Ansatz des Design Thinking lässt sich für jedes Unternehmen adaptieren und als zukunftsweisender Teil in die Corporate Culture einführen. Voraussetzung dafür ist aller- dings eine entsprechende Akzeptanz über sämtliche hierarchischen Ebenen hinweg, also eine kollektive Grundhaltung.



Details
Design Thinking lässt sich regelmässig und kurzfristig durchführen. Ausgangspunkt ist die Umsetzung eines räumlichen Konzepts. Dazu wird ein eigener sogenannter «Team Space», also eine sozial unbelastete Atmosphäre im Unternehmen aufgebaut. Bedingungen hierfür sind die ausreichende Grösse des Raumes, viel und regelbares Licht, leere Wände zum Anbringen von Informationen sowie eine bewegliche Möblierung und eine adäquate Ausstattung, um Gedanken und Ideen z.B. mit Flipcharts, Buntstiften und Post-its visualisieren zu können.
In einem volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Umfeld, ergo innerhalb einer VUKA-Welt, sind eindimensionale Expertisen nicht mehr für eine effiziente Problemlösung geeignet. Als co-kreative Methode zeichnet sich Design Thinking nicht durch eine Kooperation im Sinne einer gegenseitigen – räumlich getrennten und zeitlich versetzten – Zuarbeit aus, sondern erfordert die parallele Zusammenarbeit aller Beteiligten in einem Team.
Die langjährige, wissenschaftliche Begleitung des Design Thinking zeigt, dass die optimale Gruppengrössse vier bis sechs Personen beträgt. Zudem sollten entsprechende Gruppen stark interdisziplinär ausgerichtet sein, um ein Optimum an Multiperspektivität zu erzielen. Diversität, beispielsweise im Hinblick auf eine ausgewogene Verteilung der Geschlechter, befördert die Effizienz der Methode nochmals.
Dies gilt auch für sogenannte T-shaped Profile – der horizontale Balken des T steht für eine Breite im einschlägigen Wissen von Generalisten, der vertikale für eine entsprechende Tiefe bei den Spezialisten im Team. Die Teammitglieder sollten zudem einen heterogenen Mix individueller Denkpräfe- renzen aufweisen: Im Idealfall ergänzen sich analytische, organisatorische, experimentelle sowie empathische Typen.

Innovation als Schnittmenge dreier Faktoren.



«Fail early and often!»
Wichtig ist es, der selbstbezogenen Haltung der Mitglieder eines Teams vorzubeugen. Dazu sind folgende Techniken besonders geeignet:

• Fokussierung auf ein Thema
• Quantifizierung von Inhalten
• Keinerlei Wertung über den Gehalt von Gedanken und Ideen
• Vertiefung der Einfälle Dritter im und ausserhalb des Teams
• Konzentration auf das Visualisieren der Ideen zur Verständlichkeit
Die Agilität im Design Thinking begründet sich unter anderem darin, dass die vorgegebenen Phasen den Innovations- und Entwicklungsprozess stabil strukturieren. Aus zahlen- und schwerpunktmässig flexiblen Wiederholungen (Iterationen) ergibt sich eine fortlaufende Optimierung. Ein möglichst frühes und mehrfaches Scheitern ist insoweit nicht nur erlaubt, sondern geradezu erwünscht: «Fail early and often!»



6-Phasen-Schema

Problemraum

Im sogenannten Problemraum, in dem das Problem eingeordnet und eingegrenzt wird, werden die Phasen 1-3 durchlaufen. Die Problemlösung bleibt dabei unberücksichtigt, stattdessen geht es ausschliesslich um das «Was?», also das Problem selbst:

1.Phase: Verstehen (Understand)
Ziel ist das gemeinsame Ausbilden einer Expertise. Dadurch ergeben sich sehr zeitaufwendige Recherchen – die erarbeiteten Daten müssen zudem strukturiert, analysiert sowie interpretiert werden. Der inhaltliche Hintergrund eines Problems ist für das Verstehen genauso wichtig wie dessen entsprechendes Umfeld. Teilweise ergeben sich erst bei der Umfeldanalyse wirklich wegwei- sende Informationen.

2. Phase: Beobachten (Observe)
Fokussiert wird hier auf das Nutzer- bzw. Kundenbedürfnis. Interviews haben sich an dieser Stelle als ein besonders nützliches Hilfsmittel herausgestellt. Insoweit ist ein aktives Zuhören des Fragenden unerlässlich.

3. Phase: Zusammenfügen (Define)
Zur Bestimmung eines kollektiven Standpunkts werden die bisher erlangten Erkenntnisse zusammengefügt (Synthese). Dies geschieht weniger über Diskussionen, die eher einer Reflexion dienen, sondern vielmehr durch ein bewusstes Storytelling, wodurch ein Narrativ zur Sicht der Dinge (Point of View) entsteht.


Lösungsraum
Im Lösungsraum wird die Aufmerksamkeit nun auf die Lösung eines Problems gelenkt. Das «Wie?» ist entscheidend. Hierzu gehören die Phasen 4-6:

4. Phase: Finden von Ideen (Ideate)
Basierend auf dem nunmehr geschaffenen Framework werden so viele Ideen wie möglich, vornehmlich über Brainstorming generiert, wobei deren Qualität zunächst nebensächlich ist. Das entsprechende Sammeln reduziert sich allerdings nicht allein auf ein schriftliches Fixieren (Brainwriting), sondern wird verstärkt auf ein weiteres Visualisieren ausgerichtet.

5. Phase: Entwerfen von Modellen (Prototyping)
Es werden Vorführ- oder Vorgehensmodelle entworfen. Rollenspiele (Roleplays) sowie Entwürfe (Blueprints) zur visuellen Präsenta- tion von Dienstleistungsprozessen können sich dabei als nützliche Grundlage erwei- sen. Produkte und Services werden also gleichermassen greifbar gemacht.

6. Phase: Testen (Test)
Es kommt zu einem nochmaligen Interagie- ren mit – zukünftig denkbaren – Nutzern bzw. Kunden: Um Rückmeldungen einzuholen, werden diese nicht nur systematisch befragt, sondern haben ferner die Möglichkeit, individuell zu experimentieren, wobei sie nochmals aufmerksam beobachtet werden. Dies gilt ebenso für Stakeholdergruppen.

Die Vorgehensweise nach dem Design Thinking ermöglicht es Unternehmen, mit einem kreativen Werkzeug neue Wege zu gehen, Innovation zu fördern und dabei die Vielfalt der Belegschaft mit einzubeziehen. Interessanterweise sind diese und ähnliche Ansätze wie Visual Thinking und Human-Centered Design keine neuen Erscheinungen, es besteht vielmehr ein unmittelbarer Bezug zum Vier-Phasen-Modell von Graham Wallas aus dem Jahr 1926. Schon dieses beschreibt auf Basis seiner systematischen Theorie zum kreativen Denken erstmalig wissenschaftlich fundiert die logische Struktur eines kreativen Prozesses.

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