Ursache und Nebenwirkungen: 15 %

15 % war für mich bisher eine Marke für die Steigung einer Strasse, die ich mit dem E-Bike bequem bewältigen konnte. Bei 25 % beginnt es happig zu werden. 15 % bekam diesen Sommer eine andere Bedeutung, weil der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Energie Robert Habeck das Energiesparziel 15 % proklamierte. 15 % Energie sparen, so hiess es, würde die Strommangellage lindern.

Die gesamte EU und deren Wert-Verbündete finden sich plötzlich in Putins Geiselhaft, die Wirtschaft ächzt und die Konsumenten kaufen wieder dreilagige WC-Rollen und Dieselgeneratoren auf Notvorrat. Wie das gehortete WC-Papier nun im kalten Winter zu Strom umgewandelt wird, kann man ganz sicher in einer Verschwörungsblase lesen. Vulgär ausgedrückt meine ich, dass in diesem Fall die grössten Arschlöcher eben mehr Papier benötigen.

Hierzulande hält man offenbar nicht viel von Energiesparen und Effizienz. Die politische Diskussion geht dahin, ob man gescheiter neue AKW (die von der supercleansicheren Sorte) bauen, Gasheizkraftwerke oder (Diesel-)Notstromaggregate in Betrieb nehmen sollte. Einmal mehr würde sich die Überflussgesellschaft den Luxus leisten, die Umwelt für das eigene Wohlbefinden leiden zu lassen.

Diesel und Holz verbrennen? Damit blasen wir gebundenes CO2 in die Luft! Die Idee, Restwassermengen von Staudämmen in den Flüssen zu minimieren, damit wir statt kuscheligen 23 Grad nur noch wohlige 22 Grad im Wohnzimmer haben, ist eine Bankrotterklärung an die Flora und Fauna der Gewässer. Man kann solche Vorstösse leider nur alle vier Jahre mit dem Wahlzettel minimieren. Bis dahin müssen wir mit dem Kasperli­theater leben, dem wir bisher das Vertrauen schenkten.

Was tun in der Strommangellage? Zuerst einmal sich richtig informieren, was da eventuell, nicht ganz sicher, auf uns zukommen könnte. Etwas Gutes hat jede Krise: Meine Sinne werden für die Zusammenhänge geschärft, ich handle bewusster. Wie jede Biene nur einen winzigen Bruchteil Pollen in den Stock bringt, so ist es dank Tausender Individuen möglich, Honigtöpfe zu füllen. Genau gleich versuche ich zu handeln. Es ist nicht opportun zu sagen, man könne nichts am Ganzen ausrichten – die Biene beweist das Gegenteil.

Ich kaufe darum, wenn es geht, Nahrungsmittel ohne Plastikverpackungen. Das Rezyklieren von (Verbund-)Plastikverpackungen ist ein verbreiteter Irrglaube. Inzwischen beherrscht das organisierte Verbrechen den Abfallmarkt. Wir zahlen gleich doppelt, dass unsere Plastikverpackungen schliesslich im Meer «entsorgt» werden. Die weissen Luxusverpackungen von allen Apple-Teilen? Ein wahrer Umwelthorror!

Ich fahre inzwischen ein hybrides Auto; statt früher 7,5 Liter verbrauche ich nur 4,8 Liter – Einsparung 34 %! Mein Fleischkonsum beträgt statt früher 1 kg nur noch etwa 300 Gramm pro Woche: Einsparung 60 %. Ich bin jetzt umgezogen: Wärmepumpe mit Solaranlage auf dem Dach statt der ollen Gasheizung! Ohne jegliche Komforteinbusse kann ich Schritt für Schritt etwas beitragen.

Da unsere Speicherseen in wenigen Jahren durch die veränderten Niederschläge und die wegschmelzenden Gletscher nicht mehr im gleichen Ausmass zur Energieproduktion taugen, ist es eine Milchbüechlirechnung, dass es Solarzellen richten müssen.

Also liebe Politikerinnen und Politiker: Blöd ist es, nach AKW oder Gaskraftwerken zu rufen, blöd ist es, nach Notstrom­aggregaten zu schreien und blöd ist es, immer zu reagieren. Wir haben eine Regierung gewählt und nicht eine Reagierung! Unser Wohlstand und unser Leben hängt davon ab, was ihr heute tut, es wird sich in der nächsten Generation zeigen. Investiert also in die heimische Solarindustrie.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 5-2022
  • Thema Ultimo

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