«Digital hat das Potenzial, in Zukunft eine bedeutendere Rolle zu spielen»
Nachdem die Drupa in Düsseldorf wegen der Pandemie von 2020 auf 2021 verschoben worden war, wurde die weltgrösste Messe der Druck- und Druckmedienindustrie nun endgültig abgesagt und durch eine virtuelle Ausgabe ersetzt. Aber die Entwicklung in der Druckindustrie geht weiter, Neuheiten warten. Im Rahmen unseres Schwerpunktthemas Digitaldruck sprach der PUBLISHER mit Manuela Gomez, General Manager Digital Commercial, bei der Heidelberger Druckmaschinen AG und mit Ivo Kaufmann, Produktspezialist Digital Print, bei der Heidelberg Schweiz AG.
Digitaldruck wurde vor 10 bis 20 Jahren als die qualitativ schlechtere Alternative zu Offset betrachtet und bot sich für kleine Auflagen an. Inwiefern hat sich das Bild heute geändert und wann sollte man als Druckerei auf Digitaldruck setzen?
Manuela Gomez: Der Digitaldruck hat sich als fester Bestandteil der Druckproduktion etabliert, und obwohl die Offsetqualität weiterhin die Referenz stellt, hat sich die Druckqualität digitaler Geräte kontinuierlich erhöht, sodass die Kunden je nach Bedarf und Budget unter einer breiten Palette von Möglichkeiten auf dem Markt wählen können.
Abgesehen von den offensichtlichen Kostenvorteilen bei der Produktion von Kleinauflagen haben immer mehr Druckdienstleister auch zusätzliche Geschäftsmodelle rund um den Digitaldruck entwickelt und ihr Portfolio erweitert, um ihren Kunden wertvolle Zusatzleistungen wie flexible Lieferung, optimierte Logistik, vereinfachte Bestell- und Nachverfolgungsprozesse sowie individualisierten Druck zu bieten. Diese Angebote werden zu einem Standard in den Erwartungen der Endkunden und Verbraucher, was die Nachhaltigkeit dieser zusätzlichen Geschäftsmodelle in der Druckindustrie langfristig sichern wird.
Digitaldrucksysteme haben enorm an Qualität, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit zugelegt. Welche technologischen Entwicklungen sind überhaupt noch möglich und wodurch zeichnen sich die Drucksysteme in 5 bis 10 Jahren aus? Vor einem Jahr wurde in einer Medienmitteilung der Ausstieg aus der Produktion der Primefire 106 angekündigt. Inkjet wird in der Branche als der Zukunftsmarkt gehandelt. Was ist im Rahmen dieser Technologie seitens Heidelberg zu erwarten?
MG: Heidelberg hat ein erhebliches Know-how im Bereich Inkjet aufgebaut, nicht nur durch die Primefire, sondern auch durch die Heidelberg Labelfire, die zusammen mit Gallus für die digitale Produktion von Etiketten entwickelt wurde und die nach wie vor ein erfolgreicher Teil unseres Digitalgeschäfts ist.
Die Inkjet-Technologie hat das Potenzial, in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Druckindustrie zu spielen. Technologisch ist bereits ein hoher Reifegrad und eine hervorragende Druckqualität erreicht, jetzt geht es darum, die Robustheit und Zuverlässigkeit der Inkjet-Drucksysteme weiterzuentwickeln und die Systeme zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten. Erst dann können die Drucksysteme in hocheffiziente und automatisierte Prozesse integriert werden, was letztlich das Produktionsniveau und die Kosteneffizienz steigert. Wir prüfen weiterhin Möglichkeiten, wie wir unser Know-how und unsere Erfahrung nutzen können, um unser Angebot für Kunden zu erweitern.
Welche Erwartungen haben Sie an die globale Marktentwicklung von Digitaldruck?
MG: Wir gehen davon aus, dass das Digitaldruckgeschäft in den traditionellen Industrieregionen in etwa gleich bleibt und in den wachstumsstarken Volkswirtschaften zunehmen wird, da sowohl der Bedarf an mehr Flexibilität als auch der allgemeine Trend zur Digitalisierung von Prozessen – vor allem im Hinblick auf eine Effizienzsteigerung – das Interesse nach digitaler Druckproduktion weiter vorantreiben wird.
Zusätzlich zu den oben genannten Trends sind Nachhaltigkeit und Klimaschutz wesentliche Faktoren, die die Nachfrage nach Lösungen antreiben, die den unnötig langen Transportweg von Waren, die Lieferzeiten und den Abfall reduzieren. Alles Bereiche, in denen die digitale Produktion einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Wie positioniert sich Heidelberg als Anbieter von Digitaldrucksystemen?
MG: Wir haben ein erfolgreiches Geschäft mit unseren Versafire-Produkten und bieten unseren Kunden qualitativ hochwertige digitale Produktionssysteme, die neben allen Vorteilen in Bezug auf Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit und Vielseitigkeit unter der gleichen Auftragsbearbeitung, Aufgabenverwaltung und dem gleichen Workflow arbeiten wie die übrige Offsetproduktion von Heidelberg. Das heisst, gleiches Farbmanagement, gleiche Benutzeroberflächen, keine Notwendigkeit für extra geschultes Personal oder extra Systemschnittstellen.
Unsere Versafire-Produktlinie befindet sich nun in der zweiten Generation und bietet ein in ihrer Preisklasse unerreichtes Mass an Produktivität, Zuverlässigkeit und Druckqualität für eine ständig wachsende Zahl von Anwendungen. Wir glauben an das Potenzial unserer Produkte, einen grösseren Teil des Markts erobern zu können. Mit Lösungen wie beispielsweise dem Digital-Cluster, der mehrere Engines kombiniert, gewährleisten wir eine zuverlässige digitale Hochproduktion zu optimalen Kosten.
Welche Kunden spricht Heidelberg mit dem Angebot an Digitaldrucksystemen in der Schweiz an? Worauf legen sie beim Kauf neuer Maschinen wert?
Ivo Kaufmann: Unsere Kunden sind vor allem Druckereien, die Digitaldrucksysteme als Ergänzung zu ihren bestehenden Offsetmaschinen wollen. Weil die Auflagen immer kleiner werden, die Qualität aber konstant sein soll, entscheiden sich aus diesem Grunde viele Druckereien für eine Ergänzung der Offsetmaschine durch ein Digitaldrucksystem. Zudem bieten wir unseren Kunden flexible Kauf-Optionen an.
Was sind die häufigsten Anwendungsbereiche von Digitaldruck in Schweizer Druckereien?
IK: Bei der Qualität gibt es inzwischen keinen grossen Unterschied mehr. So ist es sicher sinnvoll, grosse Auflagen im Offset, kleinere Auflagen im Digitaldruck zu erstellen. Bei den kleinen Auflagen spielt der Speed eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist für den Kunden, dass die Maschine das Produkt «pfannenfertig» liefert, also gedruckt, gefalzt, geklebt, gebunden – denn so wird Zeit gespart und damit Effizienz gewonnen. Fertigungsstrassen werden wohl die Zukunft sein, die Kunden wollen das Produkt nicht mehr in die Hand nehmen müssen.
Wie gelingt es, mit kleinen Auflagen im Digitaldruck wirtschaftlich zu arbeiten? Inwiefern kann Heidelberg die Kunden dabei unterstützen?
IK: Dank unserem modular aufgebauten Prinect-Workflow mit DFE (Digital Frontend) kann durch höchste Automatisierung wirtschaftlich und kostengünstig produziert werden. So ist es möglich, vom Input, z. B. über einen Webshop, ohne manuelle Eingriffe einen Auftrag zu produzieren. Heidelberg spricht die Sprache der Druckereien und kennt deren Thematiken sehr genau. Deshalb können wir auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse eingehen und dank unserer modularen Konzeption der Maschinen und der Software für jeden Kunde die richtige Lösung zu finden. Dies ist ein deutlicher Mehrwert.
Wie gross ist die Nachfrage für Inkjetlösungen im Grossformat und mit hohen Geschwindigkeiten in der Schweiz?
IK: Grundsätzlich ist die Nachfrage da, der Markt wartet auf eine adäquate Lösung. Heidelberg beobachtet dieses Segment sehr genau und evaluiert mögliche Alternativen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Autor
Laurent Gachnang
Laurent Gachnang ist seit über 15 Jahren in der Medien- und Unterhaltungsindustrie tätig. Er gilt als Experte für digitales Publizieren und Online Marketing. Zuletzt arbeitete er bei einem Medienunternehmen als Marketingverantwortlicher und war massgeblich an der Lancierung eines Change-Prozesses beteiligt. Als Gastdozent ist er an diversen Fachhochschulen sowie ehrenamtlich als Mentor bei der Startup Academy Basel tätig. - Rubrik Print
- Dossier: Publisher 2-2021
- Thema Digitaldruck, Heidelberg
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