Eigenständig, eingebunden und elektronisch

Was bringt das Jahr 2022 der Publishing-Szene? Wir beleuchten mögliche Entwicklungen, die Content-Erzeuger beachten sollten und lassen verschiedenste Anbieter aus der Landschaft des ­Publizierens zu Wort kommen.

Veränderung, wo man auch hinschaut: Die Publishing-Landschaft wurde in den letzten Jahren ordentlich durchgerüttelt, neu formatiert und agiler aufgestellt – oder, um den neudeutschen Trendbegriff zu ­bemühen: Es hat eine Disruption stattgefunden.

Und die neuesten gesellschaftlichen Erscheinungen gepaart mit anhaltendem technologischen Fortschritt scheinen dafür zu sorgen, dass es auch eine Weile noch so bleibt. Höchste Zeit, einige neue Phänomene und potenziell aufkommende Trends des Publizierens unter die Lupe zu nehmen.

Audiobücher sind weiter auf dem Vormarsch.
Bild: Lena Kudryavtseva/unsplash.com

Mit Autonomie zum Buch
Wer schon immer mit dem Gedanken gespielt hat, ein eigenes Buch zu veröffentlichen, aber dies aus diversen Gründen nicht in die Tat umsetzen konnte, bekommt dank dem Self-Publishing eine veritable Möglichkeit: Bücher oder auch E-Books ohne den Umweg über einen Verlag zu publizieren, ist inzwischen ohne Weiteres möglich – dies auch dank Dienstleistern, die Hilfestellung in Sachen Lektorat, Covergestaltung und Veröffentlichung und Druck bieten, ohne allzu sehr in den kreativen Schreibprozess einzugreifen.

Die Vorteile des eigenständigen Publizierens sind offenkundig: Der ­Autor hat beim Schreiben und Gestalten des Buches die komplette schöpferische Freiheit, behält die Kontrolle und die Rechte des geistigen Eigentums bei sich und ist hinsichtlich Veröffentlichung nicht an eine Deadline gebunden.

Aber: Das Self-Publishing bringt – wie so oft in der Selbständigkeit – viel Arbeit mit sich: Wer eigenständig verlegt, muss sich logischerweise um all die Tätigkeiten kümmern, die mit der Veröffentlichung eines Buches standardmässig anfallen. Dazu gehören beispielsweise die Administration, die Abwicklung des Verkaufs, das Marketing oder auch der Support.

Digital und Audio auf dem Vormarsch
Es stellt sich bei unbestreitbar schwindenden Absätzen im Buchmarkt aber auch die Frage, ob es denn wirklich ein gedrucktes Werk sein muss. Die fortschreitende Technologie hat in den letzten Jahren «alternative» Buchformen ins Leben gerufen, die zeigen, dass längst nicht mehr nur dicke, schwere Schmöker konsumiert werden: Digitale Bücher, allen voran E-Books, machen global betrachtet durchschnittlich rund 15 – 25 % ­aller Buchverkäufe aus – Tendenz steigend.

Audiobooks auf der anderen Seite erfreuen sich ebenfalls immer grösserer Beliebtheit. Und weil immer mehr grosse Player diese Sparte für sich entdecken und entsprechend investieren, ist hier auch in Zukunft mit Wachstum zu rechnen: Erst im November 2021 hat der Audio-Streaming-Dienst Spotify, eigentlich in der Musik und im Podcast-Business zuhause, eine erste Duftmarke im Audiobuch-Kosmos hinterlassen – und die Kaufabsicht des Hörbuch-Distributors Findaway kundgetan. Dies, so Spotify, um «die eigene Position im Hörbuchmarkt zu stärken».

Bücher-Netflix
Das Buch ist also beileibe nicht mehr nur ein physisches Erlebnis, sondern existiert auch «gasförmig» – praktisch formlos in der digitalen Welt. Da überrascht es nicht, wenn sich auch die alteingesessene Struktur eines Wälzers – beginnend mit Vorwort und Danksagung, dem Spannungsaufbau während zahlreicher Kapitel, der am Schluss in ein Happy End oder einen unerwarteten Plot-Twist mündet – wandelt.

Ein Trend, der sich einem eher neuen Buch-Format bedient, sind beispielsweise «serialisierte» Storys. Das sind Geschichten oder Comics, die analog einer TV-Reihe auf mehrere Episoden aufgebaut sind. Lesen respektive veröffentlichen lassen sich diese Erzählungen dann auf eigens dafür entworfenen Plattformen wie tapas.io oder wattpad.com. Webpages dieser Art sind hierzulande aber noch relativ unbekannt.

Es ist davon auszugehen, dass die Publishing-Szene sich in 2022 weiter in digitale Sphären verlagert.

Keine Zeit ist keine Ausrede
Weil Indie-Autoren dank Self-Publishing den Zugang zur breiten Masse finden können und gleichzeitig Bücher in jeder erdenklichen Form existieren (und damit in unserem Leben auch präsenter sind), kann einem die schiere Menge an verfügbaren Machwerken schnell erdrücken oder überrumpeln. Dieser Problemstellung nehmen sich Websites wie Blinkist oder MentorBox an, die in den vergangenen Jahren substanziellen Zulauf verbuchen konnten: Der Clou von solchen Diensten ist es, die Hauptaussagen von Sachbüchern prägnant zusammenzufassen. Im Falle von Blinkist werden die zentralen Punkte einer Publikation mithilfe von Audio- und Textdateien, sogenannten Blinks, resümiert. Die dadurch gewonnene Zeit kann dann wiederum für weitere Zusammenfassungen – oder auch ganz andere Aufgaben – verwendet werden.

Social-Media-Leseratten
Wir bleiben noch ein wenig im digitalen ­Bereich und begutachten das wohl neueste Phänomen in der Publishing-Sphäre, ­BookTok. Die Untersparte respektive Subcommunity der Social-Media-Plattform TikTok versteht sich auf das Rezensieren, Lesen, Diskutieren und Witzeln (und manchmal tatsächlich auch Weinen) über Bücher aller Art – und ist dabei ungemein erfolgreich. Der Hashtag, unter welchem die entsprechenden Kurzvideos zu finden sind, weist inzwischen über 35,7 Billionen (Stand: 21. Januar 2022) Aufrufe aus.

Allgemein ist davon auszugehen, dass sich die Marketing-Bemühungen von Autoren oder Verlagen noch weiter in die digitale Welt verschieben. So etwa durch Influencer-Werbung oder virtuell abgehaltene Buch-Vernissagen.

Mit synthetischem Hirnschmalz
Apropos Marketing: Das Bewerben und Näherbringen von Büchern und Zeitschriften könnte in naher Zukunft von einer KI (Künstlichen Intelligenz) übernommen werden. Diese Technologie kann beispielsweise eingesetzt werden, um Inhalte bei ­Newslettern zu segmentieren und ­personalisieren – und dem Leser so eine Auswahl an Produkten, Texten & Co. zu empfehlen, die besser mit seinen Interessen korreliert.

Mit Blick auf die Publishing-Branche kann (und wird teilweise bereits) KI auch die Textkontrolle, die ­Übersetzung oder Formatierung eines Schriftstückes sowie die Plagiatsprüfung übernehmen. Aber auch für eine bessere Wahrnehmung im Internet – Stichwort SEO und Auto-Tagging – kann die Künstliche Intelligenz Verlagen und Autoren künftig unter die Arme greifen. Im gleichen Atemzug mit KI ist auch die NFT-Technologie zu nennen. Es ist denkbar, dass Autoren ihre Werke und E-Books mit fortschreitender Zeit vermehrt in Form eines Non-Fungible ­Tokens auf den Markt bringen. Der Vorteil: Durch die Tokenisierung wird eine künstliche Knappheit erschaffen – und das verhilft einem Buch zu mehr Exklusivität.

Lesestoff von allen – und für alle
Abschliessend betrachten wir einen potenziellen Trend, der seine Wurzeln nicht in der Technologie, sondern dem gesellschaftlichen Wandel findet: Im Sinne von mehr ­Inklusion und mehr Diversität werden zukünftig zunehmend Werke über die Ladentheke gehen oder auf dem E-Book-Display flimmern, deren Pro- und Antagonisten aus verschiedensten ethnischen Gruppen stammen.

Das gleiche lässt sich über das Bewerben von Büchern & Co. sagen – auch im Marketing von Publikationen wird Vielfältigkeit und Integration vermehrt kommuniziert und somit ein beherrschendes Thema werden.

Ein anderer Blickwinkel – das sagen die Anbieter von Publishing-Lösungen:

Digitalisierung als Chance
Die Digitalisierung schreitet in der Publishing-Branche weiter voran. Neben klassischen Print-Produkten entstehen immer neue, digitale ­Plattformen, die perfekt auf die Bedürfnisse der Leserschaft zugeschnittene Inhalte bieten. Damit rücken nicht nur starker Content, sondern neue, innovative Technologien und digitale Prozesse in den Vordergrund. Diesen ­Herausforderungen müssen Medienhäuser und Verlage effizient begegnen. Das erfordert sowohl Änderungen an Organisationsstrukturen als auch internen Prozessen.
Matthias Kraus, CEO Xpublisher

Die Zukunft ist Multi-Channel
Einer von vielen Publishing-Trends 2022 ist die Unterstützung und Belieferung von immer mehr Plattformen, Medien und Ausgabekanälen. Um dem gerecht zu werden, ist vor allem eine zukunftssichere und flexible Publishing-Lösung notwendig, die sich laufend an die Veränderungen im Markt und in der Medienwelt anpasst. Damit einher geht meist die zentrale Verwaltung aller Assets und der standort- und abteilungsübergreifende Einsatz eines gemeinsamen Content Hubs.
Andreas Nentwig, Leiter Marketing InterRed

Flexibilität und Innovation
In einem sich rasant bewegenden Publishing-Umfeld ist es besonders wichtig, sich rasch neuen Gegebenheiten anpassen zu können. Gerade die Möglichkeit, mittels weniger Klicks ganze Produktkataloge, Flyer oder sonstige Dokumente mit Inhalten aus verschiedenen Datenquellen automatisch zu befüllen, spart enorm viel Zeit und Ressourcen. Innovative Softwarelösungen wie die von CI HUB und Xactuell können dabei einen ­signifikanten Wettbewerbsvorteil verschaffen. Hohe Kosten und mühseliges manuelles Abfüllen der Daten ist somit Schnee von gestern.
Roland Kannappel, CEO brix IT Solutions

Automatisierung wird matchentscheidend
Sinkende Druckauflagen bis hin zur Auflage 1, also Personalisierung oder Druck on Demand sind wirtschaftlich nur mit einem hohen Automatisierungsgrad darstellbar. Die Industrialisierung und Automatisierung der Produktion wird deshalb geschäftskritisch und ist zunehmend auch im «Upper Management» angesiedelt.

Ein weiterer Trend ist natürlich die Doppelver­wendung von Content in Print und App. Viele Verlage wollen das gleiche PDF, das zuvor für den Druck produziert wurde, dafür anpassen, was technisch gar nicht so einfach ist. Hier wird vielerorts ­fortwährend an Verbesserungen gearbeitet.
Dietrich von Seggern, Managing Director callas software

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