Auch per Screen läuft die Kommunikation immer smarter

Corona hin oder her – im Bereich Digital Signage werden weiterhin zahlreiche ambitionierte Projekte lanciert. Dabei werden die Displays nicht nur immer zahlreicher und grösser, sondern dank künstlicher
Intelligenz auch immer smarter.

Digital Signage, also die Kommunikation mittels Screens, ist ein Wachstumsmarkt, der durch mehrere Faktoren angetrieben wird. Da ist erstens die rasante technologische Entwicklung bei den Displays mit der Quintessenz «immer grösser und immer besser für immer weniger Geld». Wie rasch hier die Entwicklung voranschreitet, veranschaulicht das Debakel um den Flughafen Berlin Brandenburg mit seinen nicht endenden Bauverzögerungen. Nicht weniger als 750 Displays wurden hier als veraltet ausgetauscht, bevor auch nur ein Passagier das Terminal betreten hatte!

Als weitere treibende Kraft im Bereich Technologie kristallisiert sich immer mehr die Software in Form künstlicher Intelligenz (KI) heraus, welche zu einem guten Teil auch wiederum auf Hardware beruht, sprich auf immer leistungsfähigeren Prozessoren. Digital-Signage-Systeme werden so auch in dieser Beziehung immer smarter, was mit zum fast inflationären Gebrauch dieses Begriffs beiträgt.

Innovative Lösungen auch für KMU
Viele KMU sind bezüglich Digital Signage noch etwas orientierungslos; dies mit dem Vorurteil im Hinterkopf, es sei im Moment noch eher etwas für die Grossen. Dass innovative Lösungen jedoch auch mit überschaubarem Budget möglich sind, beweist die Eventoptik am Zuger Seeufer. Die von der Littlebit Technology AG implementierte Selfie Station bildet einen Gegenpol zum sonstigen Retro-Design dieses Optikergeschäftes und unterstützt die Kunden bei der Qual der Wahl auf dem Weg zu passenden Brille.

Die Idee dahinter ist, Freunde und Familie als virtuelle Jury in die Wahl mit einzubeziehen: Der Kunde setzt sich vor dem Display mit verschiedenen Brillen in Szene, macht je ein Foto und postet diese direkt auf Facebook oder verschickt sie per E-Mail. Insgesamt vier Bilder lassen sich auf einmal aufnehmen, genug, um der Jury eine Auswahl zu bieten. Die Bilder helfen natürlich auch, wenn man die Auswahl daheim nochmals in Ruhe anschauen und vergleichen möchte.

Gefragte Touch Points out of Home
Die dritte Kraft, welche Digital Signage in die Hände spielt, ist unser Lebensstil, der grundsätzlich durch immer grössere Mobilität geprägt wird. Das aktuelle Zauberwort der Marketingkommunikation ist die Customer Journey, die Reise des Kunden, die auch wörtlich genommen werden kann. So bieten Screens im Bereich Digital Out Of Home (DOOH) an immer mehr gut frequentierten Locations willkommene Touch Points. Was hier für Nicht-Marketierer etwas gar abgehoben tönen mag, soll durch ein konkretes Beispiel veranschaulicht werden: Da es am attraktivsten ist, den mobilen Kunden ausser Haus dort anzusprechen, wo er innehält, empfiehlt sich zum Beispiel gerade der Lift als eine DOOH-Plattform. Und so bietet der Schweizer Hersteller Schindler entsprechende Konzepte mit integrierten Displays und Projektionen an, um den Lift zum attraktiven Touch Point in der Customer Journey zu machen; sei der Kunde in der Rolle eines Hotelgastes oder Besuchers eines Einkaufszentrums, siehe Kasten. Das «grundsätzlich» am Anfang dieses Absatzes ist naheliegenderweise Corona geschuldet. Mobilität ist genau das, was in der jetzigen Situation nicht gefragt ist. Die Customer Journey findet im Moment vor allem online statt.

Ambitionierte Projekte im Bereich ÖV
Nichtsdestotrotz wird irgendwann die Post-Corona-Zeit kommen und viele langfristig geplante Digital-Signage-Projekte werden jetzt realisiert. So wollen die Zürcher Verkehrsbetriebe VBZ – schweizweit immerhin zweitgrösste Anbieterin von Aussenwerbung – 257 analoge Werbeflächen durch digitale Screens ersetzen. Das Projekt im Rahmen das Konzepts «Smarte Haltestelle» umfasst unter anderem einen Pilot zum Test von e-Paper an Haltestellen sowie die Umstellung der Beleuchtung auf sensorgesteuerte LED-Technologie. Zusammen mit den strengen Vorgaben bezüglich Energieeffizienz der ausschliesslich mit Ökostrom betriebenen Screens resultiert daraus eine positive Energiebilanz. Mit den 257 Screens an den 64 bestfrequentierten Haltestellen sollen sich gemäss VBZ bis im Sommer 2023 täglich rund 849 000 Fahrgäste erreichen lassen.

Sehr ambitionierte Ziele im Bereich Digital Signage verfolgen auch die SBB: Bis Ende 2022 sollen an 500 kleinen und mittelgrossen Bahnhöfen rund 1000 Digital Signage Displays installiert werden, siehe Kasten. Und auch die Post mischt im Bereich Digital Signage verstärkt mit: Im Rahmen der neuen Strategie sollen die Filialen ihre Stärken als gut frequentierte physische Kontaktpunkte voll ausspielen können, indem die Post diese auch für Dritte öffnet. In dieses Konzept passt es, dass man jetzt die Screens in den Filialen durch die Firma Livesystems als Partner vermarkten lässt. Rund 225 000 Kontakte pro Tag sollen hier in über 300 mit Screens ausgerüsteten Filialen in der Nach-Corona-Zeit möglich sein.

Von Touch bis zu KI mittels Sensorik
Die Screens sind in diesen Projekten unterschiedlich «smart»: Bei den SBB handelt es sich um interaktive Touch-Systeme, an denen der Kunde gezielt Informationen gemäss seinen individuellen Bedürfnisse abrufen kann. Bei den VBZ und bei der Post wird nur Information bzw. Werbung auf die Screens ausgespielt. Die Intelligenz liegt hier im Content Management System (CMS) des Vermarkters, das aufgrund statistischer Daten programmatische, also zielgerichtete Werbung möglich macht.

Viel mehr in Richtung programmatisch ist möglich, wenn die Displays mit Sensorik und KI ausgerüstet sind. Ein spannendes Beispiel dafür ist das jetzt unter dem Label smadooh Media neu lancierte DOOH-Netzwerk für Coiffeursalons. Spannend nicht nur wegen des innovativen Ansatzes, sondern auch, weil hier mit der Apalion AG ein kleines Schweizer Tech-Start-up mit nicht einmal zehn Mitarbeitern dahintersteckt. Gemäss CEO Anthony Sauter trug man die Idee schon länger mit sich herum, jedoch stand die passende Technik noch nicht zur Verfügung.

Strom und WLAN und los gehts: Die Lösung des Start-ups Smadooh Media basiert auf Standard-Tablets, welche dank Kamera und KI-Software auf den Kunden abgestimmte Inhalte abspielen können.

DOOH-Netzwerk mit über 1000 Tablets
Letztes Jahr war es dann soweit und das Projekt konnte auf der Basis von Android-Tablets aufgegleist werden. Als erster grosser Partner konnte die Coiffeur-Kette Gidor mit ihren rund 130 Filialen gewonnen werden. Dort finden jetzt rund 1100 Samsung Tablets auf der Spiegelablage vor dem Kunden ihren Platz. Auf diese sollen über das CMS der Westschweizer Firma Navori redaktionelle Inhalte gemischt mit Werbung ausgespielt werden – und zwar zielgerichtet gemäss Alter und Geschlecht des Kunden. Möglich macht dies die Kamera der Tablets und das von der Apalion selbst entwickelte Android-basierte KI-System.

Gemäss Anthony Sauter hat dieser Ansatz, sich auf Tablets mit ihrer lokalen Rechenleistung zu stützen, neben den Kosten auch grosse Vorteile bezüglich Datenschutz: Es bleibt alles lokal und es müssen keinerlei Daten übertragen werden. Ausgehend von einer Basis-KI, soll das System im laufenden Betrieb dazulernen und so kontinuierlich verfeinert werden.

Gesichterkennung oder Gesichtserfassung?
Beim Thema Gesichterkennung (Face Recognition) leuchtet sofort die Datenschutz-Warnlampe – zu recht: Die Identifikation von Personen mittels Kamera und KI ist ein sehr heikles Thema. Millionenfach kommt diese Technologie beim Entsperren von Smartphones zum Einsatz.

Bei der Gesichtserfassung (Face Detection) wird ebenfalls das Gesicht erkannt, jedoch findet keine Identifikation durch Abgleich mit gespeicherten Daten statt. Ziel ist hier vielmehr, einer anonym bleibenden Person Merkmale zuzuordnen, also zum Beispiel Geschlecht, Alter, Stimmung, Blickrichtung etc.

Qualität des Contents als Erfolgsfaktor
Mit einem gleichfalls agilen Vorgehen will Anthony Sauter auch den Content laufend optimieren. Gestartet wird mit einem einheitlichen redaktionellen Inhalt, der ein rund 30-jähriges Zielpublikum ansprechen will. Dieser Loop von 90 Minuten Redaktion und 30 Minuten Werbung und Promotion soll monatlich aktualisiert werden. Anthony Sauter sieht in der Qualität der redaktionellen Inhalte eine Schlüssel für den Erfolg von smadooh Media und entsprechend wird hier auch Manpower investiert: «Wir wollen für die Kunden ein Erlebnis schaffen und streben Kooperationen mit Youtubern und Influencern an, die entsprechend hochwertigen Inhalt einbringen können. Wir werden regelmässige Kundenbefragungen durchführen, um den Content optimal auf die Zielgruppe abstimmen zu können.» Da die Inhalte ohne Ton abgespielt werden, ist auch die zweisprachige Untertitelung eine redaktionelle Herausforderung.

Anthony Sauter sieht ein grosses Potenzial in diesem Konzept – auch für andere Branchen und Anwendungen: «Die Idee hinter smadooh Media lässt sich vielfach skalieren gerade auch, weil die technischen Hürden gering sind. Es braucht nur WLAN und Strom und wir können starten!» Schon die jetzige Reichweite über die Gidor-Filialen lässt sich mit rund 250 000 Bruttokontakten pro Woche sehen.

Content-Optimierung mittels A/B-Tests
Während beim Touch Point Coiffeur eine hohe Aufmerksamkeit schon gegeben ist, können intelligente Systeme auch dazu genutzt werden, den flüchtigen Kunden zu «fesseln». Eine solche Lösung hat die Firma JLS Digital für die Rotpunkt Pharma AG mittels Screens und Sensorik in den Schaufenstern der Apotheken implementiert. Hier geht es nicht darum, Inhalte individualisiert auszuspielen, sondern den Content dank KI so zu optimieren, dass er bei den Passanten über alles gesehen maximale Beachtung findet. Über die Sensorik kann nämlich festgestellt werden, ob und wie lange die Passanten vor dem Screen im Schaufenster Halt machen.
Diese Daten liefern die Basis, um den Content mittels A/B-Test laufend zu optimieren. Ebenfalls auf «Kundenfang» per Screen im Schaufenster ging der digitale Adventskalender, den JLS Digital für das Warenhaus Loeb in Bern realisiert hatte. Die Kunden konnten hier das aktuelle virtuelle Adventstürchen im Schaufenster öffnen und per QR-Code und Smartphone gleich erfahren, ob sie einen Zufallsgewinn im Laden abholen dürfen.

Screens heben Informationen vom digitalen Overflow ab
Neben DOOH und der Marketingkommunikation am Point of Sale (POS) kommt Digital Signage auch in der Unternehmenskommunikation immer mehr zum Zug. Ein wichtiger Player in diesem Bereich ist die sonst eher durch ihre Drucksysteme bekannte Firma Ricoh. Der Geschäftsbereich Communication Services zu dem Kollaborations- und Videokonferenz-Lösungen gehören, profitierte 2020 Corana-bedingt von einem fulminanten Wachstum von rund 90 Prozent. Eine Neuentwicklung in diesem Geschäftsbereich ist die Plattform Ricoh Spaces. Teil dieser umfassenden Unternehmenslösung ist neben vielen anderen Tools auch die Kommunikation per Screens. Speziell ist hier, dass auch die Bildschirme der Mitarbeiter in die Digital-Signage-Kommunikation mit eingebunden werden können.

Gemäss Christian Funke, Business Development Manager dieses Geschäftsbereichs bei Ricoh, bietet die Unternehmenskommunikation per Screens die Chance, wichtige Informationen gezielt aus dem digitalen Overflow hervorzuheben: Nicht nur mittels Screens in der Cafeteria etc., sondern gerade auch indem sie beim Aufstarten auf dem Bildschirm des Mitarbeiters erscheinen. Einen zentralen Punkt bei allen Kommunikationslösungen sieht Christian Funke in dem funktionierenden Service rund um die Uhr. Hier will Ricoh mit seinem Angebot an AV Managed Services wachsen und sich noch stärker als AV-Systemintegrator etablieren. Auch die Wartung von Digital-Signage-Infrastruktur rückt dabei in den Fokus: In Österreich konnte in diesem Bereich bereits die Post als Kunde gewonnen werden.

Der Lift bald als gängige Kommunikationsplattform
Der öden Warterei rund ums Liftfahren will Hersteller Schindler jetzt mit integrierter Digital-Signage-Technologie eine digitale Erlebniswelt entgegensetzen. Den Lift zur digitalen Kommunikationsplattform zu erweitern, entspricht einer doppelten Logik: Erstens sind Lifte schon aus betriebstechnischen Gründen stabil und mit ausreichend Bandbreite vernetzt und zweitens nimmt der Nutzer hier Informationen als Alternative zur toten Wartezeit als Mehrwert wahr. Marketierer sprechen hier von einer Captive Audience.

Die Schindler-Ahead-Technologie gibt es in drei Ausprägungen:
– Bei der Ahead-Door-Show wird die Lifttür zur Projektionsfläche, indem über der Tür ein Projektor installiert wird.
– Grossflächige Ahead-Screens lassen sich nahtlos in die hintere Kabinenwand integrieren.
– Beim Ahead Smart Mirror wird der Screen in der Kabine hinter einer verspiegelten Scheibe platziert, was einen speziellen 3D-Effekt bewirkt, siehe Bild.

Für alle drei Technologien gibt es bereits Installationen in der Schweiz. Die erste Door-Show wurde am Hauptbahnhof Zürich installiert, die ersten Ahead Smart Mirrors in den Hotels Montana Luzern, Eiger Grindelwald und Storchen Zürich. Hier ist der Faktor Erlebniswelt besonders wichtig und ausgeprägt. Eher als klassische DOOH-Werbefläche genutzt wird die Ahead-Technologie dagegen in Shoppingcentern wie dem Basler St. Jakob-Park, Chur-West oder dem Löwenzentrum. Hier kommt oft die Door-Show kombiniert mit Smart-Mirror zum Einsatz: Betritt man den Lift, geht die Show nahtlos weiter. Da sich Schindler sowohl bei den Abmessungen der Screens als auch bezüglich Software-Schnittstellen an die gängigen Standards hält, lassen sich die Ahead-Lifte auch in die DOOH-Netzwerke der grossen Vermarkter integrieren.

Gemäss Guido Stillhard, Head Digital Products bei der Schindler-Gruppe, ist die Bedeutung von Aufzügen in Ländern mit starker Urbanisierung und vielen Hochhäusern am grössten und damit auch das Potenzial für Kommunikation in Liften. So geht Schindler in Indien einen Schritt weiter als in der Schweiz und betreibt dort ein eigenes DOOH-Netzwerk, das man Vermarktern zur Verfügung stellt. «Ob in Indien oder in der Schweiz», so ist Guido Stillhard überzeigt, «unser Verhältnis zum Lift wird sich grundlegend ändern. Wir haben gelernt, den Lift als Transporteinheit wahrzunehmen. Künftig werden wir darin ganz selbstverständlich eine Kommunikationsplattform sehen – ganz ähnlich, wie das ja auch beim Auto passiert.»

Microsoft und Adobe wollen mitmischen
Auch andere grosse Player schielen vermehrt auf den Wachstumsmarkt Digital Signage beziehungsweise integrieren dies in Ihre Kommunikationslösungen. Bei Microsoft hat sich – angetrieben durch Corona – der ursprüngliche Corporate Chat Service Teams zur eigentlichen B2B-Plattform weiterentwickelt. Die Anzahl Nutzer wuchs von rund 20 Millionen Ende 2019 auf 115 Millionen Ende 2020. Da ist es naheliegend, Digital Signage ebenfalls in diese zentrale Schaltstelle der Unternehmenskommunikation zu integrieren. Man darf davon ausgehen, dass bald auch das Bespielen von Screens im Einzelhandel (POS) folgen wird.

Schon ein gutes Stück weiter bezüglich Integration von Digital Signage in die eigenen Lösungen ist Adobe mit seiner Experience Cloud. Zentrale Schaltstelle dieser Marketing-Lösungen ist der in der Schweiz entwickelte Adobe Experience Manager AEM (siehe PUBLISHER 3-20). Und dieser wurde als umfassendes Content Management System Schritt für Schritt auch um Digital-Signage-Funktionen erweitert. Ein sehr ambitioniertes Projekt auf Basis des AEM haben jetzt die SBB lanciert: Bis Ende 2022 sollen an 500 Bahnhöfen insgesamt rund 1000 Digital-Signage-Displays installiert werden, siehe Kasten.

Ein Eldorado für Publishing-Profis
Die Dichte an Screens nimmt also mit grossen Schritten zu. In der Vor-Corona-Zeit wuchsen die Werbeumsätze im Bereich DOOH um knapp 10 % jährlich. Genaue Zahlen über die Gesamtheit der heute in der Schweiz installierten DOOH-Screens gibt es nicht. Wenn man sich jedoch die Mühe macht, und alleine nur die über den Vermarkter Admeira gelisteten Screens zusammenzählt, kommt man auf über 28 000 – und dies ohne die der regionalen Verkehrsbetriebe. Den grössten Teil machen dabei Screens im Bereich POS aus, also bei Elektronik-Fachgeschäften, Tankstellen, Drogerien, Kiosken etc.

Mit Digital Signage wächst also ein neuer Kommunikationskanal heran, der geradezu nach gestaltetem Content schreit und dies in grossen Formaten und raschen Frequenzen. So gesehen ein Eldorado für Publisher, die entsprechendes Know-how im Bereich Bild, Gestaltung und Typografie mitbringen.

Werbetechnik-Betriebe sind gefordert
Eine zweischneidige Angelegenheit ist Digital Signage für die Werbetechnik-Branche. Einerseits mit den obigen Argumenten eine grosse Chance, andererseits schleckt es keine Geiss weg, dass die Digitalisierung das klassische Werbetechnikgeschäft in vielen Bereichen verdrängen wird. Ein Unternehmen, das die Chance gut gepackt hat, ist die Comro Rohner AG. Schon seit rund sieben Jahren bietet sie neben Werbetechnik- auch Digital-Signage-Lösungen über die Schwesterfirma e-display.ch GmbH an. Gemäss Silvan Rohner war hier 2020 wenig überraschend festzustellen, dass im Einzelhandel bezüglich Investitionen die «Notbremse gezogen wurde». Im Bereich der Mitarbeiter-Kommunikationssysteme habe Corona jedoch wichtige Denkanstösse gegeben und einiges bewegt. Auch Mitarbeiter ohne Zugang zu einem PC am Arbeitsplatz wollen aktuell informiert sein. Hier bieten sich Screens an zentralen Orten der Firma an. Ein entsprechendes Projekt hat Silvan Rohner in seiner Firma jetzt selbst umgesetzt. Die Mitarbeiter an den LFP-Systemen sind über Screens am Arbeitsplatz jederzeit über den Stand der laufenden Aufträge im Bild und auch sonst mit aktuellen und relevanten Infos versorgt.

Sinkende Investitionsschwelle als Chance
Für Werbetechnik-Betriebe, welche noch nicht wie die Comro Rohner AG auf jahrelange Erfahrungen im Bereich Digital Signage zurückgreifen können, bietet sich der Einstieg über einen Partner an, der entsprechenden Support bieten kann. Sehr aktiv ist hier die Firma Littlebit Technology AG, die als Distributor gerade für Werbetechnikbetriebe als «Integratoren» spezielle Starter-Kits im Angebot hat. Sehr beliebt für Einstiegs-Projekte sind gemäss Littelbit-Verkaufsleiter Tim Deutschmann zum Beispiel Outdoor-Stelen «ab Stange», die jetzt in erschwinglichen Preiskategorien angelangt sind. Während hier vor drei bis vier Jahren noch gute 20 000 Franken zu investieren waren, ist man jetzt schon ab 8000 Franken mit von der Partie. Und bei Screens für das Schaufenster liegen die Investitionsschwellen nochmals deutlich tiefer. Tim Deutschmann sieht hier künftig für Werbetechnikbetriebe im Bereich POS gute Geschäftschancen, gerade weil Online die Ladengeschäfte immer mehr unter Zugzwang setzt. Und zudem bietet sich hier die Gelegenheit, die Kunden nicht nur mit Digital-Signage-Installationen, sondern auch im Bereich des Content aktiv zu unterstützen.

Adobes Experience Manager steuert neue SBB-Infostelen
Die SBB werden bis Ende 2022 etwa 500 kleinere und mittlere Bahnhöfe mit rund 1000 «Smart Information Displays» (SID) ausstatten. Dies weil hier – anders als in den grossen Bahnhöfen – die Möglichkeiten eingeschränkt sind, in Echtzeit und sowohl akustisch als auch optisch bahnrelevante Informationen zu erhalten. Im Rahmen der Pilotphase sind zurzeit 28 Geräte im Einsatz. Weitere 22 Geräte sollen in den nächsten Wochen montiert werden. Nach der Auswertung der Ergebnisse im zweiten Quartal 2021 startet die nächste Phase des Projekts mit dem Rollout der restlichen Geräte.

Die per Touchscreen bedienbaren SID sollen die bisherigen gedruckten Kundeninformationen ersetzen: So etwa das gelbe Abfahrtsplakat sowie Bahnersatz- oder Liniennetzpläne. Die 46- und 55-Zoll Displays stammen vom italienischen Hersteller Global Display Solutions (GDS). Für die Konfiguration und das Management der SID zeichnet die Schweizer Digital Agentur One Inside verantwortlich. Diese hat bereits den digitalen Marketing Stack der SBB Website – mit 36 Millionen Seitenaufrufen pro Tag die meistbesuchte Website der Schweiz – auf Basis des Adobe Experience Manager (AEM) entwickelt. Die rund 1000 SID werden nun über AEM Screens in diese Lösung integriert. Gemäss SBB-Pressesprecherin Ottavia Masserini liegt für die SBB dabei der Vorteil in der Möglichkeit, verschiedene Typen von Informationsbildschirmen an den Bahnhöfen von einer einzigen Plattform aus zu verwalten. Dies soll eine durchgängige und konsistente Information gewährleisten.

Weiter erlaubt diese Plattform den Content Managern der SBB, unterschiedlichen Content wie Zonen- oder Bahnhofspläne einfach für unterschiedliche Bahnhöfe und Geräte bereitzustellen

Die Projektkosten von der Hardware-Beschaffung über die Bau- und Montagekosten bis zur Entwicklung der interaktiven Inhalte sind auf 50 Millionen Franken veranschlagt.

  • Autor Martin Spaar
    Martin Spaar ist Gründer des PUBLISHER und hat diesen kontinuierlich zum führenden Magazin im Bereich Publishing und Digitaldruck im deutschen Sprachraum ausgebaut. Anfang 2019 hat er die Zeitschrift an das junge Team der Pantara GmbH übergeben. Jedoch bleibt er dem PUBLISHER als Autor weiterhin verbunden und ist über freie Mandate auch sonst aktiv in der Schweizer Publishing-Szene unterwegs.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 1-2021
  • Thema Digital Signage

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