Bildideen sind gefragt

Mit einem einzigen Bildcomposing eine Geschichte zu erzählen, klingt einfach, ist in der Praxis aber gar nicht so leicht. Denn die Bildgeschichte soll möglichst nicht nur das Gefühl, sondern auch die Fantasie des Betrachters ansprechen.

Seit rund 30 Jahren erlaubt es uns Photo­shop, unsere Fantasie in Bildern über alle technischen Grenzen hinweg auszudrücken. Weil aber nicht alles, was technisch möglich ist, auch ästhetisch wertvoll oder wenigstens sinnvoll ist, braucht es für ein gelungenes digitales Bildcomposing erst einmal das Wichtigste: eine gute Idee.

Bildideen finden – aber wo?

Häufig bekommen Designer und Kreative den Vorschlag, sich über Filmplakate Ideen zu holen. Warum auch nicht, Film ist hochaktuell und sehr inspirierend, die Plakatmotive meist von hoher Professionalität. Die meisten Ideen liefern anscheinend das Action- und das Science-Fiction-Format, was zu einer ziemlich uniformen Darstellung stets gleicher Dramatik und ähnlichen Inhalts führt. Mit anderen Worten: Solche Motive werden schnell langweilig und sind technisch oft so schwierig umzusetzen, dass man schon ein beträchtliches Wissen an Bildgestaltung und 3D-Technik braucht, um ein solches Projekt zu stemmen.

Doch es geht einfacher und deutlich schlauer. Betrachten Sie doch mal den Weg, den so viele Bildschaffende schon seit mehreren hundert Jahren gehen. Besuchen Sie eine Gemäldegalerie, denn die Herausforderung für Bildcomposer sind denen des Landschaftsmalers recht ähnlich: Beide versuchen, eine zweidimensionale Fläche mit einer Szene zu füllen, die eine Tiefe vortäuscht und realistisch wirkt. Der Maler nimmt Farbe und Leinwand, der Composer Fotografie und Computer.

Von der Idee zum Monitor

Von der Malerei lässt sich übrigens noch wesentlich mehr ableiten als nur das Ausarbeiten von Ideen. Viele Darstellungen aus dem 18. oder 19. Jahrhundert zeigen eine verblüffende Bildtiefe. Die Szene wirkt erstaunlich realistisch und dreidimensional, obwohl die Leinwand – genau wie der Monitor – nur zwei Dimensionen besitzt. Wie kann man sich diese Beobachtung nun zunutze machen?

Am besten beginnen Sie mit einem Scribbel. Das ist eine vereinfachte Zeichnung, die auch von Leuten angefertigt werden kann, die nie zeichnen gelernt haben. Es legt lediglich fest, an welcher Stelle im Bild welches Objekt oder welcher Teil der Szene platziert werden soll. Ein Scribbel ist kein Plan, an dem man sklavisch festhalten muss, aber er erleichtert den Bildaufbau in Photoshop kolossal.

Nach dem Freistellen der einzelnen Bildelemente sollten Sie einen Blick auf die Perspektive werfen. Verschieben Sie die Bildelemente so, dass die Fluchtlinien aller Objekte im Bild – sofern sie nicht diagonal, geneigt oder schräg platziert sind – auf den Horizont zulaufen. Diese Regel ist relativ einleuchtend und wird von den meisten Composern auch beachtet. Auch das Licht muss für alle an der Szene beteiligten Bildteile aus möglichst derselben Richtung kommen, es sei denn, es sind mehrere Lichtquellen an der Szene beteiligt. So weit, so logisch, aber …

Auch wenn Sie eine Szene in Photo­shop unter Beachtung dieser Regeln aufgebaut haben, sieht sie oft unrealistisch und flach aus, denn ebenso wichtig wie die geometrische Perspektive ist das Beachten der sogenannten Luftperspektive. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, dass Bildteile im Vordergrund mit gesättigten Farben dargestellt werden und die Schatten einen hohen Schwarzanteil aufweisen, während die Bildteile im Hintergrund blasser und bläulicher werden müssen, je weiter sie entfernt sind. Viele Bildcomposer gehen davon aus, dass die Fotografie, weil sie vermeintlich die realistischste aller Abbildungsarten ist, die Luftperspektive ja bereits mitbringt. In der Praxis stellt man fest, dass weiter entfernt platzierte Teile erst dann wirklich plastisch wirken, wenn Dunst und Nebel in die Szene gemalt worden sind.

Wenn Sie diese grundlegenden Regeln beachten, sollten Sie in der Lage sein, Ihre Geschichten in Bildern besser erzählen zu können, denn die Luftperspektive gilt ebenso für Fotografie wie für Composingarbeiten. Dennoch braucht es natürlich Erfahrung, bis man ein Gefühl für den Aufbau verschiedener Dunst- und Schattenebenen bekommen hat. Versuchen Sie es mal, Sie werden staunen, wie viel Tiefe Sie bereits mit wenig Aufwand erzeugen können.

Uli Staiger ist Trainer für digitales Composing und Autor zahlreicher Fachartikel und Bücher. Seine nächsten Seminare finden am 4. und 5. Oktober bei Light + Byte in Zürich statt. uli.staiger@gmail.com

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