Künstliche Intelligenz

Von den einen euphorisch gefeiert, von den andern belächelt, die sogenannte künstliche Intelligenz (KI) treibt die Wirtschaft so oder so um. Bald schon soll KI die menschliche Intelligenz gar übertreffen, eventuell sollen Cyborgs (die Wesen, die teils aus Roboter, teils aus Mensch bestehen) die Weltherrschaft erringen. Bizarr mutet an, dass Roboter der Filmindustrie oder der Forschergemeinde immer wieder menschliche Gestalt annehmen. Dabei wäre es doch sinnvoller, sie mit der Schnelligkeit eines Geparden, der Kletterfähigkeit einer Spinne und den Flugkünsten einer Schwalbe auszustatten. Machen die Forscher aber nicht. Der doofe Körper des Homo sapiens ist ja nicht gerade das Gelbe vom Ei! Egal, was man davon hält, der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Wenn KI Bilder vergleichen und Gesichter erkennen kann, ist dies aber nichts im Vergleich zur individuellen menschlichen Interpretation von Bildern.

Der Begriff KI suggeriert einen menschenähnlichen und intelligenten Computer, mit einem ebensolchen lernfähigen Verhaltensmuster. Mit Verlaub, wir sollten die Dinge etwas präziser benennen. Was ein Computer ­besser kann als ein Mensch: Zahlen ­zusammenzählen, kombinieren, vergleichen, Statistiken schreiben, Wahr­schein­lichkeiten ermitteln, Modellrechnungen anstellen und solche Sachen. Was genau daran «intelligent» sein soll, bleibt mir genauso schleierhaft wie eine Wetterprognose. Ein Algorithmus ist letztlich eine Handlungsanweisung, inspiriert und programmiert von fehlerhaften Hirnis, die nicht immer so genau wissen, welche Wirkung dieser dereinst auf die Menschheit haben wird. Ein Algorithmus kann das sprunghafte Verhalten Donald Trumps von übernächster Woche kaum antizipieren. Das ist etwa so unmöglich, wie die Lottozahlen vorauszusagen. Die Zukunft einzuschätzen und voraussehend sowie ganzheitlich zu interagieren – das geht nicht. So wird KI zum Vorteil ihrer Erfinder benützt werden, die Masse wird nicht verstehen, was da gerade abgeht.

Es gibt Milliarden von Entscheidungen, die irgendwo zugunsten oder zulasten eines Mikrosystems gefällt werden, die den Lauf der Dinge verändern können. Wer wird darüber entscheiden? Findet ein Algorithmus plötzlich, die Menschheit auszuradieren, sei für das Bestehen der Restwelt nützlich? Wenn wir Göttern gleich den Algorithmus nach unserem Ebenbild schaffen, wird es wohl auch eine Art Diversität in KI geben. Algorithmen, die immer mehr und immer vernetzter agieren, sind deswegen nicht intelligent – werden aber sehr wohl durch einzelne Firmen zu deren Wohlstandsmehrung eingesetzt.

Das komplexe und vernetzte Denken, Fühlen und Interagieren des menschlichen Gehirns ist noch nicht einmal im Ansatz erforscht. Und davon haben wir in der Welt mittlerweile 7,7 Milliarden. Es ist keineswegs bewiesen, dass der Technikfortschritt dem Homo sapiens ein glücklicheres oder besseres Leben beschert hat. Es kann ja nicht sein, dass wir letztlich über das Wirtschaftswachstum uns und unsere Erde zu Tode konsumieren. Eine entfesselte KI im Dienst von Technik, Forschung und Wirtschaft darf nicht um ihrer selbst willen funktionieren. Sie versklavt und füttert uns Menschen so, wie wir dies mit unseren Nutztieren tun.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 2-2019

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