Die Rolle des Designers

Design ist nicht nur Kunst. Gestalten ist auch Handwerk und vor allem das Umsetzen vieler Gestaltungsregeln und Richtlinien. Worauf zu achten ist, um beim Nutzer ­Emotionen zu wecken und beim Auftraggeber zu gefallen. 

Das Wort Designer klingt toll, denn es wird von Design hergeleitet und das steht bei den meisten für «in», «modern», «stylisch» oder «hip». Viele Nicht-Designer sehen den Designer als eine Art Künstler, der mit Schrift, Grafik, Farbe und Material ein Kunstwerk schafft, das, wie es eben in der Kunst der Fall ist, nicht jedem gefallen muss und meistens auch teuer ist. Design ist aber mehr als nur Kunst. Auch wenn sich über Geschmack streiten lässt und jeder Designer einen eigenen Stil hat, so hat der Designer doch eine entscheidende Aufgabe: Er macht etwas einer bestimmten Zielgruppe zugänglich.

Anstatt «Design» könnte man auch «Gestaltung» sagen, was zwar weniger toll klingt, das Ganze aber etwas realistischer umschreibt: Es wird gestaltet, das heisst, etwas wird nach bestimmten Kriterien aufbereitet, um einen Betrachter darauf aufmerksam zu machen. Gestaltung ist nicht nur dafür da, etwas «schön» erscheinen zu lassen, eine entscheidende Rolle spielt auch Funktionalität, genauso wie Emotionen, die es beim Betrachter auslösen soll. Der Designer oder Gestalter setzt eine Idee um, die gemeinsam mit dem Auftraggeber entsteht, und kommuniziert damit visuell mit dem Gegenüber, dem Nutzer.

Des Designers Verantwortung

Am meisten Spass würde es wohl machen, wenn Designer für Designer arbeiten würden. Man müsste sich und seine Ideen und Entwürfe nicht erklären, nicht erklären, was ästhetischer ist und warum Entwurf 1 besser funktioniert als Entwurf 2, warum man hochwertig produzieren sollte und warum die Gestaltung eines einfachen Logos doch so viel Zeit kostet oder warum man überhaupt ein Logo benötigt.

Aber das ist ja die grosse Herausforderung eines Designers: seine Fähigkeiten so einzusetzen, dass auch Nicht-Designer den Entwurf grandios finden und angesprochen werden, genauso wie es die Zielgruppe werden soll. Dabei allen gerecht zu werden, ist nicht immer leicht.

Der Gestalter trägt Verantwortung gegenüber dem Kunden – dem Auftraggeber –, um dessen Bedürfnisse und Ziele umzusetzen, genauso aber auch gegenüber dem Nutzer, der die Gestaltung ansprechend finden sollte, und geht ebenso auf dessen Bedürfnisse ein. Und zuletzt trägt der Designer genauso auch Verantwortung gegenüber der Umwelt – so zu gestalten, dass dies nachhaltig ist und unsere Ressourcen schont. Oft vergessen Designer, was für eine grosse Aufgabe sie haben: Sie können etwas bewegen und bewirken. Sie können mit ihrer Gestaltung den Nutzer leiten und lenken, ihn unterbewusst zu etwas anregen, ihn überzeugen und auf Ideen bringen.

Aber genau aus dem Grund, dass der Designer eben nicht nur gegenüber dem Auftraggeber Verantwortung hat, entsteht oft ein grosses Spannungsfeld zwischen Designer und Auftraggeber.

Mein Mann hat mich zu meinem Studium immer etwas belächelt. Jemand, der Maschinenbau studiert hat, der kann sich vielleicht nur schwer vorstellen, dass man als Kommunikationsdesigner mehr als nur malt, etwas schön macht und damit kommuniziert. Gestalten ist sowohl ein Handwerk als auch das Umsetzen vieler Gestaltungsregeln und Richtlinien. Es beinhaltet die Möglichkeit, vieles zusammenzuführen: Ästhetik, Funktion, Spass, Verständnis, Emotionen.

Man muss den Sachverhalt, den man zu gestalten hat – ob das ein Formular ist, eine Visitenkarte, eine App, eine Werbeanzeige oder ein Stuhl –, verstehen. Man hat die Aufgabe, nicht nur den Kunden anzusprechen, dessen Bedürfnisse und dessen Geschmack zu treffen, sondern auch diejenigen des Nutzers, der mit der Gestaltung angesprochen und am Ende überzeugt werden soll. Man muss sein Wissen gezielt einsetzen, braucht Menschenkenntnisse und Einfühlungsvermögen – gerade im Umgang mit dem Kunden.

Spannungsfeld Designer–Auftraggeber

Versetzt man sich in die Lage des Auftraggebers, so ist es für diesen nicht einfach, einem Designer gleich zu vertrauen. Es geht hier nicht darum, sein Auto reparieren zu lassen, weil beispielsweise ein Reifen geplatzt ist. Man gibt das Auto in die Hände der Vertragswerkstatt und weiss, dass der neue Reifen wieder genauso angebracht wird wie zuvor. Dafür gibt es keine unterschiedlichen Varianten, der eine Händler bekommt vielleicht einen besseren Einkaufspreis oder arbeitet etwas schneller, aber am Ende schaut es immer gleich aus.

Bei einer Gestaltung werden immer andere Ergebnisse entstehen, je nachdem, mit welchem Gestalter man zusammenarbeitet. Es geht bei der anfänglichen Idee schliesslich um Gedankengut. Da jeder etwas anders denkt, fällt diese immer etwas anders aus. Und gerade das macht einen guten Gestalter aus – weiter zu denken, nicht die erstbeste Idee umzusetzen, die bei den meisten sofort im Kopf entsteht. Bei der Umsetzung geht es anschliessend zwar um ein Handwerk, aber auch hier hat jeder Designer seinen eigenen Stil. So ist man nicht immer eins mit dem Auftraggeber. Oft hat dieser schon eine sehr konkrete Vorstellung seiner Idee, will diese unbedingt durchsetzen, denn schliesslich ist der Kunde König und beauftragt den Designer ja, um die eigene Idee schön umzusetzen. Es geht aber nicht nur um die schöne Ausarbeitung der Idee, es fängt schon beim Konzept an. Und da heisst es, den Kunden erst einmal auf seine Seite zu holen. Jeder Kunde ist anders. Es gibt «angenehme» Kunden, die einen machen lassen – und blind vertrauen. Es gibt aber auch Kunden, die ihre Idee umgesetzt sehen wollen, egal, ob sie funktioniert oder nicht. Somit geht es darum, den Kunden genauso wie den Nutzer zu überzeugen und in die richtige Richtung zu leiten.

Wie oft geht es dem Gestalter so, dass er etwas umsetzen muss, das ihn selbst nicht anspricht. Der Kunde möchte es aber genau so haben. Da liegt es am Designer, sich durchzusetzen, dem Kunden zu verstehen geben, dass es eine bessere Möglichkeit gibt. Menschenkenntnisse und Einfühlungsvermögen spielen dabei eine grosse Rolle, denn schliesslich hat man es mit Menschen zu tun, muss deren Bedürfnisse erst herausfinden und dann bedienen – sowohl die des Auftraggebers als auch die des Nutzers.

Kommunikation mit dem Kunden

Geht es um die Umsetzung, meine ich, sind drei Entwürfe nahezu perfekt, das Minimum und Maximum einer Entwurfsphase. Der erste Entwurf ist die Umsetzung der Idee des Kunden. Damit er sich am Ende dagegen entscheidet, würde ich einen Entwurf zeigen, der ihm gar nicht zu 100% gefallen kann. Konkret: Die Idee extra nicht optimal und «schön» umsetzen. Der zweite Entwurf kommt dem eigenen Lieblingsentwurf schon näher, er ist eine Mischung aus der Idee des Kunden und der eigenen. Ein Kompromiss, mit dem man bereits gut leben könnte. Am meisten Zeit und Energie setzt man schliesslich in den dritten Entwurf, denjenigen, der einen am meisten begeistert und die beste Idee und Umsetzung der Aufgabe darstellt.

Denn «schön gestalten» und «Kunden gewinnen» kann man durchaus zusammenführen. Alles, was der Gestalter schön gestaltet, sollte nicht nur ästhetisch sein, sondern auch einen Zweck erfüllen. Die Gestaltung sollte funktionieren, etwas beim Betrachter auslösen, damit dieser das tut, was man mit der Gestaltung bewirken möchte: einen Gegenstand kaufen oder verwenden, eine Marke toll finden und sich mit dieser verbunden fühlen, etwas machen wollen und verstehen: Am Ende sollte gute Gestaltung beim Nutzer immer das gute Gefühl auslösen, es mit dem (Kauf-)Entscheid richtig gemacht zu haben.

Das grosse Wirkungsfeld

Ich weiss noch genau, als ich die erste Vorlesung «Psychologie für Designer» besuchte und dachte, mit welch einfachen Mitteln ein Gestalter Menschen beeinflussen kann. Und wie einfach Werbung im Kern funktioniert. Mir kam auch aus eigener Erfahrung in den Sinn, wie negativ Werbung behaftet ist und dass ein Gestalter eine gewisse Verantwortung trägt: Was er macht und wie er Dinge und Sachverhalte erscheinen lässt, wie er Menschen beeinflussen möchte und was er am Ende für ein grosses Wirkungsfeld hat. Den meisten Designern ist das im Laufe der Zeit leider nicht mehr bewusst.

Ich weiss noch, wie ich zu mir sagte: «Nein, auf Werbung falle ich nicht rein. Ich weiss ja jetzt, wie sie funktioniert.» Und doch ertappt man sich im Alltag dabei, dass man sein Smartphone nicht nur als Gebrauchsgegenstand sieht, sondern abhängig davon ist und es mitunter lieb gewonnen hat. Oder dabei, dass man seinem Auto vielleicht einen Namen gibt, dass man manche Firmen aufgrund einer witzigen Werbung sympathisch findet. Man entwickelt Gefühle, Emotionen – genau das, was der Gestalter vorhatte: Werbung für einen Gegenstand, eine Firma oder eine Dienstleistung beeinflusst die Nutzer, indem die Gestaltung Emotionen weckt. Und damit hat sich die Werbung in den Köpfen eingepflanzt, der Nutzer beschäftigt sich damit, wenn auch oftmals nur unterbewusst. Somit hat der Designer nicht nur die Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber, sondern auch gegenüber dem Nutzer. Der Designer hat es in der Hand.

Nachhaltiges Design?

Auch die Verantwortung gegenüber der Natur und der Umwelt spielt bei der Gestaltung eine immer wichtigere Rolle. Heutzutage ist Nachhaltigkeit ein Kernthema – auch bei gutem Design. Wann aber ist etwas nachhaltig? Den Kunden darauf hinweisen, dass es noch andere Marketingmaterialien gibt als z.B. einen Katalog, der alle halbe Jahre komplett neu in Produktion geht, obwohl sich nur die Preise geändert haben oder zwei Kollektionen ausgetauscht wurden? Dafür gibt es weit sinnvollere, kostensparende und auch hinsichtlich Nachhaltigkeit effektivere Möglichkeiten. Man könnte einzelne Broschüren mit den Kollektionen herausbringen, damit nicht immer das gesamte Werk erneuert werden muss. Und was die Preise angeht, informiert sich der Nutzer am besten direkt über die Website. Ein Mix aus verschiedenen Marketingmaterialien und Medien ist oftmals sinnvoll, je nachdem wo der Nutzer mit der Marke in Kontakt kommen soll.

Design trägt dazu bei, Lösungen zu schaffen, für aktuelle Probleme, aber auch für Probleme, die noch in der Zukunft liegen. Nicht nur Mitdenken, sondern auch Vorausdenken ist angesagt. Dabei soll das Design immer individuell auf den Kunden und dessen Zielgruppe zugeschnitten werden.

Designer wie Sand am Meer …

Nur weil heutzutage jeder einen Computer und Grafikprogramme besitzt, ist nicht jeder Designer auch ein guter Gestalter. Nur wer die Regeln kennt und weiss, wie man sie anwendet, kann sie brechen. Und wer für seine Leidenschaft brennt, kann andere damit anstecken. Man muss vor allem eines tun: hinter seiner Arbeit stehen. Und das kann auch einmal heissen: einen Auftrag ablehnen, wenn man dabei kein gutes Bauchgefühl hat. Das gilt sowohl für den Auftraggeber als auch für den Designer.

Customer Experience

Wofür steht eigentlich der Begriff «Customer Experience»? Wir kommen tagtäglich mit so vielen Dingen in Kontakt, werden durch Werbung auf den unterschiedlichsten Medien konfrontiert, holen uns Hilfe und Informationen auf unterschiedlichen Kanälen. Die Summe all dieser Berührungspunkte (Service, Support, Werbung etc.) mit einer Marke, einem Gegenstand oder einer Dienstleistung macht die Customer Experience aus.

Was ist eigentlich an einem Designerstuhl so toll, dass viele ihn nur aufgrund des Markennamens bei sich im Esszimmer stehen haben möchten und er mehr kostet als ein Stuhl von einem schwedischen Möbelhersteller? Und was machen Designerhosen anders als eine gewöhnliche Jeans, sodass man dafür den hohen Preis zahlt?

Etwas erlebbar machen, sich mit einer Marke verbunden fühlen, ein Kundenerlebnis schaffen. Das schaffen vor allem die grossen Marken. Eine Gestaltung hat immer einen Zweck oder wie Wolfgang Beinert, Grafikdesigner und Typograf, einmal sagte: «Inhalte werden schnell vergessen. Doch der emotionale Eindruck guten Designs bleibt stabil.» Die Emotion bleibt. Überlegen Sie selbst einmal, gerade, wenn Sie an einen TV-Spot denken … Vielleicht wissen Sie nicht mehr genau, was gezeigt wurde, aber erinnern sich an das Gefühl, das es hinterlassen hat. Vielleicht können Sie sich auch noch grob an die Geschichte erinnern. Geschichten bleiben hängen, Menschen lieben Geschichten und können sich so mehr in eine Situation hineinversetzen oder sich mit etwas verbunden fühlen. Und wenn man selbst dann noch Teil dieser Geschichte wird, sich mit der Marke, dem Produkt verbunden fühlt, ist die Customer Experience perfekt!

Rebekka Ludwig, in Nürnberg ansässig, hat Kommunikationsdesign studiaert und arbeitet als freie Grafik­designerin. Ihre Leidenschaft für Technik und den Workshopbereich gewann sie während ihrer Zeit bei der Firma Apple. Seitdem begleitet sie Unternehmen im Foto- und Designworkflow ganz nach der Devise: das meiste aus seinen Werkzeugen herausholen, um mehr Zeit mit der kreativen Arbeit zu verbringen. www.rebekkaludwig.com

  • Autor Rebekka Ludwig
    Sie lebt in Nürnberg und ist Autorin, Speakerin, Grafikde- signerin und Trainerin aus Leidenschaft. Sie hat Kommunikationsdesign studiert und entdeckte Ihre Leidenschaft für die Technik und den Work- shopbereich während ihrer Zeit bei der Firma Apple. Seitdem begleitet sie Unter- nehmen im Foto-, Design- und Businessworkflow ganz nach der Devise: Das Meiste aus seinen Werkzeugen herausholen, um mehr Zeit mit der kreativen Arbeit zu verbringen.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 5-2018

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