«Wir sind uns unserer Verantwortung absolut bewusst»

Mögliche Versorgungsengpässe, Aufrufe zum Stromsparen, turbulente Märkte: Seit einigen Monaten ist der Energiesektor – und damit auch die Werbetechnik – in Aufruhr. Guido Kramis von der Neon Technik AG, einem Mitglied des VWP, schätzt im PUBLISHER-Interview die Lage ein.

PUBLISHER: Herr Kramis, Energieeffizienz ist in aller Munde, speziell seit dem Aufkommen der Nachhaltigkeitsthematik und dem Bekanntwerden einer möglichen Energiemangellage. Wie nehmen Sie die Situation als Hersteller von Leuchtreklamen wahr? Fällt es ihnen zunehmend schwerer, mit immer stringenteren Regularien zurechtzukommen?
Guido Kramis: Man muss das differenziert betrachten, wenn ich ehrlich bin: Knüppel werden uns nicht zwischen die Beine geworfen. Es ist aber sicherlich restriktiver geworden. Wir kämpfen, wie viele andere Branchen auch, als Geschäftszweig nicht gegen die Regularien – sie machen unsere Arbeit ja unter anderem effizienter.

Wie bewerten Sie den Umstand, dass Leuchtreklamen im Zuge einer möglichen Energieknappheit nur noch verkürzt eingesetzt werden?

Das Thema ist sicherlich akuter geworden. In den meisten Grossstädten wird es so gehandhabt, dass Leuchtwerbung um 22.00 Uhr ausgeschaltet werden muss und bis um sechs Uhr morgens vom Netz bleibt. Eine Ausnahme bilden beispielsweise Restaurants, die bis Mitternacht geöffnet haben. Das macht alles Sinn: Wenn ich morgens um zwei an einem Geschäft vorbeifahre, bei dem die Leuchtreklame noch aktiv ist, frage auch ich mich, ob das wirklich notwendig ist – eine effiziente Verwendung von Energie ist es eher nicht. Die Regelungen mit der eingeschränkten Leuchtdauer von Leuchtreklamen existieren in einigen Städten und Agglomerationen schon lange, aber das kommt – ungeachtet der Energie-Situation – immer mehr. Und wir unterstützen das aus eigenem Antrieb: Unsere Anlagen werden so programmiert, dass sie einerseits die behördlich vorgegeben Einschaltzeiten einhalten und ihre Lichtintensität andererseits dank modernsten Komponenten an die Umgebungshelligkeit anpassen.

Guido Kramis, Geschäftsleitung / Verkauf Neon Technik AG. Quelle: Neon Technik AG

Trotzdem ist Ihre Branche seit einigen Monaten stärker im Fokus des öffentlichen Auges. U.a. sollen bei Stromknappheit Leuchtreklamen die ersten Anlagen sein, die komplett abgestellt werden …
Vom Verband der Schweizerischen Elektrounternehmen wurde vor einiger Zeit das OSTRAL (Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen)-Dokument ausgearbeitet. Wenn der Strom knapp würde, tritt dieses Werk in Kraft. Im OSTRAL gibt es unterschiedliche Szenarien: Das fängt in der ersten Phase mit Überwachung an, geht dann weiter zur Eigenverantwortung der einzelnen Unternehmen oder Einzelpersonen und reicht bis zu verschiedenen Bereitschaftsgraden sowie Massnahmen im Ernstfall. Falls die Notfall-Situation eintritt, würden die Leuchtreklamen in der Tat zu den ersten gehören, die abgeschaltet würden. Wir unterstützen den Kurs der Regierung: Uns geht es dabei nicht darum – sollte das Szenario eintreten – dass wir völlig dagegen sind, Reklamen nicht mehr leuchten zu lassen. Wir hoffen einfach, dass es dann nur eine saisonale Angelegenheit ist. Sonst sehe ich für die Branche, die europaweit nicht eben klein ist, Schwierigkeiten.

Wir werden in den Augen vieler als Stromfresser betrachtet – dem ist aber nicht so. Natürlich zählt in einer Krise jedes Watt, aber man muss das alles in Relation stellen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Weihnachtsbeleuchtung in der Zürcher Bahnhofstrasse, die auch im Zuge der Energie-Diskussion in die Kritik geraten ist: Sie verbraucht so viel Strom wie ein handelsüblicher Backofen bei Ihnen zu Hause. Eine moderne Licht-Installation benötigt zwischen 50 und 200 Watt – 9-mal weniger Energie als ein Staubsauger. Diese Dimensionen muss man sich auch mal vor Augen führen.

Es ist auf alle Fälle eine Verunsicherung zu spüren. Wie haben Ihre Kunden reagiert, als die Nachrichten von möglichen Stromengpässen im Herbst/Winter publik wurden?
Das Bewusstsein ob der Energielage hat sich aus meiner Warte und im Vergleich zu vorher auf jeden Fall geändert – bei uns allen.

Was die Kunden konkret betrifft: Wir werden im Moment vermehrt mit dem Thema Effizienz konfrontiert, aber spüren noch keinen Nachfragerückgang bei den Bestellungen von Leuchtreklame. Man benötigt ja auch Licht, um Aufmerksamkeit zu generieren – sei das im Schaufenster, vor dem Laden oder in Form einer Beschriftung. Es wird kundenseitig sicherlich öfters gefragt, wie es mit der (Kosten)Effizienz der Anlagen aussieht. Als das mit der Energiemangellage aufgekommen ist, hatte ich einige Grosskunden, die sich – natürlich auch aus Marketinggründen – dieser Problematik stellen mussten und Berechnungen für Ihre Installationen vornahmen. Sie waren dann selbst überrascht, wie kosten- und energieeffizient Lichtreklamen sind. Eine durchschnittliche Reklame schlägt mit rund 90 bis 95 Franken Energiekosten zu Buche – pro Jahr. Die Tatsache, dass Leuchtreklamen seit Jahren nachhaltig und effizient sind, ist aber leider nicht in den Köpfen angekommen.

Haben Sie bereits Anstrengungen unternommen, um nach aussen zu kommunizieren, dass Ihre Branche eben kein Schindluder mit der Energie treibt?
Ja. In einem ersten Schritt haben wir mit den Gewerbeverbänden gesprochen, um zum schweizerischen Gewerbeverband durchdringen zu können. Wir haben darüber hinaus eine Kampagne lanciert und einen Massnahmenplan aufgestellt. Wissen Sie: Wir sind überhaupt nicht gegen das Stromsparen. Im Gegenteil, wir unterstützen das. Wir begrüssen auch, wie erwähnt, dass es zeitliche Beschränkungen gibt. Wenn die Geisteshaltung, dass es uns nicht braucht, allerdings Schule macht, gefährdet das unzählige Arbeitsstellen, Lehrstellen – einen gesamten Branchenzweig – und das finden wir nicht in Ordnung. Natürlich sind wir auch nicht grün. Aber wir verschleudern nicht einfach Energie, sondern betreiben Leuchtwerbung schon seit Jahren effizient.

Wie geht die Leuchtwerbung-Branche in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit vor?

Wir sind uns unserer Verantwortung absolut bewusst. Unsere Reklamen werden heute nicht mehr mit wenig effizientem Neon gefertigt, auch wenn unsere Firma Neon Technik AG heisst (lacht). Den Unternehmensnamen tragen wir schon seit drei Generationen und können ihn nicht einfach so ändern, weil wir unter dieser Bezeichnung auch bekannt sind. Wer uns kennt, weiss, dass wir mit Neon nicht mehr viel am Hut haben. Diese Technologie wird heute noch im Kunst- und Denkmalschutzbereich eingesetzt und vielleicht vereinzelt in einer Bar verwendet, aber da sprechen wir von einem Anteil von unter 1 Prozent.

Wir arbeiten schon seit zwanzig Jahren mit energieeffizienten Lösungen und sind da sogar Vorreiter: Wir haben LEDs verbaut, als das Wort in der Mitte der Gesellschaft noch gar nicht angekommen war und man es vielleicht hie und da mal aufgeschnappt hatte. Unsere Branche ist auf den LED-Zug aufgesprungen, weil es für uns ganz neue Möglichkeiten ergab – und auch in Sachen Stromverbrauch, bei uns übrigens schon immer ein Thema, ein Quantensprung war. Plötzlich haben wir fünf, sechs, siebenmal weniger Strom verbraucht als «herkömmlichen» Reklamen mit Neon- oder Fluoreszenzröhren. Und die LEDs haben sich in den vergangenen Jahren noch zusätzlich weiterentwickelt. Wir reden da mittlerweile von fantastischen Werten und verbauen eigentlich gar nichts anderes mehr.

Wie steht es um die Lichtemissionen?
Die Thematik Lichtemissionen ist dem VWP ebenfalls sehr wichtig und wir sind in diesem Bereich ebenfalls aktiv. Wir verfolgen das Ziel, nur so viele Leuchtelemente wie nötig zu verbauen – was zu geringerem Strombedarf führt und somit auch Kosten spart – damit die Werbebotschaft trotzdem noch gut wahrnehmbar bleibt.

Unsere VWP-Fachfirmen halten die behördlichen Vorgaben über Lichtemissionswerte ein. Damit dies auch vor Ort überprüfbar wird, hat die technische Kommission des VWP in Zusammenarbeit mit einer Hochschule ein neues Messsystem, LumCon, entwickelt. Mit diesem neuen System wird die Oberflächenleuchtdichte einer selbst leuchtenden oder angestrahlten Fläche mit nur einer Messung erfasst und ein Messprotokoll als Nachweisdokument automatisch erstellt. Künftig sind auch digitale Displays als Werbefläche nicht mehr wegzudenken und das LumCon kann deshalb nicht nur statisch leuchtende Flächen messen, sondern auch Displays mit animierter Information. Damit bietet es allen Beteiligten einen echten Mehrwert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der schweizerische Verband Werbetechnik + Print VWP hat rund 320 Mitglieder und ist für die Grundbildung der Berufe Gestalter/in Werbetechnik EFZ, Medientechnolog/innen Fachrichtung Siebdruck EFZ, Printmedienpraktiker EBA sowie die Weiterbildungen Berufsprüfung zum Fachspezialist/in Werbetechnik EFA und Höhere Fachprüfung Werbetechniker/in ED zuständig. Der in Grabs SG beheimatete Verband bietet ausserdem die Arbeitssicherheits-Branchenlösungen Nr. 76 an und ist weltweit vernetzt, insbesondere mit den deutschen und österreichischen Verbänden.

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