Winterklänge – Reproduktion von Schneebildern

Statt den trüben Winter in der Stube zu erdulden bin ich oft in den Hügelzügen der Zentralschweiz unterwegs, zwischen 800 und 1500 Meter. Die Kombination von Nebel und Schnee verspricht traumhafte Fotos.

Walchwilerberg, Zug. Im Nebel die Höhenzüge um das Michaelskreuz.

Ein prächtiger Wintertag, ich fahre auf den Walchwilerberg hoch über dem Zugersee mit Fernsicht auf Rigi und Pilatus. Weit unten eine dicke Nebelsuppe, beste Voraussetzungen für ein Wintershooting. In der sonnigen Schneelandschaft ist immer genug Licht, und ich werde keine Verwackelungsprobleme haben. Deswegen setze ich die Kameraeinstellung auf Blendenvorwahl, stelle die Blende von Fall zu Fall ein. Zudem wähle ich 100 ISO. Bei Landschaftsaufnahmen spielt die Schärfentiefe weniger eine Rolle, so kann ich mit der kritischen Blende 8 arbeiten. Die bringt die optimalste Schärfe.

Ein Sonnenstern wie oben kriegst du hin, wenn du die Blende schliesst (f/16 bis f/25). Gestalterisch sind die Sonne und die beiden Personen in der Randzone positioniert, der Blick nach rechts öffnet sich und schweift in die Ferne.

Bei der Reproduktion von Schneefotos sind drei Problemfelder zu beachten. 1. Das Schneeweiss ist heikel, weil Schnee je nach Hintergrund (Papierweiss, Screen, Beamer) leuchtender oder stumpfer aussieht. Die hellsten Bildstellen werden als Lichter bezeichnet, sie müssen Zeichnung enthalten, sonst «frisst der Schnee aus».
2. Die Lichtstimmung verändert sich im Lauf des Tages, über Mittag ist es gleissend weiss, gegen Abend wird die Stimmung golden, rosa und später bläulich. Auch die Farbe des Himmels verändert sich dramatisch.
3. Die Schattenzeichnung wird durch die Digitalkameras ins Blaue verstärkt, weil der blaue Himmel reflektiert. Hier muss die Farbsättigung zurückgenommen werden. Der erste Eindruck von Landschaftbildern im Winter ist jeweils eher etwas dunkel, falls ich mit Automatik gearbeitet habe. Ich bearbeite meine Fotos primär in den beiden Programmen Lightroom und Photoshop. In Lightroom benütze ich die Grundeinstellungen und die supergute Maskentechnik, bei der mehrere Masken übereinandergelegt appliziert werden können, um partiell ins Foto einzugreifen: Aufhellen, Abdunkeln, Entsättigen.

Fünf unterschiedliche Tonwertbereiche: Links das Original, rechts habe ich den Vordergrund weiss aufgehellt und die Schattenzone entsättigt und ebenfalls aufgehellt. Die Lichtstimmung links lässt einen späten Nachmittag vermuten.

Ich kontrolliere auf dem Screen, ob das Bild der Lichtstimmung entspricht, die ich beim Shooting vorgefunden habe. Natürlich ist das gleissende Weiss des Schnees oder der grosse Kontrastumfang bei Gegenlichtaufnahmen direkt in die Sonne auf dem Screen nicht zu bewältigen, und im Druck schon gar nicht. Aus diesem Grund ist es nicht sinnvoll, Fotos auf dem Screen mit solchen im Druck zu vergleichen. Wir haben es mit anderen Farbräumen zu tun (RGB und CMYK) – der Screen basiert auf einer Hintergrundbeleuchtung, der Druck reflektiert die Farben. Ein direkter Vergleich im Sinn von «Was ist besser oder schöner?» ist nicht statthaft.

Bei der Schneereproduktion sind in Ligthroom (oben) und Photoshop (unten) diese Regler wichtig. A: Die Belichtung soll so hell wie möglich eingestellt werden, dass die Lichterzeichnung nicht ausbricht. B ziehst du nach links und C nach rechts. Mit D kannst du generell die Zeichnung markant erhöhen. Die Gradationskurve musst du in den Lichtern ansteilen (E) und in den Mitteltönen etwas abflachen.

Eine ganz andere Frage ist die, ob ich dem Bild noch einen ultimativen Kick auf den Weg geben soll oder ob ich mich an die Vorlage der Natur halten werde. Diese Frage treibt alle Fotografinnen und Fotografen um. Von der Bildoptimierung bis zur Manipulation im Sinn von Täuschung ist es ein kleiner Schritt. Ich finde, der mangelhaften Kameratechnik hat die Softwareindustrie nicht umsonst mächtige Werzeuge zur Seite gestellt, die ein Bild ganz wesentlich verändern können. Ob nun ein Abendhimmel eine Spur wärmer dargestellt wird, der Himmel blauer oder entsättigter, die Wolken etwas dramatisiert betont werden, ist auch eine künstlerische Frage, die der Urheber allein entscheiden darf.

Die Drohnenpilotin richtet den Blick zu ihrem Spielzeug hinauf, während ich die Hintergrundszenerie im Fokus habe. Dunkle Wolken verdecken den Pilatus, die Sonne bricht zwischen den Wolkenfetzen durch und wirft ihre warmen Strahlen auf den nebelbedeckten Vierwaldstättersee.

Stimmungsbilder
Im Winter sind Raueis oder Raureif in Bezug auf die Lichtstimmung besonders interessant. Einzeln stehende Bäume bilden weisse Skulpturen, die sich vor dem stahlblauen Himmel absetzen. Ich bin immer wieder vom Nebel und der Nebelgrenze fasziniert. Sie bescheren mir unglaubliche natürliche Lichtspiele, vor allem bei tiefstehender Sonne ober bei Sonnenaufgang und -untergang. Der Schnee und das Nebelmeer nehmen dann die goldene Stimmung des Lichts auf. Der Himmel und die bläulichen Schatten im Schnee harmonieren bestens. Diese bläulichen, rosafarbenen und gelblichen Nuancen in ihrer lasierenden Zurückhaltung passen wunderbar zur Landschaft und zur Natur.

Allee bei Früebüel, Walchwilerberg. Das Raueis kleidet die filigranen Birkenäste, während die letzten Sonnenstrahlen über die Wipfel streichen.
Gubel, Menzingen. Die tiefstehende Sonne zaubert ein goldenes Nebelmeer in die Szenerie. Die Pastelltöne eignen sich hervorragend für minimalistisch orientierte Fotos – die viel gedankliche Weite zulassen.
  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Imaging
  • Dossier: Publisher 1-2022
  • Thema Fotografie

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