Geistreiches Gestalten in Runde 5

Lebensechte Fantasy-Figuren, schrille Designs und Letterings, atemberaubende Zeichnungen, stilechtes Gepinsel: Für Kreativschaffende auf dem iPad wurde 2011 die Procreate-App gelauncht. Zehn Jahre später steht das Tool in seiner fünften Fassung in den Start­löchern. Meike Teichmann stellt in ihrem umfassenden, neuen Handbuch nicht nur die bewährten Funktionalitäten der Anwendung vor, sondern auch die Neue­rungen von Procreate 5. Ein Blick in ihr Buch zeigt, dass sich z. B. Farben auf vielfältige Weise mit der App anpassen lassen.

Farbanpassungen
Die ersten vier Punkte unter den Anpassungen dienen dazu, deine Farben im Bild gezielt zu verändern und einzustellen. Auf unterschiedlichen Wegen kannst du diese Anpassungen vornehmen.

Farbton, Sättigung, Helligkeit
Wir schauen uns jetzt an, was passiert, wenn du Farbton, Sättigung, Helligkeit auf die komplette Ebene anwendest, tippe also als Erstes auf Ebene.

Unten auf dem Bildschirm erscheinen drei Regler, an denen du ziehen kannst, um die Farbwerte, die Sättigung oder die Kontraste zu verändern. Alle Farben werden entsprechend verändert. Machst du das Ganze nur mit dem Stift und wendest den Effekt nicht auf die komplette Ebene an, lässt sich nur der entsprechende Bereich farblich verändern, den du mit deinem Pinsel markierst.

Farbbalance
Bei der Farbbalance greifst du etwas anders in die Farben deines Bildes ein als eben gezeigt. Du hast hier die Möglichkeit, gezielt zum Beispiel nur die Cyanwerte im Bild zu verstärken oder sie zu reduzieren, indem du den entsprechenden Regler nutzt. So kannst du in feinen Schritten die Farben sehr gezielt verändern oder etwas nachbessern. Das Ganze wirkt sich dann je nach Einstellung, die du rechts unten in der Leiste vornimmst, auf die Glanzlichter, Schatten oder die Mitteltöne aus, also die Farbtöne, die zwischen hell (Glanzlichter) und dunkel (Schatten) liegen.

Auch bei der Farbbalance kannst du die ­Änderung wieder partiell mit dem Pinsel ­anlegen oder sie auf die ganze Ebene anwenden. Wenn nur ein Teil des Bildes auf der entsprechenden Ebene liegt, änderst du nur dort die Farbbalance. Mehr zu Ebenen findest du in Kapitel 8.

Kurven
Mit dieser Funktion wirst du ebenfalls in die Farbkanäle und Tonwerte des Bildes eingreifen und anhand eines Kurvendiagramms die Farben verändern.

Arbeitest du in der Einstellung Gamma, beeinflusst das die Tonwerte des Bildes insgesamt. Bist du im Rotkanal, wird den bestehenden Farben Rot hinzugefügt oder abgezogen. Du beeinflusst dann also nur einen Farbkanal isoliert von den anderen beiden.

Im Diagramm ist die Linie zunächst diagonal. Du kannst jetzt an jeder beliebigen Stelle einen Knotenpunkt hinzufügen und diesen verschieben. Schiebst du ihn hoch, beeinflusst das die Helligkeit der jeweiligen Tonwerte, schiebst du ihn runter, die Dunkelheiten. Und schiebst du den Knotenpunkt zur Seite, wirkt sich das auf den Kontrast aus. Bis zu elf Knotenpunkte sind möglich, durch Antippen lassen sich bestehende Knotenpunkte auch jederzeit wieder löschen.

Das Diagramm zeigt dir ausserdem in einem Histogramm die Farbverteilung im Bild an. Wie viel Rot, Grün und Blau ist vorhanden und wo überlappen sich die Tonwerte? Dann mischen sich auch die Farben im Histogramm. Weisse Stellen bedeuten, dass in diesem Bildbereich alle drei Kanäle gleichermassen aktiv sind.

Am einfachsten wirst du die Auswirkungen auf dein Bild sehen, wenn du ausprobierst, wie sich die Farbwerte bei einer ­Änderung verhalten. Bei jedem Motiv hat eine Änderung zum Beispiel im Rotkanal andere Auswirkungen, daher ist es schwer, im Vorfeld zu sagen, welche Anpassung zu welchem Ergebnis führt.

Verlaufsumsetzung
Mit dieser Funktion bietet Procreate dir die Möglichkeit, einen Verlauf über dein Bild zu legen. Das bedeutet, dass alle Farben in die Verlaufsfarben geändert werden. Das kann eine schöne Sache sein, wenn man der Illustration einen Farbtouch geben will oder sie in eine reduzierte Farbpalette umwandeln möchte. Du kannst so auch deine in Grau­stufen angelegte Zeichnung einfärben.

Um einen Verlauf auszuwählen, scrollst du einfach unten durch die voreingestellten Verläufe in der Bibliothek, sie werden direkt auf das Bild angewendet. Mit einem Fingertipp auf den Bildschirm erscheint wieder das kleine Auswahl­menü mit dem Punkt ­Vorschau, hältst du den gedrückt, siehst du den Unterschied zu vorher.

Die Verläufe, die bereits voreingestellt sind, bieten dir schon viele sehr schöne Farbmischungen. Es gibt aber ausserdem die Möglichkeit, den Verlauf selbst anzupassen. Indem du auf den entsprechenden Verlauf tippst, wird er dir unten als Balken angezeigt. Tippst du auf die zwei Quadrate zu Beginn und am Ende des Verlaufs 1, öffnet sich die Farbpalette, und du kannst die Verlaufsfarben verändern. Tippst du einfach irgendwo auf den Verlauf, erhältst du ein weiteres Quadrat 2, und eine neue Farbe lässt sich in den Verlauf einfügen. Hältst du eines der kleinen Quadrate länger gedrückt, kannst du es löschen. Bist du mit allen Änderungen zufrieden, tippe auf Fertig.

Hier siehst du auch, wie der Verlauf funktioniert: Die Farbe links im Balken zeigt dir an, wie deine dunkelsten Stellen und die Schwarztöne im Bild eingefärbt werden, ganz rechts ist die Farbe für die ganz hellen Bereiche. Die Farben dazwischen verteilen sich auf die Mitteltöne zwischen hell und dunkel.

In der Verlaufsbibliothek darfst du über das Pluszeichen auch einen eigenen Verlauf erstellen. Füge in den Schwarzweissverlauf durch Tippen auf den Verlaufsbalken ein neues Farbkästchen hinzu, tippe es wieder an und wähle deine Farbe aus. So kannst du eine eigene Mischung erstellen. Ein Anwendungsbeispiel für die Verläufe findest du in Abschnitt 14.5. 

Procreate
von Meike Teichmann
Das Buch ist für 29.90 Euro beim Rheinwerk Verlag erhältlich.
286 Seiten, 2021, broschiert, in Farbe
Rheinwerk Design,
ISBN 978-3-8362-7994-9
rheinwerk-verlag.de