«Schicksalsschläge haben wir mehr oder weniger abgewendet.»
Die Pandemie hat auch den Druckmuseen zu schaffen gemacht. Es waren aber auch andere Gründe, die zu Schliessungen von Museumspforten führten. Zu Besuch im lebendigen Druckmuseum Typorama, Bischofszell.
Es sind Museumsperlen wie das Graphos in Uster, das Setzmaschinenmuseum Trefzer im süddeutschen Schopfheim, das Atelier Bodoni in Frauenfeld, die in den vergangenen Jahren ihre Tore aus verschiedenen Gründen schliessen mussten. Diese Geschäftsaufgaben waren nicht immer der Pandemie geschuldet. In zwei Fällen waren es Vermieterprobleme, gepaart mit kultureller Indifferenz und politischem Geplänkel.
Im Falle des Graphos Uster handelte es sich um eine Mietzinserhöhung, die nicht mehr zu stemmen war, verbunden mit offensichtlichem Desinteresse seitens der städtischen Behörden. Die Stadt Uster ist Besitzerin der Räumlichkeiten; früher war es gar der Bund – das Zeughaus war dort untergebracht. Die Räumlichkeiten wurden bei Übernahme durch die «Graphos-Gesellen» in umfangreicher Fronarbeit restauriert. Das Graphos musste aufgelöst werden, viele der raren Maschinen und Geräte wurden verschrottet. Das Typorama übernahm in der Folge epochal bedeutende Maschinen wie eine Kniehebelpresse, ein Umschmelzofen, eine Stahlstichpresse, eine Miehle Vertical … Der Platz wird eng in Bischofszell.
Beim Technikmuseum Schopfheim (Gründer: Klaus Max Trefzer) wollte man weitermachen, nicht aber die Vermieterin. Die umfangreiche Sammlung an Bleisetzmaschinen liessen sich nicht anderswo unterbringen. Auch hier gelang es dem Typorama, ein paar Raritäten vor dem Verschrotten zu retten.
In Frauenfeld war es eher eine verpasste Chance der Leitung, das Atelier Bodoni in neue Hände zu geben, und so musste – ebenfalls unfreiwillig – das Handtuch geworfen werden. Unter anderem hinterliess das Atelier Bodoni viel Stehsatz aus den vergangenen zehn Jahren, welchen die fleissigen Typorama-Frondienstler im Akkord ablegten. Einige Schriften und Papiere fanden andere Abnehmer. Der «Rest» wurde ins Typorama überführt: knapp 30 Tonnen Schriften, zwei Andruckpressen, Regletten, Ausschlussmaterial, ein Gietz-Tiegel, eine Pappschere, ein Stapelschneider, eine Zeilenfräse und vieles mehr.
Vereinbarungen mit Stadt und Kanton
Wer nun aber glaubt, das Typorama funktioniere «einfach so», will heissen völlig problemlos, sieht sich getäuscht. Percy Penzel, in seiner Funktion als Kurator und somit gewissermassen Nachfolger des Gründers Paul Wirth, kommentiert die Lage:
«Ähnliche Schicksalsschläge wie Graphos, Trefzer Setzmaschinen-Museum, Atelier Bodoni haben wir mehr oder weniger abgewendet. Man hat mich ausgebildet, damit ich das fortführen kann, nachdem Paul Wirth aufgehört hat bzw. aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Er hätte gerne weitergemacht. Es ist nun so, dass wir mit der Stadt und dem Kanton eine Abmachung in Form einer Leistungsvereinbarung haben. Wir gestalten ein Programm und sie unterstützen uns dafür im Gegenzug finanziell. Jetzt liegt es an uns, in einem Nullsummenspiel zusätzliche Einkünfte zu erwirtschaften, damit wir zu Rücklagen kommen.»
Dank der Zusage vom Kulturamt des Kantons Thurgau und der Stadt Bischofszell kann das Typorama für die nächsten zwei Jahre mit finanzieller Unterstützung rechnen. Die Mitglieder des Fördervereins Typorama haben einer Erhöhung des Mitgliederbeitrags zugestimmt und beteiligen sich auf diese Weise ebenfalls am Fortbestand der Institution. Durch diese Akteure ist der Mietzins von jährlich 60’000 Franken inkl. Nebenkosten für die Jahre 2021 und 2022 gesichert. 50 Prozent übernimmt das Kulturamt des Kantons Thurgau mit der Stadt Bischofszell, die restlichen 50 Prozent werden von den 300 Mitgliedern des Fördervereins Typorama getragen.
Percy Penzel weiter: «Wir sind dreispurig unterwegs: Es gibt die Stiftung, da ist das gesamte Inventar enthalten. Zudem obliegen ihr die Miete und die Räumlichkeiten. Dann gibt es den Förderverein, das sind rund 300 Mitglieder, die uns nicht nur finanziell durch ihren Mitgliedsbeitrag unterstützen, sondern auch durch Frondienstarbeit. Sie pflegen die Maschinen, sortieren die Schriften usw. Dann gibt es die Typorama GmbH, da wickle ich Druckaufträge ab – denn wir sind ja ein produktives Museum. Und wir haben auch noch das Wissen über Reparatur und Pflege von alten Setz- und Druckmaschinen, das ist eine unserer Kernkompetenzen. Daher läuft hier noch alles. Wir sind also ein typografisches Museum und zugleich ein Produktionsbetrieb, dem man bei Rundgängen oder Führungen über die Schulter gucken kann.»
Die Führungen ziehen wieder an
Tatsächlich gibt es sie, die Auftraggeber, Liebhaber der alten Buchdrucktechniken, die für Arbeit und Einkünfte sorgen. Penzel: «Durch die Führungen und andere Kontakte sehen die Leute, wie das früher gemacht wurde und sind fasziniert davon. Sie geben uns dann Aufträge – Visitenkarten, Geburtskärtchen, Einladungen und andere Akzidenzen. Die drucken wir hochwertig, so wie es nicht jeder kann. Das geht sogar bis zu Aufträgen von Druckereien fürs Rillen, Stanzen, Nummerieren bis hin zum Buch. Momentan haben wir beispielsweise ein Buch über Clichés der Kunsthalle Bern im Druck. Und es wächst eine junge Generation nach, die solche Sachen schätzt.»
Penzel ergänzt: «Ich muss mein Gehalt selbst erwirtschaften! Das funktioniert gerade so. In den letzten zwei Jahren war das coronabedingt ziemlich auf der Kippe. Aber: Wir arbeiten uns jetzt gerade aus dem Tal heraus und ich bin zuversichtlich. Die Führungen ziehen wieder an, es geht wieder los.»
Zukunftspläne
Der Bekanntheitsgrad des Typoramas soll auf allen Kanälen verstärkt werden. Dazu dient das neue Marketingkonzept. Das Ziel ist das Typorama zu einem Haus der grafischen Begegnungen mit Führungen, Events, Seminaren, Kursen, Workshops usw. zu verwandeln.
Penzel: «Wir wollen unseren neuen Unterstützern, dem Kanton Thurgau und der Stadt Bischofszell, gerecht werden und ein aktives Museum der Zukunft präsentieren. Mit dem Umbau und den Eventräumlichkeiten wird es gelingen, die Bekanntheit des Typoramas zu vergrössern. Ich bin überzeugt, dass bei der Bevölkerung und in Fachkreisen grosses Interesse besteht, die Schwarze Kunst mit all ihren kulturellen Aspekten besser kennenzulernen.»
Typorama – die Anfänge
Mit dem Kauf einer Linotype Ideal Baujahr 1912 legte Paul Wirth im März 1979 den Grundstein zu seiner vorerst «Das kleine Setzmaschinen-Museum» genannten Sammlung. Er wollte damit die faszinierende Technik des maschinellen Bleisatzes, der damals gerade vom Fotosatz abgelöst wurde, der Nachwelt erhalten – und zwar produktionstüchtig nach dem Motto «Hier wirth noch, nicht hier hat man mal».
Aus diesen Anfängen entstand in St.Gallen im Laufe der Jahre eine komplette Buchdruckerei mit allen Entwicklungsschritten des 20. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit nahm diese immer grössere Dimensionen an, welche 1995 zur Namensänderung in ‹Typorama› führten.
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Autor
Claude Bürki
- Rubrik Publishing
- Dossier: Publisher 2-2022
- Thema Pandemie, Druck, Typorama, Museum
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