Wir sagen immer «einfach drauflegen und ausprobieren»

Als 1997 bei TheMediaHouse die erste Digitaldruckmaschine installiert wurde, begann die Digitalisierung des Unternehmens. Da es aber keine geeignete Lösung auf dem Markt gab, um Papier digitalisiert zu schneiden, entwickelten sie aus der Not ein eigenes System für die Laserbearbeitung – den Motioncutter. In diesem Interview erzählt Jörg Scheffler von den Anfängen sowie dem Stand der Dinge und beleuchtet auch kurz die Zukunft seines ­Systems.

PUBLISHER: Wie sind Sie als erfahrener Druckdienstleister denn auf den Laser gekommen?

Jörg Scheffler: Aus der Not heraus. Wir hatten sehr früh in Digitaldruck und die Digitalisierung investiert und mit den vier Bereichen MediaConcept, MediaData, MediaDesign und MediaPrint als TheMediaHouse massgeschneiderte Konzepte erarbeitet.

Doch wie konnten wir digital schneiden? Es gab kein passendes System, ich habe aber die Lasertechnologie entdeckt. So habe ich einen Laserkopf gekauft und eine eigene Maschine entwickelt. Wir hatten noch ein Schrägband, darüber haben wir den Laser gebaut, eine Absaugvorrichtung sowie eine Einhausung. Nach acht Monaten funktionierte die erste Version.

So ist Motioncutter entstanden?
Ja, wir arbeiteten so ca. zwei Jahre. Doch durch das Schrägband haben wir wegen der Papierführung jeweils 9 cm von jedem Druckbogen verloren. Dies führte uns zum Bandsystem, einem endlos verschweissten Drahtgewebe. Wir haben die Patente für die Neuheit eingetragen.

Für die Marktversion haben wir ein Unternehmen mit einer Risikoanalyse beauftragt und zeitgleich einen professionellen Konstrukteur eingestellt.

Wie arbeiten die Lasersysteme ­grundsätzlich und welche verschiedenen Lasertechnologien gibt es?
Es gibt die klassischen XY-Systeme, die man mit einem Plotter vergleichen kann. Statt eines Messers fährt ein Laserstrahl den Weg ab. Wir verwenden aber ein Spiegelsystem, damit wird der Laserstrahl umgelenkt. ­Dadurch reichen minimale Bewegungen des Spiegels, wir sind viel dynamischer und 100 bis 150 mal schneller als ein XY-System. Mit einem XY-Laser schafft man höchstens 2 Meter pro Sekunde, mit unserem Laser sind es bis zu 18 Meter, wobei die Dynamik im Mikrosekundenbereich die eigentliche Prozessbeschleunigung darstellt.

Unsere Mitbewerber nutzen oft keine eigene Software, sie adaptieren vielleicht diejenige des Spiegelherstellers, das hat aber mit einer qualifizierten Branchenlösung nichts zu tun.

Wie einfach oder wie komplex ist die ­Bedienung eines Motioncutters?
Wir arbeiten mit Substrat- und Formatprofilen, die jemand erstellen muss. Aber die Anlage starten, Jobs laden und produktiv werden kann jeder, so nach 10 Minuten Einarbeitung. Im vollautomatischen Modus werden alle Daten und Jobtickets vom Workflow-System an die Maschine übergeben.

Der Operator drückt nur auf den Knopf «Start Automatic Mode». Dann liest der Barcode-Scanner jeden Bogen, über die XML-Datei aus dem Workflow-System wird das Papierformat und das Papierprofil übergeben und die Datei automatisch aufgerufen. Jeder Bogen kann so eine individuelle Kontur haben oder auch ein anderes Substrat sein. Volle Flexibilität auf Knopfdruck.

Es gibt also auch eine Anbindung an das MIS-System?
Ja, wir haben auf XML gesetzt und jedes System, das XML kann, kann an unser System angebunden werden.

Wie viele verschiedene Motioncutter und Optionen gibt es?
Wir haben zwei Versionen, der Laser ist der gleiche. Eine Version hat eine grössere ­Bogenbreite von 585 mm, der Motioncutter 23 Inch. Die klassische Version ist die Maschine mit 20 Inch 530 × 750 mm als Bogenformat.

Als Optionen haben wir ein Kamerasystem zur Positionsdetektion, den Vollautomatik-Workflow mit Barcode-Lesung, eine Entgittereinheit und das Schuppenband.

Gibt es auch verschiedene ­Bearbeitungsmodi mit unterschiedlicher Qualität?
Die Qualität ist in allen Bearbeitungsmodi dieselbe. Wir haben ein Drei-Achs-Spiegelsystem mit einer Z-Linse, die den Fokuspunkt nachführt und die Fokusebene auf bis zu 150 mm Höhe stellt. Das System arbeitet flexibel und sehr wirtschaftlich ohne den digitalen Workflow unterbrechen zu müssen. Zudem erkennen Prüfalgorithmen, ob Seiten vertauscht worden sind. Wir produzieren nicht nur, wir prüfen auch.

Sie setzen also auf die Flexibilität für einen Markt, der voll auf Individualisierung setzt?
Ja, wir können mit unserem Bandsystem fast alles über den Anleger zuführen, von Dünndruckpapier mit 54 Gramm bis hin zu 600 Gramm, je nach Volumen. Ebenso Etiketten oder Labelpapier.

Wir können im Statikmodus nicht nur dreidimensionale Objekte mit einer Höhe bis zu 150 mm verarbeiten, im Start-Stop-Modus können wir auch superfiligrane aufwendige Motive ausschneiden. Mit Statikmodus, Start-Stop-Modus und dem Motion-Modus decken wir alle Bedürfnisse ab.

Zudem ist der Motioncutter nicht nur ein Stand-Alone-Gerät, er kann als Inline-Projekt direkt an die Auslage des Digitaldruckgeräts angehängt und an die Einlage einer Weiterverarbeitungsmaschine angeschlossen werden.

Wie viele Motioncutter sind installiert?
Wir sind bei 90 Systemen in über 30 Ländern. Die meisten bei Commercial Printers, dann viele Online-Printer im Endkundenbusiness und Direct Mailer.

Was kann man alles über den Motioncutter laufen lassen statt über das Stanzsystem?
50 – 80 % der Aufträge kann man heute über den Motioncutter statt über das Stanzsystem laufen lassen.



Warum setzen Sie mit KonicaMinolta auf einen Vertriebspartner?
Wir sind 2014 mit dem Direktvertrieb gestartet, doch dann stiessen wir im Ausland an Grenzen, besonders beim Service. KonicaMinolta ist unser Reseller, sie übernehmen Vertrieb und Service, wir sind verantwortlich für Entwicklung und Produktion.

Was soll die Maschine in Zukunft noch können?
Die Laser-Einheit ist zuverlässig und erprobt, jetzt geht es um Lösungen davor und danach. Unser Denken ist modular, alles kann nachgerüstet werden – ein hoher Investitionsschutz. Auch beim Packaging machen wir vorwärts, Anfang 2022 ist das spruchreif.

Automatisierung gehört auch zur Flexibilität, sowas wie Predictive Maintenance dank IoT. Wir denken auch an einen völlig autonom laufenden Motioncutter, der vom Workflow-System gefüttert wird, den Druckbogen einzieht und das fertig geschnittene Produkt dann verpackungsgetreu zuordnet.

Es soll also ein intelligentes System sein, das die Themen Schneiden und Finishing mit Schnittstanzen, Gravieren, Perforieren und Mikroperforieren vereint. Wir glauben, dass jeder Digitaldrucker, der ein hohes Finishing Volumen hat, den Motioncutter prüfen sollte. Das muss jeder einmal für sich durchrechnen.

Wenn jeder Digitaldrucker ab einer bestimmten Grösse ein Laserbearbeitungssystem haben muss, warum sollte er den Motioncutter wählen?
Wir glauben, dass wir die einzige Lösung haben, die alles berücksichtigt, da können die Mitbewerber nicht mithalten. Sie konzentrieren sich auf eine Nische, zum Beispiel den Packaging-Markt. Wir decken hingegen das gesamte Spektrum ab.

Wie viele Mitarbeiter hat das ­Unternehmen?
Wir haben 20 Mitarbeiter, die Produktion ist ein Manufaktur-Betrieb mit zwei bis drei ­Anlagen pro Monat.

Ist das kurzfristig skalierbar?
Ja, vielleicht nicht kurzfristig, die Lieferketten sind teilweise zusammengebrochen. Aber ja, derzeit können wir die Produktion hochfahren, darauf sind wir vorbereitet.

Was sind die Investitionskosten für einen Motioncutter?
Hängt von Zöllen und Transportkosten ab, zudem möchte ich nur ungern Zahlen nennen. Nehmen sie aber mal 350 000 Euro, das kommt in etwa hin.

Welche Materialien ausser Papier und Holz kann der Motioncutter sonst noch bearbeiten?

Es ist einfacher aufzuzählen, was nicht geht, PVC zum Beispiel oder Metall. Auch funktioniert es bei hochreflektierenden Materialien wie Spiegel oder CD nicht.

Die Bandbreite ist immens und das sehen unsere Kunden auch als Zusatznutzen. Der Laser hat genug Power, er kann auch 2,5 cm dickes Holz durchschneiden. Gleichzeitig lässt er sich sehr fein einstellen um zum Beispiel Gravuren auf Werbemitteln auszuführen. Dafür gibt es den Statikmodus, wo das Objekt manuell zugeführt wird.

Wir sagen immer «einfach drauflegen und ausprobieren».

Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus?
Es gibt nur wenige Player in diesem Markt. Mit uns ist zu rechnen, denn wir kommen aus dem operativen Geschäft. Wir gehen zudem spielerisch mit dem Thema um und haben mit KonicaMinolta im Vertrieb einen starken Partner. Wir sind sehr zuversichtlich.

Vielen Dank für das Gespräch! 

  • Autor Alain Zanolari
    Als Redaktor redigiert Alain Zanolari beim PUBLISHER Fachartikel und schreibt eigene Texte für das Fachmagazin und publisher.ch.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 4-2021
  • Thema Motioncutter

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