Kleine, aber feine Updates für freie Pixelschieber

Die Entwicklerteams von GIMP und G’MIC haben unabhängig voneinander neue ­Versionen ihrer Software veröffentlicht. Wir werfen einen Blick auf die eingeführten ­Neuerungen.

Nachdem es lange Zeit so aussah, als ob die Open-Source-Bildbearbeitung GIMP den Anschluss an die Konkurrenz im Profibereich verloren hätte, wurden Beobachter und Anwender mit der lange hinausgezögerten Veröffentlichung von Version 2.10 eines Besseren belehrt. Seither ist es möglich, mit bis zu 32 Bit Farbtiefe zu arbeiten, und die meisten Werkzeuge funktionieren bereits mit allen Möglichkeiten der neuen Grafik-Engine GEGL.

Obwohl der Schwerpunkt der GIMP-Entwicklung auf den nächsten grossen Versionssprung zu 3.0 ausgerichtet ist, der unter anderem nicht destruktive Bildbearbeitungsmethoden sowie die Unterstützung weiterer Farbmodelle (LAB, CMYK) mit sich bringen wird, hat das GIMP-Team seine alte Strategie geändert und liefert mit Updates nicht nur Fehlerkorrekturen, sondern auch neue Features aus der Entwicklerversion, soweit sich diese in 2.10.x implementieren lassen. Seit wir zuletzt einen Blick auf GIMP geworfen haben (Publisher 4-18), hat sich einiges getan.

Werkzeugverfeinerungen

Die aus der Sicht von Bildbearbeitern wohl wichtigste Neuerung ist so neu, dass wohl die Zeit gefehlt hat, sie ins Deutsche zu übersetzen. Deshalb ist sie einstweilen nur auf Englisch verfügbar und präsentiert sich in Transformationswerkzeugen mit dem Button Readjust. Konkret bedeutet dies, dass man mit einem Klick darauf nunmehr die Anfasser für Transformationen auch dann zur Verfügung hat, wenn man mit starker Bildvergrösserung arbeitet, während dies in früheren Versionen auf die Bildränder beschränkt war.

Weiterhin ist es jetzt möglich, in ­einigen Transformationswerkzeugen (z. B. Skalie­ren) den angezeigten Bildmittelpunkt einer Auswahl zum Verschieben derselben zu verwenden. Indes erfordert es eine ­gehörige Portion an Fantasie, um darauf zu kommen, dass dafür die Werkzeugoption Richtung verantwortlich ist und man darüber hinaus das Verkettungssymbol für die beiden eigentlich entgegengesetzten Optionen ­aktivieren muss.

Besseren Bedienkomfort für Dateien mit vielen Ebenen bietet eine neu implementierte Maus-Tastatur-Kombination: Wenn man die Alt-Taste gedrückt hält, kann man jetzt mit der mittleren Maustaste sichtbare Bildbereiche auswählen und sich auf diese Weise zur gewünschten Ebene durchklicken. Das funktioniert nach kurzer Eingewöhnungszeit ganz hervorragend, sogar wenn man die Ebenen gruppiert hat.

Als weiterer wichtiger Schritt in Richtung nicht destruktive Bildbearbeitung kann die neue Option Vereinigung prüfen des Werkzeugs Heilen gelten, das man nunmehr auf einer transparenten Ebene anwenden kann, ohne das eigentliche Bild zu modifizieren. Die Fehler des Äquivalents im Klonen-Werkzeug wurden behoben.

Besserer Umgang mit Farben

Zu den neuen Erleichterungen gehört auch eine vereinfachte Farbauswahl mit Werkzeugen, die dafür infrage kommen, denn Anwender müssen nicht mehr auf die Farbpipette zurückgreifen, um eine Farbe auszuwählen. Stattdessen genügt es jetzt, die Strg- bzw. die Cmd-Taste für die Farbauswahl mit der Maus gedrückt zu halten.

Bei Farbverläufen haben die Entwickler die Option hinzugefügt, «harte» Verlaufsschnitte zu verwenden, was in manchen Bearbeitungssituationen von Vorteil ist, weil man sich auf diese Weise unter Umständen den Einsatz von zusätzlichen Ebenen oder Masken ersparen kann.

Für Künstler

Obwohl es angesichts der Existenz von Krita (Publisher 3-18) eigentlich weitgehend überflüssig gewesen wäre, zusätzliche Funktionen für Zeichner und ähnlich arbeitende Kreative einzubauen, hat das GIMP-Team einigen Aufwand betrieben, um das Programm entsprechend zu erweitern. Die Ergebnisse können in der Regel überzeugen, sind aber nach Angaben der Entwickler noch nicht dort angelangt, wo man letztendlich hinkommen möchte.

Wie in Krita lassen sich geschlossene ­Umrisse in Schwarzweiss-Zeichnungen jetzt schnell und automatisch mit Farbe aus­füllen, was vielen Comic-Zeichnern und ­Logo-Designern entgegenkommen dürfte.

Eine hochinteressante Neuerung – nicht nur für Künstler – ist die Unterstützung von Pinseln mit bis zu 32 Bit Farbtiefe. GIMP wird zwar bis auf Weiteres mit Pinseln mit der ­alten 8-Bit-Beschränkung ausgeliefert, aber benutzerdefinierte Pinsel werden nunmehr in 32 Bit angelegt. Ausserdem kann man jetzt Bilder schnell als Pinsel definieren, indem man sie in die Pinselauswahl kopiert und dort dupliziert. Darüber hinaus lässt sich ein Pinsel jetzt als neues Bild öffnen und bearbeiten.

Import/Export

Die wohl wichtigste Neuerung in Sachen Dateiexport ist die Aufräumarbeit im Export-Dialog. Die verwirrenden doppelten Dateitypenmenüs wurden beseitigt, und es gibt jetzt nur noch ein einziges. Auch profitiert die Export-Information bezüglich der Rückwärtskompatibilität des GIMP-XCF-­Formats von grösserer Klarheit.

Schliesslich wartet GIMP jetzt mit einem Importfilter für DDS-Dateien auf, was vor ­allem für Spiele-Entwickler von Interesse sein dürfte.

Super-Plug-in, nicht nur neu sortiert

Das Plug-in (oder «Programm im Programm») G’MIC (Publisher 5-15) liegt aktuell in der Version 2.6.3 vor, und wer mit einem der ­Vorgänger vertraut war, wird erfreut zur Kenntnis nehmen, dass G’MIC jetzt standardmässig ein dunkelgraues Thema verwendet, wie es auch in GIMP der Fall ist.

Anwender werden sich in manchen Fällen umorientieren müssen, denn es sind neue Kategorien hinzugefügt worden, die wiederum den «Umzug» einiger Funktionen nach sich gezogen haben. Wer es beispielsweise gewohnt war, spezielle Farbeffekte unter Film Emulation zu verwenden, muss jetzt unter Colors > Color Presets und weiteren Untereinträgen suchen. Dazu gehört auch das Laden externer «Color Lookup Tables» (CLUT), das jetzt als separater Menüpunkt unter Colors zur Verfügung steht, ­sodass man sich nicht mehr durch einen anderen Dialog hangeln muss.

Apropos CLUT: Die aktuelle G’MIC-Version enthält jetzt über 700 solcher Voreinstellungen, ohne dass das Downloadpaket wesentlich grösser geworden wäre. Ein Grund dafür ist ein von den Programmierern speziell für CLUT entwickelter Kompressionsalgorithmus für Zusammenstellungen im CUBE-Format. Die Dateigrösse von entsprechenden Kollektionen liess sich auf diese Weise auf den Bruchteil einer einzelnen ­CUBE-Datei reduzieren.

Der beeindruckendste neue Filter findet sich unter Artistic > Stylize. Er erlaubt es, ein Bild an bestimmte Stile von bildenden Künstlern anzupassen, von denen einige bereits voreingestellt sind (etwa Klee, ­Picasso oder Van Gogh). Um mit den Voreinstellungen arbeiten zu können, benötigt man aber eine Internetverbindung, denn das G’MIC-Plug-in enthält die entsprechenden Vorlagendateien nicht und muss diese nachladen. Angesichts der Komplexität der auszuführenden Berechnungen muss man ausserdem ein gehöriges Mass an Geduld mitbringen, bis das – oft äusserst beeindruckende – Ergebnis vorliegt.

Versionswirrwarr und andere Wehwehchen

Zu den Schwächen von G’MIC gehört der unbefriedigende Umgang mit der korrekten Versionierung der Downloadversionen. Linux-­Anwender dürften davon weniger betroffen sein, sofern sie ihre Updates über den Paketmanager beziehen, aber unter Windows ist man stets mit demselben Dateinamen, egal ob Installer oder ZIP-Archiv und ohne Hinweis auf die Versionsnummer, konfrontiert.

Erfreulicherweise stellt das G’MIC-Projekt mittlerweile auch eine kompilierte Version des Plug-ins für Mac OS X als TGZ-Archiv bereit, aber dieses enthält keinerlei Installationsanweisungen, sodass Mac-Anwender nach einer Internetrecherche auf teilweise veraltete Rezepte für frühere Versionen stossen können und verständlicherweise abwinken. Gemessen an den hohen Standards anderer Open-Source-Projekte, ist das eine ziemlich beispiellose Nachlässigkeit. Um das G’MIC-Plug-in für GIMP zu installieren, muss man unter Mac OS entweder das TGZ-Archiv entpacken (beispielsweise auf den Desktop) und den Inhalt anschliessend in das Verzeichnis ~/Library/Application\Support/GIMP/2.10/plug-ins/ verschieben oder im Terminal den Befehl tar -xC ~/Library/Application\Support/GIMP/2.10/plug-ins/ GMIC-Gimp-2.10-OSX.tgz eingeben.

Wie schon bisher gilt, dass Anwender, die mit dem Englischen auf Kriegsfuss stehen, wenig Freude an G’MIC haben werden, denn die Benutzeroberfläche ist, abgesehen vom allgemeinen Teil, nicht übersetzt und derzeit auch nicht übersetzbar. Die Entwickler haben dem Verfasser dieses Artikels gegenüber aber Besserung gelobt.

Ein weiteres Problem ist die schier unglaubliche Vielfalt an Justierungsmöglichkeiten, die zwar jeweils den neusten Stand der Bildbearbeitungstechnik widerspiegeln, aber grösstenteils ohne Tooltips oder ­externe Dokumentation daherkommen. Das soll sich zwar in Zukunft ändern, aber einstweilen ist hier Experimentierfreude vonnöten.

Fazit

Sowohl GIMP als auch G’MIC haben während des letzten Jahres überwiegend auf den ersten Blick kleine, aber wichtige Fortschritte gemacht, die Updates auf die jeweils neuste Version rechtfertigen. Beide Projekte haben nach einer längeren Phase, in der es nach Stagnation aussah, wieder Fahrt aufgenommen und liefern in erstaunlich kurzen Abständen deutliche Verbesserungen.

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