Top-Trends für 2021 und später

Wer hätte schon geglaubt, dass ein einziger Virus unsere globale Gesellschaft und ganze Industrien zuerst lahmlegt und dann auch noch so massiv verändert? In den Szenarien von Zukunftsforschern und natürlich Virologen spielen Pandemien immer eine Rolle. Aber weil kaum jemand dachte, dass so etwas je eintreffen könnte, wurden wir eiskalt erwischt. Wird aus diesem Drama vielleicht doch noch eine Chance? 

Ende März 2020 traf es viele Onlinedrucker quasi über Nacht. Von heute auf morgen brachen die Umsätze ein – wohlgemerkt nicht überall. Im Endkundenbereich (Business-to-Customer, B2C) beispielsweise boomten die Portale, wogegen die Drucker im Business-to-Business (B2B) einen stagnierenden Geschäftsgang, im schlimmsten Fall massive Umsatzrückgänge von bis zu 80 % hinnehmen mussten. Zwar änderte sich die Sachlage für die meisten gegen Jahresende ein wenig, aber die unsichere Situation rund um Covid-19 hat massiven Einfluss auf die Marketing-Planung für 2021. Industrie, Handel, Handwerk und die Gastronomie zögern angesichts der immer wieder verlängerten Lockdowns.

Der Verbraucher, das unbekannte Wesen
Zunächst einmal etwas Grundsätzliches: Man mag annehmen, dass der sogenannte Endverbraucher für einen B2B-Druckdienstleister uninteressant ist. Weil: Ist ja Business-to-Business. Falsch. Und weil: Der Verbraucher (Consumer) erwartet auch nur Angebote von einem B2C-Anbieter. Genauso falsch.

Der typische B2B-Kunde ist ein ganz normaler Verbraucher. Denn warum sollte ein Entscheider, also jemand, der im Berufsleben Entscheidungen vorbereitet, zu Hause alles über Bord werfen? Und warum sollte er seine privaten Erfahrungen nicht ebenso in sein berufliches Umfeld einbringen?

Das ist keine Theorie, das liegt in der Natur des Menschen. Und dass dies passiert, zeigen zahlreiche Gespräche, die die zipcon consulting in den letzten Monaten mit Brandownern geführt hat. Dass sich die Verhaltensweisen von B2B- und B2C-Anwendern annähern, wurde schon in den vergangenen Jahren beobachtet – und das nicht nur im E-Commerce. Denn nicht zuletzt durch die von der Corona-Krise getriebene «Turbo-Digitalisierung» ist nun kaum mehr ein Unterschied zu sehen.

Warum? Weil es schnell und unkompliziert gehen muss in der digitalen Welt. Das Verlangen und die Erwartung der Konsumenten ist heute: Überall, schnell und sofort.

Sicher greift der eine oder andere B2B-Kunde noch auf «gelernte» Prozesse im Unternehmen zurück, aber selbst diese weichen mehr und mehr auf. So haben die Verbraucher in den zurückliegenden Monaten gelernt, dass Onlinebestellungen üblicherweise ruck, zuck im Wohnzimmer oder Homeoffice landen.

Gleichzeitig haben die Menschen gelernt, dass Onlinebestellungen – egal, ob vom Smartphone, Tablet oder PC – schnell und reibungslos funktionieren. Und schliesslich haben die Konsumenten gelernt, dass sie, bedingt durch mehr Freizeit, zwischen den verschiedensten Angeboten hin- und herspringen können. «Best-of-Breed», das Beste seiner Gattung, ist auf einmal digitale Gewohnheit geworden. Selbst einstige Digital-Muffel, Verweigerer von Online und Mobile-Apps haben in den vergangenen Monaten spielerisch erfahren, wie einfach diese digitale Welt sein kann und welche Vorteile sie bietet. Der gesellschaftliche Effekt: die weitere Verstärkung der Turbo-Digitalisierung.

Drei Megatrends
Doch trotz aller Veränderungen und Unsicherheiten, die Corona mit sich bringt, lassen sich für unsere Branche drei Megatrends identifizieren. Und da Megatrends nicht nur für ein Jahr Gültigkeit haben, sondern für ein Jahrzehnt oder länger, bringen sie zusätzlich untergeordnete Trends mit, die eine Wirkdauer von nur einigen Jahren haben. Als Megatrends gelten, auch oder gerade für die Druckindustrie: Service, Mobilität und maximale Agilität.

Warum aber könnten diese Trends Anlass zur Hoffnung sein? Weil die daraus resultierenden Effekte vieles vereinfachen und neue Angebote ermöglichen. Die Bereitschaft auf Abnehmerseite, neue und einfachere Prozesse zu nutzen, ist da. Ebenso die Erkenntnis, dass durch die Auslagerung von Printprozessen – oder gleich des gesamten Print-Procurements – auf Auftraggeberseite Kosten eingespart werden können, die zumindest teilweise wieder in zusätzliche Services im Print reinvestiert werden könnten.

Problematisch wird das auf Seiten der Anbieter bzw. Druckunternehmer allerdings für diejenigen, die bis dato nicht verstanden haben, dass digitale Transformation mehr ist, als für einen Onlinedrucker zu produzieren. Sie sind als letztes Glied in der Wertschöpfungskette Onlineprint praktisch jederzeit austauschbar. Ein Nachsehen haben auch die Drucker, die es bis heute gänzlich unterlassen haben, irgendeine Onlineschnittstelle zu ihren Kunden zu etablieren. Hier können wir Anfang 2021 leider fast täglich neue Namen auf die Liste der Insolvenzen setzen.

Aber die Druckunternehmer, die mit Weitsicht und Investitionsbereitschaft in den letzten Jahren (oft scheinbar erfolglos, weil nicht sofort Geld damit verdient wurde) die Grundlage für digitales Business geschaffen haben, besitzen nun das Fundament, durchzustarten. Onlineprinter, aber auch Drucker, die «nur» Printportale anbieten, werden 2021 mit einigen Trends zu tun haben, die als Resultate der genannten Turbo-Transformation erwachsen. Manches war voraussehbar, manch anderer Trend jedoch könnte dem einen oder anderen aber den «kalten Schweiss» auf die Stirn treiben.

  1. Agil statt statisch
    Dieses Motto steht 2021 für nicht mehr und nicht weniger als für neue und einfachere Plattformen und Onlineshops im Stile von Shopify und Co., die von den Profis bisher eher belächelt wurden. Kleinere Printshops (selbst mit Web-to-Print-Editoren) entstehen mehr und mehr auf entsprechenden Plattformen, weil das Programmieren von Zielgruppenshops relativ einfach ist.

    So lassen sich beispielsweise mehrere, exakt an Zielgruppen ausgerichtete Satellitenshops aufbauen und auf den «Mastershop» verlinken. Gleichzeitig sind solche Systeme grundsätzlich für die Nutzung auf Smartphones und Tablets optimiert, was dem Mobile-Trend (siehe Punkt 3) sehr entgegenkommt.

    Mit solch agilen Systemen kann schneller auf Kundenbedürfnisse reagiert werden. Dabei ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann auch grössere Print-Portale auf Shopify und Co umsetzbar sind. Agilität ist ohnehin das Credo für Unternehmen, die sich weiterentwickeln wollen. Hier kann man sich durchaus von dem einen oder anderen Start-up inspirieren lassen.
  2. Web-to-Print Light
    War es in den letzten Jahren der Wunsch, in einem Web-to-Print-Editor für Kunden so viele Gestaltungsoptionen wie möglich zu schaffen, sieht zipcon consulting eine steigende Beliebtheit von «Light»-Editoren. Diese stellen fix definierte, eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung und sind kein komplexes Layoutprogramm im Web mehr.

    Schon in den Anfängen von Onlineprint gab es viele dieser eher vorlagengetriebenen Editoren – so setzte Vistaprint lange Zeit auf diese Art der kundenseitigen Gestaltung. Nun kommt dieser Trend – angetrieben durch die häufigere Nutzung von Print-Anwendungen via Smartphone – zurück. Insbesondere bei individualisierbaren Drucksachen greift hier die sogenannte «Satisfying Behaviour». Werden in einem Template (zum Beispiel Visitenkarten) statt 10 000 Vorlagen nur drei verschiedene Designs angeboten, die den Kunden über einen Entscheidungswizard zum Ergebnis führen, wird er eher kaufen, als wenn er in der Auswahl erstickt.
  3. Mobile. Now!
    Ist eigentlich schon seit Jahren fällig. Neue Anbieter springen direkt auf diesen Zug auf, während sich die etablierten Onlinedrucker damit sehr schwertun. Dieser Megatrend wird unser gesamtes Einkaufsverhalten langfristig verändern. Schliesslich ist in der Corona-Krise zu beobachten, dass vor allem Anbieter mit mobilen Apps durchstarten. Sicher, einen über Jahre gewachsenen Onlineshop stellt man nicht über Nacht um, aber selbst hier gibt es «Workarounds». Das Handy wird mehr und mehr zum Instrument der Entscheidungsträger auf allen Ebenen.
  4. Smart vor Expertenlösung vor Preis!
    Die Zeit der Mammut-Experten-Lösungen ist vorbei. Digitale Anwender sind eher bereit, viele kleine, aber scheinbar exakt nach ihren Bedürfnissen gestaltete Anwendungen einzusetzen, als eine grosse Anwendung, die erst noch erlernt werden muss. Dies wird täglich am Smartphone trainiert. Je smarter die Lösung, desto weniger spielt der Preis eine Rolle.

    Oft kann auch ein günstiger Preis ins Gegenteil kippen, denn «was nichts kostet, ist auch nichts wert». So kann billig ausreichend für die Werbung der Pizzeria sein, aber nicht für den Geschäftsbericht eines Unternehmens.

    Sicherlich gibt es auch hier Gegenbeispiele, aber aktuell ist ein klarer Trend in diese Richtung zu spüren. Dies zeigt auch der oft modulare Aufbau von Cloud-Lösungen, bei denen der Anwender für seine spezifische Applikation eine Toolbox zu einem angemessenen Preis mieten beziehungsweise nutzen kann.
  5. Versprochen ist versprochen
    Und wird auch nicht gebrochen. Kinderkram? Nein im Gegenteil, es ist wichtiger denn je und eng mit einem in Aussicht gestellten Servicepaket verbunden. Amazon und Co. verwöhnt die Kunden durch die «mitgekauften» Services (Lieferzeit, Liefergüte, Reklamationsverhalten usw.). Auch das haben die Abnehmer im Lockdown gelernt. Onlineanbieter, die ihr Versprechen nicht halten, weil etwa verzögert geliefert wird, werden gnadenlos abgestraft. Neben den öffentlichen Beschwerden auf Bewertungsportalen und der Auswahl eines anderen Dienstleisters bei der nächsten Bestellung, spielt mittlerweile der Austausch in den sozialen Netzwerken eine grosse Rolle. Einen Onlinekunden, den man über Enttäuschung verloren hat, bekommt man kaum wieder ins Boot.
  6. Customer Lock-in
    Digitale Kundenbindung (ohne Cookies) ist in Zeiten der DSGVO fast unabdingbar. Will man ergründen, wie und wann der Kunde bestellt, wie er sich im Shop verhält, welche Kaufanreize für ihn wichtig sind, kann dies in der «Post-Cookie-Ära» kaum noch geschehen. Es sei denn, der Kunde wird freiwillig Mitglied im «Club» und gibt die entsprechenden Daten frei.

    Das ist komplex – aber gut für die Kunden. Onlineanbieter müssen sich Strategien überlegen, wie sie ihre Kunden enger an sich binden können. Nur ein Login und die entsprechende Datenfreigabe (der personenbezogenen Daten) ist ja schon einmal in Ordnung, ein Vorteilsprogramm, ein Loyality-Programm oder sogar ein eigenes, individuelles Produktportfolio können die Kunden aber noch besser binden. Hier stehen wir noch ganz am Anfang einer Entwicklung, die andere E-Commerce-Anbieter in den letzten Jahren nebenbei mitgenommen haben. Im Onlineprint gibt es jedoch kaum einen Anbieter, der gescheite Lock-in-Strategien umgesetzt hat.
  7. Consent-Marketing
    Consent-Marketing ist die Konsequenz aus der DSGVO und bedeutet nichts anderes als Einwilligungsmanagement. Hier ist es sinnvoll, sich einer entsprechenden Plattform zu bedienen, denn die meisten Onlineshops sind für ein umfangreiches Management der kundenseitigen Zustimmung zur Datennutzung nicht vorbereitet. Wer mit Kundendaten umgeht, ist nun einmal zur Einholung der Einwilligung sowie zur Dokumentation und Verwaltung der Daten verpflichtet. Ein tückisches Thema, das gerade der Onlineprint-Industrie auf Dauer erhalten bleiben wird.
  8. Multibrands statt eine grosse Nummer
    Analog zum Trend, kleinere Einheiten bei Webshops (Web-to-Print Light und kleinere, aber gezieltere Auswahl) zu schaffen, ist eine Entwicklung zu Multibrands erkennbar. Die grossen Onlineprinter haben diesen Trend zumindest im B2B-Bereich verschlafen. Sie bieten zwar spezielle Angebote für spezielle Zielgruppen unter speziellen Begriffen an, doch die müssen im Webshop erst einmal gefunden werden. Dabei könnten sie über eigene Untermarken zielgruppengerechte Printprodukte anbieten. So wie einige Anbieter von Berufsbekleidung zielgenaue Portale und eigene Angebote aufgebaut haben. Gleiches gilt für Rechtsanwälte, Hotel und Gastro, Events und das Zielgruppen-Merchandising. Selbst einige Büroartikelausstatter bieten mittlerweile eigene Online-Printservices an. Klug ist, wer sich hier eine neue Strategie einfallen lässt – ein Social-Media-Ansatz wäre hier vielleicht lohnenswert.
  9. Social Media überall
    Im letzten Jahr noch als «Social Media Printing» bezeichnet, setzt sich der Trend, einzelne, individualisierte Drucksachen zu verkaufen, mehr und mehr durch. Angebote klassischer Onlineprinter? Fehlanzeige. Nahezu alle Social Media-Print-Produkte werden von Newcomern produziert und erfolgreich in den Markt gebracht. Dabei ist gerade der Ansatz Mass Customization und Print äusserst lukrativ. Ein schönes Beispiel ist immer noch das individualisierte «Städte-Poster». Der Kunde kann auf Basis seiner Koordinaten seinen Standort als schickes Poster erzeugen. Der Anbieter bietet noch einen schönen Rahmen dazu – und schon kostet ein grosses Poster inklusive Rahmen weit über 50 Euro. Solche Produkte können ideal über Social Media vermarktet werden. Ein Trend, der uns in den nächsten Jahren noch begleiten wird.
  10. B2B-Vertrieb, online!
    Kaum zu glauben, aber Homeoffice & Co. machen es möglich. In Zeiten der Besuchsregulierungen wird der Kundenbesuch fast unmöglich. Hier gilt es kreativ zu werden und die B2B-Kunden online zu bedienen. Web-Seminare, -Sessions oder -Events werden schon oft und gerne eingesetzt. Ideal wäre aber nun ein Kundenportal, in dem Kunden ihre Druckvorlagen, ihre bisherigen Aufträge und Jobs noch einmal einsehen und erneut ordern können. Noch besser wäre eine Art «grafische Auftragsdatenbank». Die Bereitschaft vieler Kunden, nicht nur das Print-Procurement auszulagern, sondern auch die dazugehörigen Druckdaten, ist vorhanden. Vielleicht bietet sich hier eine Chance für Print-Dienstleister, für ihre Kunden eine B2B-Cloud aufzubauen, in der sie die Kommunikation zwischen Agentur, Zulieferern (Foto, Design etc.) und Druckern organisieren können. Das wäre dann übrigens Customer-Lock-in at it’s best.
Preisentwicklung bei Warenkorb Flyer, Broschüren und Visitenkarten
Preisentwicklung bei 10 000 Flyern A5

Print – immer verfügbar
Ausgehend vom «Best Case», nämlich dass wir Corona 2021 hinter uns bringen, kann das angebrochene Jahr richtig spannend werden. Aber zum einen ist die Marktentwicklung noch längst nicht absehbar, was nicht zuletzt an diversen Covid-19-Eindämmungsstrategien liegt, und zum anderen ist noch nicht sicher, wie sich der B2B-Markt letztlich entwickeln wird.

zipcon consulting geht davon aus, dass, sobald die Normalität zurückkehrt, mehr Print eingesetzt wird – aber nur kurzfristig. Langfristig werden zwar die Preise anziehen, dies zeigen auch die ersten Zahlen des zipcon-Onlineprint-Preisindex (ZOPI), aber es wird insgesamt weniger Volumen gedruckt. Denn eines haben die Kunden – egal ob B2B oder B2C – auch gelernt: Print ist immer verfügbar und kann, dank Digitaldruck und schnelleren Produktionsmethoden, nach Bedarf produziert werden.

Bernd Zipper ist Berater, Redner sowie Gründer und CEO der zipcon consulting GmbH in Essen, eines der führenden, unabhängigen Beratungsunternehmen für die Kommunikations-, Druck- und Medienbranche im deutschsprachigen Raum. Seine Schwerpunkte sind Mass Customization, E-Business Print, Web-to-Print, Online Print Shops und interdisziplinäre Transformation. Zippers visionäre Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen.

Kommentieren

7 + 3 =

*Pflichtfelder

Ihre Persoenlichen Daten werden nicht veroeffentlicht oder weitergegeben.