Ich hab’ da eine Idee für Sie!

Es gibt sie, die Perlen unter den Druckprodukten. Solche, die beim Anblick neugierig machen, die man gerne in die Hand nimmt, ansieht, fühlt, im wahrsten Wortsinn begreift und in jedem Fall aufbewahren möchte. Natürlich muss und kann nicht jedes Printobjekt etwas derart Besonderes sein, aber sind solche perfekten Ergebnisse nicht sowohl für Kreative als auch für Druckereien der Motor, der täglich antreibt?

Ein geglücktes Zusammenspiel aus aussergewöhnlicher Gestaltung, sorgsamer Papierwahl, exzellentem Druck und ausgeklügelter Veredelung sowie Weiterverarbeitung ist niemals Zufall. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns alle einig.

Doch wie kommt es eigentlich zu solch ganzheitlichen Konzepten, bei denen sich viele Details zu einem begehrenswerten Ganzen vereinigen? Klar, zunächst steht erst einmal eine Idee im Raum, die nicht selten ausschliesslich von Gestaltern mit Leben gefüllt wird. Viel besser ist es jedoch, wenn das umfangreiche Know-how des Druckdienstleisters von vornherein miteinfliesst. Wie können aber Drucker zu echten Ideengebern werden? Wir sollten in der kommunikativen Einbahnstrasse schlichtweg den Gegenverkehr einführen!

Anfrage – Angebot – fertig?

Es ist durchaus verständlich, dass die (zunächst) unbezahlte Beratungsleistung bei vielen Druckereien nicht gerade zu den ­geliebten Steckenpferden zählt. ­Dennoch lohnt es sich durchaus, den Servicegedanken (noch) stärker auszubauen: Laut einer Umfrage für den Insight-Report von ­Canon, an der 235 Marketingentscheider aus verschiedenen Branchen und mit unterschiedlichen Budgets teilnahmen, gaben 95 ­Prozent an, «ihren Printbedarf an spezialisierte Druckdienstleister» zu vergeben. Ganze 75 Prozent erwarten «mehr Beratung durch den Druckpartner» und 80 Prozent ­hätten gerne «mehr Informationen über neue Ideen und Innovationen von ihm».

Diese Zahlen decken sich auch mit der Ansicht von Erich Brechbühl, der unter anderem auch das Cover dieser PUBLISHER-Ausgabe konzipierte: «Ich arbeite am liebsten mit Druckereien, die mitdenken. Wenn ich Offerten bei verschiedenen Druckereien anfrage, klärt sich das recht schnell: Es gibt die Druckereien, die ohne Rücksprache genau das offerieren, was im Briefing steht; und es gibt die Druckereien, die eben nachfragen, wenn sie merken, dass man mit einem etwas kleineren Format viel ökonomischer drucken könnte».

Ein Einzelfall? Ich denke nein: Je schneller sich das Innovationsrad dreht, je mehr Faktoren bei einem Printobjekt berücksichtigt werden müssen, je grösser die Anforderung des Kunden, wenn er denn schon auf Print setzt, umso wichtiger ist die Bündelung von Kompetenzen. Erstaunlich ist daher noch eine Zahl der Canon-­Umfrage: Weniger als 20 Prozent der Befragten nehmen eine Beratung durch den Druckpartner wahr.

«Ich arbeite am liebsten mit Druckereien die ­mitdenken». Für das Buch Plan Lumière über die neue nachhaltige Beleuchtung der Stadt Luzern arbeitete Erich Brechbühl nicht zum ersten Mal mit der ­Druckerei Odermatt (Dallenwil) zusammen.
www.erichbrechbuhl.ch

Henne oder Ei?

Die Frage, die sich stets bei bestehenden Kreisläufen stellt: Was war zuerst da – Henne oder Ei? Liegt es nun am mangelnden Beratungswillen oder schlichtweg an der Tatsache, dass Gestalter mit ihrer fertigen Datei anklopfen, an der es nicht zu rütteln gilt?

Es ist müssig, hier den «Schuldigen» auszumachen, die Lösung liegt tatsächlich in einer offenen und offensiven Kommunikation, einem Angebot, das der Kreative ­kennen muss und sollte. «Ideal ist es natürlich, wenn der Kunde möglichst früh zu uns kommt,» erklärt mir Andreas Wolfensberger, Inhaber und Geschäftsführer der DT Druck-Team AG, die sich als einstiger «reiner» Druckdienstleister inzwischen als Produktionsagentur mit integrierter ­Druckerei versteht. «Als kreative Druckerei suchen wir ganz bewusst den Kontakt zu Agenturen oder Endkunden, die sich durch wertige Druckprodukte abheben möchten. Der Trend hin zu gezielter Kommunikation mithilfe von Printmassnahmen ist ja spürbar – der Endkunde hat doch langsam genug von unzähligen Newslettern oder wirren Bannern im Internet. Kommt der Kunde dann früh genug auf uns zu, haben wir auch die Möglichkeit, ihn über alle Prozessschritte zu begleiten und dabei wirkungsvolle Produkte zu entwickeln und zu realisieren». ­Somit scheint die Frage nicht zu lauten, ob Henne oder Ei zuerst da war, sondern vielmehr, welche Position eine Druckerei einnehmen möchte.

Wo fehlt die Beratung?

Mich erstaunt es immer wieder, dass Druckereien zwar beeindruckende Projekte auf ihren Webseiten präsentieren, oft aber mit keiner Silbe das bedruckte Material erwähnen. Ich frage mich dabei stets, wie es wohl wäre, wenn der Webshop einer Boutique die Zusammensetzung eines Pullovers ­verschweigen würde. Für den Kunden ist es ja nicht ganz unerheblich, ob Kaschmir oder Polyester verarbeitet wurde. Und ist das Material im Zusammenspiel mit dem Druck nicht ein ebenso wichtiger Faktor? Wird hierauf nicht fein abgestimmt, ob es ein wenig mehr oder weniger Farbauftrag sein muss, ob es die LE-UV- oder die herkömmliche Offset-Maschine durchlaufen soll?

Ja, der Papiermarkt ist gross und bisweilen auch undurchschaubar – gerade ­deshalb kann die kompetente Beratung hinsichtlich Materialwahl ein Hebel sein, um sich von Schnelldruckereien mit einem Standardsortiment an Substraten abzugrenzen. Die Gründer des Wiener Designstudios CIN CIN Jasmin Roth und Stephan Göschl sind diesbezüglich für kreativen Input stets dankbar: «Die Themen Drucktechnik und Materialien sind so umfangreich und komplex. Zwar kennen wir uns als Designer in dem Bereich aus – unser Wissen kann aber natürlich nicht mit dem derjenigen mithalten, die damit tagtäglich zu tun haben. Es ist schon sehr wertvoll, wenn die ­Druckerei hier up-to-date ist und auch von sich aus Vorschläge einbringt oder auf Innovationen hinweist.»

Nicht selten werden ursprüngliche Designkonzepte nach solchen Beratungsgesprächen sogar vollkommen auf den Kopf gestellt, wie Erich Brechbühl verrät: «Oft habe ich nur eine vage Idee, welches Papier ich verwenden möchte, weshalb ich schon früh mit der Druckerei kommuniziere. Meistens weiss die am besten, welches Papier sich im Druck gut verhält. Und auch, bei welchem das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt – was für meine Kunden ein wichtiges Kriterium ist».

Die Verpackung für die ­Patisserie L’Amour du Pain kommt nicht zuletzt durch die Anregung der Druckerei Bösmüller (Stockerau) ohne Klebstoff aus; Designstudio CIN CIN, www.cincin.at

Alles eine Frage der Technik?

Bei vielen Cover-Produktionen, die ich selbst begleiten durfte, lautete mein Lieblingssatz von der jeweiligen Druckerei: «So geht es nicht, aber wir könnten …». Denn ich wusste ja im Vorfeld, dass alle exzellent drucken können – ob jemand aber auch eine kreative Idee versteht, Lust hat, zu experimentieren und mit all seinem handwerklichen Können einen guten Entwurf zum Leben erwecken möchte, das stellte sich immer erst in den konkreten Besprechungen heraus.

Eine solch bemerkenswerte Fusion von ­Inhalt und Form ist dem hier gezeigten Künstlerbuch von Kira van Eijsden abzulesen, welches das DT Druck-Team realisierte: «Die Kundin hatte per se viele Ideen und wir waren bei diesem Projekt Sparringspartner. Somit erachte ich die Entscheidungen als Konsens sowie guten Mix der Meinungen und Einflüsse beider Parteien. Die übergeordnete rebellische Grundmessage verstärkten wir dabei durch die gezielte Verwendung von Neon-Pantone-Farben und dem Einsatz von Neon-Faden – auch für den Stilbruch von Naturpapier und gussgestrichenen Umschlagsmaterialien entschieden wir uns gemeinsam im Austausch.»

Eine ähnliche Erfahrung liegt auch der Verpackung für die Patisserie L’Amour du Pain zugrunde, die CIN CIN entwickelte: «Wir hatten die Idee einer Verpackung, die sich beim Abheben des Deckels von alleine öffnet und banden die Druckerei schon in einer frühen Prototyping-Phase ein. Dass wir die Böden der Schachteln nicht kleben, war für die Druckerei irgendwie eine klare Sache und für uns ein wertvoller Input. Das hat uns wiederum angespornt, noch weiterzugehen und wir regten an, auch die Deckel nicht zu kleben, sondern zu stecken. So lassen sich diese als Flachware besser lagern und weniger Kleber ist zudem gut für die Umwelt». Ein fruchtbares Ping-Pong-Spiel also, das mich auch gleich zu einem weiteren Punkt führt …

«Bei solchen Projekten wie der Realisierung des aufwendigen Künstlerbuches für Kira van Eijsden sind Kontrollschritte und eine enge Kommunikation sehr wichtig», so Andreas Wolfensberger, Inhaber DT Druck-Team (Wetzikon), www.druckteam.ch

Inspiration durch Nachhaltigkeit

Das Thema unserer Tage, brisant und zugleich voller Möglichkeiten: Echte Nachhaltigkeit, denn die Zeit des ­Greenwashing scheint endgültig vorbei zu sein. Der politische, vor allem aber gesellschaftliche Druck ist zu gross – Konsumenten fordern ein Umdenken inzwischen ebenso gnadenlos ein wie der gut ausgebildete Nachwuchs, der sogar Gehaltsabstriche in Kauf nimmt, wenn er dafür bei den «Guten» arbeiten kann. Viele Druckunternehmen sind ohnehin bereits zertifiziert oder durchlaufen gerade den Prozess dorthin; nun gilt es, diesen Mehrwert auch nach aussen zu kommunizieren und sich als kompetenter Partner für nachhaltige Produktionen zu positionieren.

Dabei wird es künftig nicht mehr ausreichen, seinem Kunden ein Recyclingpapier zu empfehlen. Wer glaubhaft vermitteln kann, das komplexe Thema Nachhaltigkeit verinnerlicht und selbst konsequent umgesetzt zu haben, wird als Ideengeber für ökologische Produktionen bei Kreativen ganz sicher nicht nur akzeptiert, sondern ­sogar äusserst willkommen sein!

Beratung gut, alles gut

Versöhnliche Zahlen bietet der Canon-Report übrigens auch: So gaben 60 Prozent der Befragten an, «sich nicht für den günstigsten Anbieter zu entscheiden» und stolze 80 Prozent, dass sie «eine langfristige Beziehung zum Druckpartner pflegen». Und was ist das Erfolgsrezept einer glücklichen Beziehung? Miteinander reden, reden, reden! Kreuz und quer und gerne entgegengesetzt zur vermeintlich richtigen Fahrtrichtung … das ist nicht nur zielführend, sondern macht richtig Spass! 

  • Autor Bettina Schulz
    Bettina Schulz ist freiberufliche Texterin und Journalistin in München. 18 Jahre lang leitete sie als Chefredakteurin das internationale Fachmagazin novum World of Graphic Design und initiierte in dieser Zeit auch die alle zwei Jahre stattfindende Creative Paper Conference in München. Zudem ist sie Jurymitglied verschiedener (internationaler) Designwettbewerbe wie beispielsweise dem Red Dot Communication Design, dem Design Preis München oder dem IIIDaward und hielt bereits zahlreiche Vorträge. Zu ihren Kunden zählen Verlage, Agenturen und Kreative sowie Unternehmen aus der Wirtschaft. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Bereichen Papier, Druck und Veredelung. www.bettina-schulz.de.
  • Rubrik Premium Print
  • Dossier: Publisher 3-2021
  • Thema Premium-Drucksachen

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