Prozessoptimierung beginnt im Kopf

Mit seiner Prinect-Software-Lösung verfolgt die Heidelberger Druckmaschinen AG das Ziel, die Effizienz der Druckereien nachhaltig zu verbessern. Dabei spielt gemäss Produktspezialist Prinect Felix Signer nicht nur die Softwarekomponente eine grosse Rolle: Den Unternehmensprozessen und dem Faktor Mensch sollte eine mindestens genauso grosse Bedeutung beigemessen werden.

Herr Signer, was verbessert sich für den Kunden mit dem Entscheid und der Umsetzung der Prinect-Lösung?
Prinect ist der Schlüssel, Prozesse einer Druckerei durchgängig zu digitalisieren, den Gesamtworkflow zu optimieren – und vor allem die Effizienz zu steigern. Wir stellen fest, dass das Optimierungspotenzial durch Hardware-Verbesserungen oder Aufrüstung vielerorts inzwischen nur noch begrenzt ist, bei den Prozessen im Unternehmen hingegen gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Genau da setzt Prinect mit seiner Push-to-stop-Philosophie an: Bisher war es so, dass der Mitarbeiter dem Drucksystem gesagt hat, was zu tun ist – obwohl die Informationen, die dieses zum Arbeiten benötigt, aus den vorgelagerten Systemen bereits vorhanden sind. Diesen Vorgang hat man umgekehrt – die Maschine wird nun auf intelligente Weise beauftragt, das zu tun, was sie selbständig erledigen kann. Dabei stoppt Sie nur bei bestimmten Anforderungen oder bei einem manuellen Eingriff durch die Person, die die Maschine bedient. Mit Prinect können Prozesse vereinfacht und standardisiert werden. So werden beispielsweise Aufträge mit gleicher Farbe oder gleichem Format nacheinander geplant, was alleine die Umrüstzeiten minimiert und von Job zu Job Geld spart.

Was sind die Vorteile von Prinect ­gegenüber einem vergleichbaren ­Workflow?
Bei uns ist alles aus einem Guss: Wir können die Detailinformationen, seien das Druckformen, Farbigkeit oder Druckformate, die wir in unserem Kalkulationssystem berechnet haben, 1:1 im Prinect-Workflow abbilden, was gerade bei einem komplexen Auftrag viel Zeit spart. Weiter bin ich mit Prinect flexibel, ob ich einen Job im Offset-, Digitaldruck oder einem anderen Druckverfahren ausgebe. Ich kann mich sehr spät beziehungsweise spontan für eine Form entscheiden oder auch bestimmen, dass ein Auftrag in beiden Varianten ausgegeben wird.

Im Sommer 2020 hat die Heidelberger Druckmaschinen AG mit Zaikio eine ­Kollaborationsplattform für die Druckindustrie ins Leben gerufen. Worin ­unterscheiden sich Prinect und Zaikio?
Prinect beinhaltet zum einen den Kalkulationsteil des Prinect Business Manager, wozu alles Administrative von der Kalkulation, Angebot/Bestellung, Planung über die Material- und Kundenverwaltung bis hin zur Rechnungserstellung gehört. Zum anderen umfasst Prinect den klassischen Workflow mit Druckvorstufe, Optimierung ab PDF-Datei, dem Ausschiessen Colormanagement, Ausgabe Offset/Digital, Voreinstelldaten für Press und Postpress.

Bei Zaikio ist der Ansatz, dass Druckereien, Kunden, Markeninhaber, Lieferanten sowie Software- & Maschinenhersteller auf einer modernen und offenen Plattform zusammen in einer «gemeinsamen Sprache» kommunizieren und Daten austauschen.

Wie stellen sich die Bezugsmöglichkeiten und die Abrechnung von Prinect dar?
Die Heidelberger Druckmaschinen AG hat sich 2017 für den Wechsel vom klassischen Lizenzkaufmodell zum Abomodell entschieden. Früher hat man teure Lizenzen gekauft, vielleicht einen Software-Wartungsvertrag abgeschlossen, um die aktuellsten Versionen einer Lösung zu erhalten, und so immer relativ grosse Investitionen gehabt. Mit dem Abomodell haben wir die Philosophie gewechselt: Kunden kaufen nicht mehr einzelne Software-Module, stattdessen mieten sie die gesamte Palette an Funktionalität auf einem relativ tiefen Investitionsniveau, haben alle Updates und Funktionen dabei und können die Software so oft installieren, wie benötigt. Bei Prinect hat sich Heidelberg auch bewusst gegen eine Software in einer gehosteten Cloud entschieden. Wenn die Installation, die heute beim Kunden vor Ort ist, 1:1 in «die Wolke» ausgelagert würde, besässe die Lösung für ihn keinen wirklichen Mehrwert, weil nur der Ort der Infrastruktur ändert, aber nicht die Kosten.

Die Vision ist aber klar, Prinect auch mit der Zaikio-Plattform zu verbinden.

Druckereien mussten und haben sich mehrheitlich im Laufe der Jahre ­verbessert – was ist, speziell im ­Bereich der Produktion, überhaupt noch ­effizienter gestaltbar?
Extrem viel. Es gibt wohl kontinuierlich Verbesserungen in den Druckereien, diese entfallen jedoch – behaupte ich persönlich – zu 10 oder 20 Prozent auf Hardware. Das ist für mich keine wirkliche Prozessoptimierung, sondern einfach nur der Einsatz von schnelleren und vielleicht leistungsfähigeren Maschinen oder Systemen. Abläufe – vom Verkauf bis zur Lieferung – wirklich zu hinterfragen und konsequent zu verbessern, das gab es aus meiner Warte in der Vergangenheit eher wenig. Hier ist sehr grosses Potenzial vorhanden.

Für diese Problemstellung gibt es allerdings keine Lizenz, die man kaufen kann – es beginnt im Kopf und bedingt viel Kommunikation und Verständnis. Deshalb ist in diesem Zusammenhang der Mensch so wichtig: Es braucht auf Kunden-, wie auf unserer Seite viel Energie und gute Leute, die einen solchen Veränderungsprozess mittragen und sich weiterentwickeln wollen.

Heidelberg Prinect: Dank Reduzierung der Berührungspunkte werden Prozesse optimiert und die Effizienz gesteigert

Wie sieht nach Ihrer Meinung die ­Druckerei der Zukunft aus? Können wir mit einem vollautomatisierten und ­unbemannten Maschinenpark rechnen oder werden Mitarbeiter weiter in die ­Geschehnisse eingreifen?
Einerseits glaube ich, dass mehr als die Hälfte aller Aufträge bei einer Druckerei standardisierbar sind und wir auch technisch weit genug sind, dafür eine automatisierte oder halbautonome Produktion umzusetzen. Es wird definitiv auch weiterhin Touchpoints geben. Heidelberg erklärt seit Jahren: Der Weg zu einer höheren Effizienz besteht darin, solche Berührungspunkte zu minimieren. Analog des «Push-to-Stop»-Ansatzes, wo der Mitarbeiter immer noch der Taktgeber ist, bleibt der Mensch aus meiner Sicht ein essentieller Bestandteil, der nicht vergessen werden darf. Es kann und wird kein komplett autonomes Drucken geben, eine vollständige Automatisierung ist in meinen Augen eine Illusion.

Warum ist der Mensch, aller Modernisierung und Automatisierung zum Trotz, so wertvoll für ein Unternehmen?
Wenn ich zwei Systeme mittels einer Schnittstelle konfiguriere, kommunizieren die immer genau gleich, nach dem eingestellten Schema. Bei Menschen verhält es sich grundlegend anders, da kommt die Individualität ins Spiel. Wenn ich zwei Personen vergleiche, sind da verschiedene Hintergründe, unterschiedliche Geschichten und Emotionen, die die eigene Meinung beeinflussen. Und es sind auch verschiedene Betrachtungsweisen und Lösungsansätze möglich – eine Maschine wird niemals mein Auge, mein Bauchgefühl oder allgemein die menschliche Intuition ersetzen können.

Felix Signer kann 25 Jahre Praxiserfahrung in der Medienproduktion vorweisen und ist bei der Heidelberger Druckmaschinen AG als Produktspezialist Prinect tätig.

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