Umfassend Bildmomente erfassen

Bildorganisation, Weissabgleich, Foto-Entwicklung, Bildpräsentation und Co.: Die heutigen Bildbearbeitung-Softwares bergen schier unzählige Tools für jeden erdenklichen Bearbeitungsvorgang. Um bei all den Werkzeugen nicht den Überblick zu verlieren, bietet sich ein Nachschlagewerk an. Im Falle der Anwendung «Capture One Pro 22» drängt sich das Handbuch von Jürgen Wolf auf, das über 100 Workshops auf 523 Seiten vereint. Ein Auszug.

11.1 Das Tonwerte-Werkzeug
Den Tonwertumfang von den Schatten über die Mitteltöne bis hin zu den Lichtern können Sie mit dem Tonwerte-Werkzeug anpassen. Damit legen Sie z. B. sehr einfach die hellsten (Weisspunkt bzw. Spitzlichter) und dunkelsten Bereiche (Schwarzpunkt bzw. Schatten) im Bild fest. Dies ist extrem hilfreich bei kontrastarmen und flauen Bildern, um deren Tonwertumfang zu erweitern.

Schritt für Schritt Flaue Bilder beheben
Ein Praxisbeispiel soll das Tonwerte-Werkzeug kurz demonstrieren, ehe ich nochmals etwas genauer darauf eingehe. Im folgenden Bild links wird der Tonwertumfang nicht vollständig ausgenutzt. Durch die Lücken am Anfang und am Ende des Histogramms hat das Bild keine echten Lichter und Schatten und wirkt daher flau, wie hinter einem Grauschleier. Solch flaue Bilder sind mit dem Tonwerte-Werkzeug problemlos zu beheben.

1  Bild beurteilen
Wechseln Sie in das Belichtung-Register. Wenn Sie das Histogramm zum Bild betrachten, fällt auf, dass keine Lichter und Tiefen vorhanden sind. Da im Bild nicht der komplette Tonwertumfang verwendet wird, wirkt es trüb. Sie könnten zwar mit dem Kontrast-Regler nachhelfen, womit die Mitteltöne gespreizt und nach aussen in die Lichter und Tiefen geschoben würden, aber eine zu starke Verwendung des Reglers wirkt häufig unnatürlich und macht das Bild eher kaputt. Hier können Sie mit dem Tonwerte-Werkzeug viel genauer arbeiten.

Abbildung 1.31
Der Tonwertumfang wird nicht voll ausgenutzt, und es fehlt an Lichtern und Schatten. Daher wirkt das Bild flau.


2  Die hellsten Bereiche festlegen
Den hellsten Bereich beim Tonwerte-Werkzeug im Bild können Sie auf der rechten Seite über die (Input-)Werteingabe 5, die Pipette 4 oder den Regler 6 festlegen. Der hellste Bereich wird häufig auch als Lichterbereich oder Spitzlichter bezeichnet. Wenn Sie die Pipette dafür verwenden, klicken Sie im Bild den hellsten Spitzlicht-Tonwertpunkt an. Nicht immer ist es einfach, den hellsten Punkt im Bild zu finden. Im Beispiel verwende ich den Regler 6 und ziehe ihn an den Anfang des Hügels beim Histogramm. Wenn Sie das Histogramm beobachten, werden Sie feststellen, dass die hellsten Bereiche nun an den rechten Rand des Tonwertumfangs gewandert sind. Auch in diesem Fall ist eine aktive Belichtungswarnung empfehlenswert.

Abbildung 1.32
Nachdem die hellsten und dunkelsten Bereiche im Bild festgelegt wurden…

3  Den dunkelsten Bereich festlegen
Wie beim hellsten Bereich in Schritt 2 verfahren Sie jetzt mit dem dunkelsten Bereich im Bild, dem Schatten-Tonwert. Auch hier stehen Ihnen die Möglichkeiten als Werteingabe 2, mit der Pipette 3 oder dem Regler 1 zur Verfügung. Hier lässt sich der dunkelste Punkt schwer eindeutig ermitteln, weshalb ich auch hier wieder den Regler an den Anfang des Hügels im Histogramm ziehe. Ein Blick in das Histogramm zeigt, dass der Tonwertumfang des Bildes nun komplett ausgenutzt wird und das Bild daher auch nicht mehr kontrastarm und flau wirkt.

4  Mitteltöne anpassen
Die Mitteltöne und somit den Helligkeitsanstieg der Tonwerte von Schwarz bis Weiss können Sie mit dem mittleren Regler anpassen. Der Regler wird häufig auch als Gamma-Regler bezeichnet. Hierfür stehen Ihnen die Werteingabe 9 und der Regler zur Verfügung. Der mittlere Regler 8 wandert bei den Korrekturen der Arbeitsschritte 2 und 3 mit und bildet die Mitte zwischen dem weissen und schwarzen Regler. Schieben Sie den Regler nach links, wird das Bild heller und flauer. Schieben Sie ihn nach rechts, wird das Bild dunkler und kontrastreicher.

Abbildung 1.33
… ist der graue Schleier vom Bild verschwunden

5  Weitere Anpassungen vornehmen
Wenn Sie nun den flauen Bereich im Bild angepasst haben, können Sie weitere Anpassungen vornehmen. Da die gemachten Einstellungen auch an die Gradationskurve übergeben werden, bietet es sich an, mit diesem Werkzeug weiter am Bild zu arbeiten.

Eingabe- und Ausgabewerte
Im Workshop bin ich nicht direkt auf die Eingabe- und Ausgabwerte des Tonwerte-Werkzeugs eingegangen. Den unteren Eingabewert 1 der Schatten habe ich hier mit 22 (dunkelster Punkt im Bild) bis hin zum Eingabewert 4 für Lichter (hellster Punkt im Bild) auf 220 über den gesamten Tonwertbereich des Ausgabewertes 2 von Schatten mit 0 und den Ausgabewert 3 für Lichter auf 255 auseinandergezogen, was den Kontrast deutlich anhebt. Sie ordnen damit praktisch mit den unteren Eingabeschiebereglern bzw. Eingabewerten für Schatten und Lichter die Pixelwerte an den entsprechenden oberen Ausgabeschiebereglern bzw. Ausgabewerten an. Vereinfacht ausgedrückt erklären Sie hiermit den Wert 22 zum künftigen Schwarzpunkt 0, während 220 den ehemaligen Weisspunkt 255 ersetzen soll.

Abbildung 1.36
Nach der Tonwerte-Korrektur

Tonwertumfang reduzieren
Nachdem Sie im Abschnitt zuvor das Zusammenspiel der Eingabe- und Ausgabewerte kurz kennengelernt haben, soll hier noch kurz erwähnt werden, dass Sie auf umgekehrte Weise auch den Tonwertumfang reduzieren können. Hierzu müssen Sie lediglich den oder die Ausgabewert(e) 5 und/oder 6 nach innen ziehen. Damit legen Sie quasi fest, dass gar keine schwarzen und/oder weissen Pixel im Bild vorkommen. Hierbei werden die Helligkeits- und Farbwerte gestaucht, wodurch das Bild kontrastärmer wird und einen matten Look bekommt. Manchmal wird der Tonwertumfang bewusst reduziert, um Effekte wie in der Low- oder High-Key-Fotografie zu erzielen.

Abbildung 1.38
Hier wurde der Tonwertumfang über die Ausgabewerte reduziert. Das Histogramm zeigt auch gleich die Tonwertbeschneidung in den Schatten und Lichtern an

Kanalweise anpassen
Ebenso können Sie die Anpassungen über die Kanäle Rot, Grün und Blau vornehmen. Wählen Sie den roten Kanal 7, und ziehen Sie jeweils den Regler für den dunkelsten 8 und hellsten 9 Tonwert auf den Anfang des Hügels im Histogramm. Wiederholen Sie diesen Vorgang mit dem grünen und blauen Kanal, dann haben Sie die dunkelsten und hellsten Bildbereiche mit den einzelnen Kanälen festgelegt. Das Ergebnis sieht häufig unterschiedlich aus, und das Werkzeug funktioniert bei einigen Bildern besser als bei anderen.

Abbildung 1.39
Das Bild enthält nun keine rein schwarzen oder rein weissen Pixel mehr, wodurch es kontrastärmer geworden ist und einen matten Look bekommen hat

Automatische Tonwert­korrektur
Als weitere Möglichkeit, die Tonwertkorrektur im Bild anzupassen, können Sie es mit der Automatik versuchen. Die Automatik von Capture One führen Sie im Tonwerte-Werkzeug mit dem kleinen Zauberstab-Icon 7 aus. Capture One korrigiert den Tonwertumfang dann, wie es in den Arbeitsschritten 2 und 3 beschrieben wurde, indem es jeweils die hellsten und dunkelsten Bereiche ermittelt und die Regler an die entsprechende Position an den Anfang des Hügels setzt. In manchen Fällen ist die Automatik ausreichend.

Capture One Pro 22 –
Das umfassende Handbuch

Autor: Jürgen Wolf
Das Buch ist für EUR 49.90 beim Rheinwerk Verlag erhältlich.
523 Seiten, 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2022, gebunden, in Farbe
Rheinwerk Fotografie,
ISBN 978-3-8362-8870-5

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