Von Leidenschaft und Leckerbissen

Seit mehreren Jahrzehnten ist Jules Moser als selbständiger Foodfotograf unterwegs. Eine Tätigkeit, die weitaus tiefgreifender und faszinierender als meist angenommen ist – und den Berner so beileibe nicht nur mit gluschtigen Anblicken belohnt.

Bildquelle (alle Fotos): Jules Moser Foodfotografie

Dampfendes Schweizer Qualitätsbeef vom Grill, luftiger Caramelschaum mit Pekannuss-Krokant, wohlig wärmende Oxtailsuppen mit Federkohl und Topinambur oder kross gebratene Fischfilets mit Szechuan-Pfeffer-Orangenbutter: Könnte man in digitale Bilder reinbeissen, würde man es bei den Machwerken von Jules Moser garantiert tun. Lägen diese fotografierten Hochkünste der Kulinarik auf dem Tisch, gäbe es für den Betrachter wohl nur eine Möglichkeit: Sich ungestüm und Kopf voran ins genüssliche Getümmel zu stürzen, um sich in immer schnellerer Kadenz, Biss um Biss, die Gaumenfreuden einzuverleiben.

Die anschliessende Reaktion würde vermutlich immer dieselbe sein: ein glückseliges Seufzen, vor Freude tanzende Geschmacksrezeptoren und der Wunsch, sich nochmals ein Stück der Leckerbissen gönnen zu können. So gesehen arbeitet Fotograf Jules Moser mitsamt seinem Team in einem veritablen Schlaraffenland. Der Berner lichtet in seinem Studio Lebensmittel und Gerichte aller Couleur ab – und hat sich in mittlerweile über 30 Jahren als Foodfotograf national einen Namen gemacht. Umso überraschender kommt da die Aussage von Moser, dass es ihm dabei «eigentlich egal ist, was ich fotografiere».

Am Ende bestimmt das Herz
Wichtig ist Moser einzig und allein, dass er knipsen kann. Das war bereits als kleiner Knirps so: «Ich habe es schon immer geliebt, zu fotografieren.» Dazu passt, dass der junge Jules Moser nach abgeschlossener Schulzeit auch unbedingt eine Lehre als Fotograf beginnen wollte, dann aber doch «zuerst einen Beruf erlernte, bevor man Künstler wird».

Nach abgeschlossener Lehre als technischer Zeichner – in seiner Frei- und Ferienzeit half Moser regelmässig bei ortsansässigen Fotografen aus – hätte er dann die Möglichkeit gehabt, in die Arabischen Emirate zu gehen und mit seinem gelernten Beruf «dicke, fette Kohle» zu machen. Moser aber blieb seiner Passion treu und heuerte bei den Fotografen an, die er in seiner arbeitsfreien Zeit unterstützt hatte.

Durch einen glücklichen Zufall – der Lehrling eines dieser Fotobetriebe war plötzlich nicht mehr zur Arbeit erschienen – konnte Moser die freigewordene Stelle dann ausfüllen. Und das ziemlich kurzfristig: Nach dem morgendlichen Telefonat mit dem Chef des Unternehmens stand Jules Moser bereits am Nachmittag als frischer Lehrjunge in den Räumlichkeiten der Firma.

Von Schleckereien und Selbständigkeit
Im Dienst des Fotografieunternehmens lichtete Jules Moser dann «alles Mögliche» ab und arbeitete auch nach beendeter Lehre eine Zeit lang im Betrieb. Später fasste er den Entschluss, sich selbständig zu machen – und zu seinen ersten Kunden gehörte eine Marke aus der Food-Sparte, nämlich das Glacé-Unternehmen Lusso Eldorado. So hatte Moser in seiner Eigenständigkeit «von Anfang an» Berührungspunkte mit dem Kosmos. «Meine Arbeit habe ich da offenbar gut gemacht», resümiert der Foodfotograf, der in der Folge passenderweise «immer mehr Aufträge für Food erhalten» hat – und in der Konsequenz dazu entschied, sich auf Foodfotografie zu spezialisieren.

Im Verlaufe der Jahre hat Moser rund um das Ablichten und Bearbeiten von Köstlichkeiten ein fähiges Team aufgebaut. Neben der ebenfalls versierten Foodfotografin Pascalle Stettler wird der passionierte Knipser Moser im Berner Studio von der Social Media-Managerin Melina Schürch unterstützt. Um dem Anspruch, «Dienstleister für alle möglichen Visualisierungen von Essen zu sein» gerecht zu werden, gesellt sich seit kurzem auch der Foto- und Videograf Nico Kobel zur Equipe der Jules Moser Foodfotografie. «Wir sind in unserem Viererteam happy», so Moser.

Mit Liebe und Respekt ans Werk
Dass es an der Aare fidel zu- und hergeht, ist bei den exquisiten Speisen, die in schöner Regelmässigkeit im Studio von Profis zubereitet, vom Team um Moser eingefangen und dann anschliessend meist auch im Plenum verköstigt werden dürfen, nicht verwunderlich. Die Gaumenschmäuse sind aber selbstredend nicht der einzige Grund, warum es in Bern-Felsenau ein harmonisches Miteinander gibt: Moser seines Zeichens hat in der Foodfotografie die Beschäftigung gefunden, um – wie es Stettler mit einem Schmunzeln bezeichnet – «seinen Perfektionismus» auszuleben. Und: eine Equipe, die seine Leidenschaft teilt. «Wir leben Food und Fotografie», weiss Stettler.

Damit geht in Bern gleich auch ein hoher Qualitätsanspruch und klares Verantwortungsbewusstsein einher: «Weil wir das leben, gehört es sich, das Essen auch zu schätzen.» Konkret äussert sich diese Haltung darin, dass – anders als bei grösseren Fotostudios – kaum getrickst wird, um den Mahlzeiten ein noch ansprechenderes Erscheinungsbild zu geben: «Aufpeppen mit Rasierschaum, Motorenöl oder Chemikalien gibt es bei uns nicht. Alles, was auf dem Set zu sehen ist, wird nach dem Shooting ausgelegt und verspeist – ist also essbar», bemerkt Moser. Damit schiebt der Essensfotograf mit seiner Equipe auch Foodwaste konsequent einen Riegel vor.

Trumpfkarte Authentizität
Oft ist es aber gar nicht notwendig, die glänzendste Tomate oder das makelloseste Stück Steak abzulichten, zumal allfällige Schönheitsfehler der Nahrungsmittel in der Postproduktion ausgemerzt werden könnten. Viel wichtiger als gekünstelte Schönheit ist es gemäss Moser, dass die Speise authentisch – und natürlich lecker – wirkt: «Es geht dabei ja vermehrt auch um Gerichte, die von jemandem nachgekocht werden wollen, der kein Profi ist. Darum lassen wir fünf auch mal gerade sein.»

Was dem geneigten Betrachter beim Blick auf die finalen Fotos kaum auffällt: Um eine authentische Speise auf ein Bild zu bannen, muss nicht nur der Gaumenschmaus an sich richtig abgelichtet werden, sondern auch dessen ästhetische Herrichtung mittels passender Teller, Besteck, Gewürzen oder Unterlagen passen. Zu diesem Zweck hat man in Bern über die Jahre tausende verschiedene Requisiten angehäuft – sich vor rund fünf Jahren von ungefähr einer Hälfte dieser wieder verabschiedet – und ist in Person von Pascalle Stettler immerwährend auf der Hatz nach neuen Geschirrtrends, um jede Speise ideal in Szene zu setzen.

Qualität als höchstes Gut
Das Prop-Inventar des Berner Studios ist also – wie eigentlich die Fotobranche als Ganzes – einem stetigen Wandel unterworfen. In Sachen Kamera geht Moser den schnellen Umbruch allerdings nicht mit und hat den Wechsel von analog zu digital – zugunsten der Qualität – erst spät vollzogen.

Am besten veranschaulichen lässt sich die Einstellung des Berners dabei mit Blick auf die ein wenig vorsintflutlich wirkende Sinar-Kamera, die im Atelier bis vor rund fünf Jahren – bis das letzte Ersatzteil des Apparates nicht mehr erhältlich war – ihren Dienst getan hat. «Die Sinar ist eine Fachkamera, bei der die Schärfeebenen genau festgelegt werden konnten.

Diese Einstellungsmöglichkeiten haben die heutigen Mittelformatkameras nicht mehr – und solche Anpassungen in Photoshop zu machen, ist für mich nicht das gleiche», weiss Moser über den Fotoapparat, der den Bildern aus seinem Hause vielleicht auch «die typische Jules Moser-Handschrift» verliehen hat.

Zurück zu den analogen Kameragenerationen möchten er und sein Team inzwischen freilich nicht mehr: «Es klappt auch mit Fotoapparaten der neuen Generation, unseren Qualitätsanspruch und unsere typische Note zu wahren», meint Stettler.

Strukturiert zum Schnappschuss
Damit die gewünschte Qualität bei den Machwerken durchs Band gewährleistet werden kann, greift das Team von Jules Moser Foodfotografie jedoch nicht nur auf verlässliche Kameras zurück, sondern bereitet den Shooting-Prozess professionell-minutiös vor.

«Wir schauen uns den Auftrag ganz genau an», so Moser, der weiterfährt: «Wir laufen nicht einmal ums Gericht herum und drücken aufs Geratewohl aus jeder neuen Position den Auslöser, damit der Kunde aus zehn Bildern das beste auswählen kann. Wir schiessen die neun schlechten Bilder gar nicht erst, sondern erarbeiten vorgängig, wie das perfekte Bild aussehen soll – und fokussieren uns darauf.»

Bei grösseren Projekten – unter anderem zählen Annemarie Wildeisens Kochen, Unilever, Schweizer Fleisch, Nestlé, die Migros oder Gruyère AOP zu den Kunden von Moser – lassen sich so pro Shooting-Tag im besten Falle etwa 10¨ bis 12 Bilder realisieren. Die anschliessende Postproduktion erfolgt in den meisten Fällen über Photoshop oder im Falle der Stapelverarbeitung über Bridge sowie Camera RAW und nimmt im Verhältnis «etwa nochmals gleich viel Zeit wie das Fotografieren in Anspruch», weiss Moser.

Hürden nehmen, um zu begeistern
Ganz im Sinne von Mosers Fokus, seinen Kunden Fotos in bestmöglicher Beschaffenheit zu liefern, ist denn auch die Tatsache, dass er und sein Team viel Zeit in beratender Funktion zubringen: «Ich sehe mich als Dienstleister, wir bieten ein Gesamtpaket an», so der Foodfotograf. Dazu bedient sich der an der Aare ansässige Gaumenschmaus-Knisper eines grossen Fundus an fachspezifischem Know-how, der über die Jahre stetig angewachsen ist.

Trotzdem sieht Moser genau die Beratschlagung als herausforderndsten Teil seiner Tätigkeit: «Eine Challenge ist etwa, den Blick des Betrachters auf das von uns gewünschte Objekt zu führen.» Eine weitere Herausforderung liegt für Moser darin, den Kunden in Format-Angelegenheiten zu sensibilisieren: «Wir sind Komponisten und schiessen ein Bild für ein vordefiniertes Format. Heutzutage muss es aber in allen möglichen Abmessungen erhältlich sein und idealerweise trotzdem gleich aussagekräftig sein – das geht nicht immer.»

Als wohl grösste Hürde betrachtet der Berner allerdings den Umstand, «dass ich etwas vom Lebensmittel verstehe. Wenn der Kunde sein Fleisch etwa saignant abgelichtet haben will, muss ich wissen, wie die Textur eines solchen Stücks aussieht und dafür sorgen, dass es genau so umgesetzt wird.» Die Bewältigung all dieser Problematiken lohnt sich allerdings allemal und zahlt schlussendlich auf das grosse Ziel von Moser – begeisterte Abnehmer – ein: «Ich möchte, dass unsere Auftraggeber zufrieden aus dem Studio treten und sich denken ‘Wow, der hat grossartige Bilder gemacht’».

Glücklich und bescheiden …
Trotz der hohen Ansprüche an sich selbst, dem breiten Fachwissen und der namhaften Kundschaft, die das Team der Jules Moser Foodfotografie bedient, hat man in Bern Felsenau die Bodenhaftung während über 30 Jahren Tätigkeit niemals verloren.

Anekdotisch zeigt sich diese Haltung auch am doch eher währschaften und simplen Lieblingsessen von Jules Moser – Ghackets mit Hörnli. Dabei werden im Studio regelmässig ausgefallene, wohlriechende und allem voran exquisit mundende Speisen zubereitet. «Es ist der Wahnsinn, was bei uns im Atelier teils gekocht wird und ich esse auch gerne gut», gibt Moser zu Protokoll, «aber schlussendlich bin ich ein einfach gestrickter Mensch».

… in die Zukunft
Einfachheit, das passt: Schliesslich war es schon in Jugendzeiten der schlichte Wunsch Mosers, einfach – und dabei egal was – fotografieren zu dürfen. Dieses Bedürfnis – selbstredend gepaart mit harter Arbeit und hohen Forderungen an das eigene Wirken – hat ihn wohl auch auf die grossartige und mittlerweile über drei Jahrzehnte andauernde Reise in den Fotografie-Kosmos geschickt.

Für Moser selbst dürfte diese berauschende, aber mitunter auch anstrengende Voyage bald ihr Ende finden: «Ich befinde mich im Rentenalter und möchte mein Geschäft langsam in neue Hände übergeben.» Frisch gewonnene Kunden werden bereits von Pascalle Stettler betreut, ausserdem wird zeitnah die Bezeichnung des Fotostudios angepasst und ein neuer Internetauftritt zu bestaunen sein, «damit nicht alles an meinem Namen hängt», so Moser.

Spiritus Rector Jules Moser scheidet also dereinst aus der Jules Moser Foodfotografie aus. Sein Lebenswerk aber keineswegs: Auch in neuer Besetzung werden qualitativ hochwertige Bilder von Erdbeersorbets mit Tapioka-Gelée, Spinat-Gnusi an Salbeibutter oder Champagnersuppe aus Bern Felsenau Food-Enthusiasten, Koch-Aspiranten oder Zeitgenossen mit Kohldampf verzaubern und deren Geschmacksrezeptoren tanzen lassen. 

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