Schmiermittel Vertrauen

Die aktuellen Nachrichten über die Taten des Kriegsverbrechers lasten wie eine nasse Filzdecke schwer auf unserem Alltag. Unsäglich sind die Lügen und Verdrehungen, die so ohne Mundgeruch aus den Medien zu uns dringen.

Wenn ich die Präsidentschaft Trumps Revue passieren lasse, dann stelle ich gewisse Parallelen fest. Ganz ehrlich, der Narzisst posaunte doch das Blaue vom Himmel herunter, dass sich die Balken bogen. Die sprachliche Tonleiter der Desinformation beginnt beim Weglassen von unliebsamen Tatsachen und endet bei der schamlosen und keineswegs kaschierten Lüge. Trumps Nähe zu den Diktatoren aller Welt war ein hilfloser Versuch, als der bessere Dealer zu gelten. Wir gegen den Rest der Welt, wir zuerst.

Dieses Denkmuster ist zutiefst antidemokratisch. Es zementiert laufend Feindbilder. Sprich deinen Feinden die Legitimität auf das menschliche Dasein ab, degradiere sie zum Tier und gebe sie dann zum Abschuss frei. Wir gegen den Rest der Welt lockt mit einer heroischen Logik: Es ist das Klischee des gerechten und siegreichen David-gegen-Goliath-Kampfes.

Das Wir bezieht sich dabei jedoch meistens auf einen Einzeltäter, der sich als gütige Vater- oder Führerfigur versteht. Mir ist kein Fall bekannt, wo eine Frau sich derart aufspielen würde, immer sind die Männer das Problem. Es geht nie um Ausgleich, um Gerechtigkeit, um Meinungsvielfalt oder um die Argumentationskraft der besten Ideen. In der Welt der modernen Pharaonen herrscht das Einparteienprinzip, der Pharao wird als gottähnlich-unfehlbar von seinen Claqueuren verehrt. Sie erfahren im Gegenzug Privilegien aus Geld und Macht.

Es sind jedoch der Wettbewerb der Ideen, die Kreativität der besten Köpfe, die gesunde und positiv gemeinte Kritik, der gegenseitige Respekt, die die Gesellschaft vorwärts bringen. Deshalb kann eine Diktatur über längere Sicht nicht überleben, sie bietet dem Volk auf Dauer zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten wie in Venezuela, in Nordkorea oder in Russland.

Der kommunikative Samen der Diktatur wird schleichend als Düngemittel vielenorts eingebracht. Falsche Versprechungen, Übertreibungen, Verschleierungen, Unter-den-Tisch-Wischen, Schubladisieren, Abstreiten, Falschdeklarationen oder Schuldzuweisungen sind auch Stilmittel der freien Wirtschaftswelt und der Politik. Wir werden von unfairen Praktiken und betrügerische Machenschaften nicht verschont. Wenn eine politische Partei zu viel Macht bekommt, dann wird oft erst das Parlament «gesäubert», dann die Verfassung, dann die Gerichtsbarkeit, dann die Medien, dann das Volk. Man müsste im Sinn von Diversifikation politische Macht oder wirtschaftliche Abhängigkeit auf 20 % beschränken. Kein Klumpenrisiko!

Vertrauen und Verlässlichkeit sind die ehrlichen Schmiermittel einer funktionierenden Gesellschaft. Wenn ich das Vertrauen in Geschäftspartner oder Freunde (die Coronadiskussion) verliere, verliere ich den sozialen Kit zum grossen Wertesystem von Freiheit und Friede. Wie kann ich damit leben, nichts zu erwarten, Enttäuschungen und Angst zu erfahren, das Gerede nicht mehr ernst nehmen zu können. Ein solches Umfeld der Unzuverlässigkeit ist der ideale Nährboden für Eigensinn, Betrug und Kampfbereitschaft.

Wie die Lüge heute unverfroren als Wahrheit umgedeutet wird, stimmt mich sehr nachdenklich. Und dies nicht nur in der Blase der Verschwörungstheoretiker. Leere Versprechungen, das Schüren von Erwartungshaltungen, das Nicht-Einhalten von Zahlungsverpflichtungen, das Nicht-Beantworten von Anfragen, das Sausen-Lassen von Terminen – alles Dinge, die das gegenseitige Vertrauen aushöhlen. Wenn wir P. oder T. anprangern, dann sollten wir gelegentlich in den Spiegel schauen.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 2-2022
  • Thema Ultimo

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