«Ein Druckdienstleister muss heute wissen, wo er steht!»

Sinkende Druckauflagen, Preissteigerungen, Material­knappheit, Pandemie und Ukrainekonflikt: Es sind ­herausfordernde Zeiten für die Printbranche. Felix Signer und Ivo Kaufmann von Heidelberg Schweiz AG zeigen im PUBLISHER-Interview Wege auf, wie man trotz der düsteren Vorzeichen wettbewerbsfähig bleiben kann.

PUBLISHER: Ist die Corona-Pandemie aus eurer Sicht überstanden? Was hat sich durch die ganze Situation in der Druckbranche geändert, vielleicht auch verbessert?
Ivo Kaufmann: Wir haben sicherlich gelernt, mit Videomeetings umzugehen. Dies hilft uns und ist sehr angenehm, zumal es auch für die Kostenstruktur förderlich ist.

Bei den Kunden herrscht sicherlich wieder eine positive Stimmung, seitdem der Bundesrat die Lockerungen beschlossen hat, obschon die Situation in der Ukraine ­dieser Gemütslage einen Dämpfer verpasst hat. Der Grundtenor bei den Druckereien ist mit Blick in die Zukunft auch leicht optimistisch, weil die Auftragslage aktuell zufriedenstellend ist.

Felix Signer:
Eine gewaltige Herausforderung ist derzeit natürlich die substanzielle Preiserhöhung bei Papier oder Druckplatten, obschon man sich gefühlt ein wenig daran gewöhnt und die Druckereien auch gelernt haben, diese Preissteigerung an ihre Kunden weiterzugeben. Für uns ist das auch die grösste Grauzone: Keiner weiss, wohin sich die Preise entwickeln. Wir rechnen nicht damit, dass sie vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in absehbarer Zeit auf ein Vor-Corona-Niveau sinken.

Ivo Kaufmann
Der gelernte Reproduktionsfotograf Ivo Kaufmann ist seit über 16 Jahren im Dienst der Heidelberg Schweiz AG und hält heute die Position des Business Manager/Product Specialist Digital Print inne.



PUBLISHER: Neben den enormen Preis­steigerungen gestaltet sich auch der Bezug resp. die Verfügbarkeit von Roh­material schwierig. Wie sieht das bei Heidelberg aus? 
IK: Bisher sind wir glücklicherweise nie in Schwierigkeiten gekommen und konnten unsere Abnehmer auch im Digitalbereich immer beliefern. Im Druckplattenbereich ist die Situation aufgrund des Aluminiummangels etwas angespannter.

PUBLISHER: Wie vorhin angesprochen ist nicht zu widerlegen, dass das Druck­volumen im Akzidenzbereich in der Schweiz eher schrumpft. Was kann man als Print-Unternehmen tun, um diesem Trend entgegenzuwirken?
FS: Ich glaube, man muss sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was man in Zukunft anbieten möchte und was eben auch nicht. Es gibt viele Druckereien im KMU-Segment, die einfach alles – vom Offset- über Digitaldruck bis hin zur Webseite oder Marketing – anbieten. Ich denke nicht, dass in Zukunft alle «Medienunternehmen» diese grosse Bandbreite an Dienstleistungen und Produkten auf dem hohen Level, das der Kunde erwartet, offerieren können.

Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass Print nicht in der Versenkung verschwindet und auch die jüngere, digital affine Generation Gedrucktes schätzt, weil es ein anderes Medium – «echt» und spürbar – ist. Allerdings rechnen wir im Akzidenzbereich eher nicht mit einem steigenden Druckvolumen.

IK: In dieser Hinsicht ist auch essenziell, dass sich Kunden mit Blick auf die weggebrochenen Jobs nun Gedanken machen müssen, wie die Unternehmung zukünftig ausgerichtet oder aufgestellt werden soll. Es sind Optimierungen vonnöten, was beispielsweise durch Automatisierung im Workflow bewerkstelligt werden kann. Selbst relativ «kleine» Druckereien sind dabei, ihren Betrieb so stark wie möglich zu automatisieren, weil sie möglichst schnell in der Lage sein müssen, eine kleine Auflage drucken zu können. Und ich denke, inzwischen hat jeder Druckanbieter im Akzidenzbereich erkannt, dass man sich mit dem Digitaldruck entsprechend für die Zukunft aufstellen kann. Heidelberg bietet zudem über Prinect den Vorteil, Offset- und Digitaldruck in einen Workflow einbinden zu können.

FS: Diesem Automatisierungs- und Optimierungsprozess kann kaum genug Wichtigkeit beigemessen werden: Es gibt heute noch Print-Unternehmen, die vorstufentechnisch wie vor 10, 15 Jahren arbeiten. Da ist noch massig Optimierungspotenzial vorhanden und auch eine Änderung – berücksichtigt man den imminenten Fachkräftemangel – dringend nötig. Es lässt sich natürlich nicht alles automatisieren, aber wir sind schon seit einiger Zeit technologisch so weit, dass zumindest repetitive Arbeiten standardisiert über ein System abgewickelt werden können. An dieser Stelle treiben wir die Digitalisierung konsequent weiter voran.

Felix Signer
Felix Signer kann über 25 Jahre Praxiserfahrung in den Medienproduktion vorweisen und ist bei der Heidelberg Schweiz AG seit 2019 als Produktspezialist Prinect tätig.



PUBLISHER: Dann ist anzunehmen, dass die Automatisierung eine der grossen Trumpfkarten für Druckereien ist? 
IK: Davon bin ich überzeugt. Allein, wenn man im Offsetbereich die Geschwindigkeit der Druckmaschinenentwicklung begutachtet: Wir bieten beispielsweise seit rund sechs Monaten für die Speedmaster XL 106 die «Plate to Unit»-Technologie an, welche die Druckplatte automatisch in die Druckmaschine einspannt. Diese Art der Automatisierung kann gerade bei uns in der Schweiz mit den oft kleinen Auflagen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil bieten.

FS: Lediglich ein schnelleres oder leicht eigenständigeres Produktionssystem zu installieren, macht allerdings keinen Sinn. Match­entscheidend wird je länger je mehr ein reibungsloses Zusammenspiel von Operator, den Systemen und der Software. 

IK: Wenn es um Digitaldruck geht, rede ich oft gar nicht mehr über die Druckmaschine. Am Ende des Tages ist das ein Ausgabegerät – und dass dieses drucken kann, haben wir längst bewiesen. Das Gespräch handelt meist davon, wie ich meine Abläufe so optimieren kann, dass bei einem Druckauftrag möglichst keine manuellen Eingriffe mehr nötig sind. Ein knallhartes Assessment der eigenen Verbesserungsmöglichkeiten ist heute unumgänglich.

FS: Ein solches bieten wir in der Schweiz als Heidelberg mit unserer Potenzialanalyse an. Dort begutachten wir die Abläufe der Unternehmung und zeigen dem Kunden auf, an welchen Stellen noch optimiert werden kann.

Zum digitalen Ökosystem «Heidelberg Plus» dürfen in Zukunft noch viele weitere nützliche Tools hinzukommen. Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG

PUBLISHER: Im letzten Oktober hat Heidelberg die erste Prinect App lanciert, die einen Teil des cloudbasierten Heidelberg Plus-Kosmos darstellt. Welche Ziele verfolgt ihr mit dieser Applikation? 
FS: Das Ecosystem Heidelberg Plus und die Transformation des Prinect Workflows in die Cloud geniesst bei Heidelberg eine hohe Priorität. Von den Sensoren der Druckmaschinen beim Kunden erhalten wir viele Kennzahlen. Diese Daten bereiten wir so auf, dass wir dem Kunden anschaulich vermitteln können, wo, respektive bei welchen Prozessen noch Optimierungspotenzial schlummert.

PUBLISHER: Was sind die aktuellen Digital­druck-Entwicklungen bei Heidelberg?

IK: Über die Partnerschaft mit Ricoh bieten wir im Digitaldruckbereich die Versafire Produktionssysteme EV und EP an. Seit einiger Zeit kann darauf eine fünfte Farbe eingesetzt werden. Seit November 2021 hat der Kunde ausserdem die Option, mit Gold und Silber zu drucken – inzwischen lässt sich auf der Versafire also mit den Sonderfarben Neongelb, Neonpink, Weiss Lack, Gold, Silber und unsichtbarem Rot produzieren. Die neu dazugekommene Möglichkeit des Drucks mit Gold oder Silber hat natürlich gerade während der Weihnachtszeit geboomt.

Besticht unter anderem mit ihrer Spezialfarben-Option: Die Heidelberg Versafire EV. Quelle: Heidelberger Druck­maschinen AG

PUBLISHER: Ist die Art von Produktdi­versifizierung wie Heidelberg sie seit einiger Zeit erfolgreich mit E-Ladestationen betreibt, auch für kleinere Print-Unternehmen ein verheissungsvoller Weg?
FS:
Beim Thema Elektromobilität nutzt Heidelberg spezifische Kenntnisse aus der Leistungselektronik und baut so neben dem Kerngeschäft ein neues Geschäftsfeld zur Differenzierung und Geschäftserweiterung auf. So etwas kann sich sicher nicht auf jedes kleinere Druckunternehmen übertragen. Allerdings sollte man die Innovationsfähigkeit von kleinen Unternehmen gerade auch im Printbereich nicht unterschätzen.

IK: Wir sehen die Entwicklung, dass sich beispielsweise kleinere Kunden mit einer Werbeagentur zusammenschliessen und so ein zweites Standbein aufbauen – und das ist aus meiner Sicht nur sinnvoll. Diese Zusatzbeschäftigung sollte aber ebenfalls im Fachgebiet des Print-Unternehmens, der grafischen Branche, beheimatet sein.

Besten Dank für das Gespräch! 

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