Das wirkungsvolle Medium

Die Brancheninitiative Creatura hat die weltweit erste Metaanalyse zur Wechsel­wirkung von Mensch und Printmedien in Auftrag gegeben. Sie bestätigt den Erfolg von veredelten Drucksachen über fünf verschiedene Dimensionen.

In der Werbung scheint der Siegeszug des Digitalen ungebrochen. Es werden grosse Teile des Marketingbudgets in Social Media, Bannerwerbung oder das Sponsoring von Instagram-Stars gesteckt. Doch lohnt sich das überhaupt? «Ich möchte die digitalen Kanäle sicherlich nicht abwerten, doch in der Praxis erleben wir, dass Print in der strategischen Kommunikationsplanung nach wie vor ein unschlagbares und unverzichtbares Medium ist», erklärt Dieter Beller, Vorstandsvorsitzender des Fachverbands Medienproduktion (f:mp.) und Mitinitiator der Brancheninitiative Creatura. «Es sind konkrete Erfahrungen und sinnliches Erleben, welche die Konsumenten bewegen, nach einem Produkt zu greifen oder nach einer bestimmten Marke zu suchen. Also ist es notwendig, eine professionelle Crossmedia-Strategie umzusetzen.»

Warum gedruckte Werbung eine nachhaltigere Wirkung hinterlässt, erforscht das Multisense Institut für sensorisches Marketing. Im Auftrag der Brancheninitiative Creatura wurde kürzlich die weltweit erste Metaanalyse vorgestellt, die den Einfluss von Print auf die Aufmerksamkeit, die Wertwahrnehmung und letztendlich die Kaufbereitschaft am Point of Sale in den Fokus rückt. Dafür wurden internationale Trend- und Marktstudien analysiert und mit aktuellen Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Wahrnehmungspsychologie zusammengeführt.

Haptik hilft zu begreifen

In erster Linie unterscheidet sich Print durch die Haptik von digitalen Kanälen. Sie befriedigt das tief verwurzelte Verlangen nach dem «Begreifen». Menschen verlassen sich gerne auf sensorisches Feedback, um ein Urteil zu fällen, da sie schon seit Urzeiten auf diese Weise das Echte vom Unechten unterschieden haben. Ohne die Möglichkeit der Berührung verlieren Konsumenten somit ein Stück Sicherheit bei der Bewertung von Produkten und Marken.

Die Haptik ist jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten, die Print bietet, um die menschlichen Sinne anzusprechen. «Beim Einkauf werden sämtliche Umweltreize über die fünf Sinne wahrgenommen, allerdings grösstenteils unbewusst. Der Autopilot scannt, verarbeitet und filtert all diese Reize, decodiert die Bedeutung der eingegangenen Signale und bewertet sie danach, ob sie einen relevanten Nutzen bieten. Ist das der Fall, dann ist die Kaufentscheidung so gut wie getroffen. Der Pilot, das explizite Denksystem, rationalisiert dann meist nur noch die bereits unbewusst getroffenen Kaufentscheidungen», beschreibt Olaf Hartmann, Geschäftsführer des Multisense Instituts, die Möglichkeiten multisensorischer Veredlungseffekte in der Kundenansprache.

Multisensorische Wahrnehmung

Mithilfe verschiedener Veredlungseffekte ist Print prädestiniert für die multisensorische Markenkommunikation: visuell durch Farben und Formen, haptisch durch Textur oder Gewicht, olfaktorisch mit Duftlack und sogar akustisch mithilfe eines Öffnungsmechanismus und durch die Auswahl des Bedruckstoffes. Da der Autopilot die einzelnen Sinneseindrücke zu einem Gesamtbild zusammenfasst, steigt mit jedem zusätzlichen kongruent angesprochenen Sinn die Gehirnaktivität um Tausend Prozent. Es greift die multisensorische Verstärkung. Das heisst, dass eine Botschaft, die über mehrere Sinneskanäle übermittelt wird, stets stärker ist als eine Botschaft, die nur einen Sinn erreicht. Damit haben Printmedien einen wichtigen Vorteil gegenüber anderen Medien.

Digitale 3D-Relieflackierung in Verbindung mit digitaler Metallisierung.
Kaltfolientransfer in Verbindung mit Blindprägung.
Veredelungstechniken schaffen auch Interaktionsmöglichkeiten zur aktiven Einbindung der Nutzer.

Die fünf ARIVA-Dimensionen

Mit einer sensorischen Optimierung greift multisensorisch veredelte Printkommunikation deshalb auf fünf verschiedenen Dimensionen der Werbewirkung.

  • Attention: Print weckt Aufmerksamkeit und Interesse.
  • Recall: Print verankert Markenbotschaften im Gedächtnis.
  • Integrity: Print macht Botschaften glaub- und vertrauenswürdig.
  • Value: Print erhöht Wertschätzung und Preisbereitschaft.
  • Action: Print steigert Reaktion und Abverkauf.

Das ARIVA-Modell gibt Aufschluss darüber, welche Werbewirkung mit Print erzielt und durch multisensorische Veredlung zusätzlich verstärkt werden kann.

Veredelte Printmedien wecken die Bottom-up-Aufmerksamkeit durch auffallende und hervorstechende Umweltreize, die von den Sinnen automatisch ins Gehirn geleitet werden. Dagegen wird Top-down-Aufmerksamkeit durch die Erfüllung von Erwartungen und Präferenzen erzeugt. Sie bestimmen nämlich den Wahrnehmungsfilter, mit dem der Autopilot nach Belohnungen sucht. Printmedien verankern Markenbotschaften tief im Gedächtnis, da sie Informationen über sämtliche Sinneskanäle vermitteln können. In den Händen lösen Printmedien zudem einen Besitztumseffekt aus. Was der Mensch in Händen hält, nimmt er für sich in Besitz und deshalb hat es für ihn auch den höheren Wert.

Verschiedenste visuelle, haptische, interaktive, olfaktorische Veredlungsmöglichkeiten steigern den wahrgenommenen Wert von Marken und Produkten. Daher sind Menschen auch gewillt, einen höheren Preis für die mit Print (und Druckveredlung) beworbenen Produkte zu zahlen. Veredelte Printmedien animieren Menschen nicht zuletzt auch zum Handeln. Ziel ist es also, mit aufregenden Printprodukten in die Komfortzone eines Rezipienten zu gelangen und durch Multisensorik und Interaktionselemente zur positiven Assoziation und letztlich zum Handeln zu gelangen.

Individuelle Sinneswahrnehmung

Damit diese Wirkungen greifen können, müssen die Veredlungen jedoch unbedingt kongruent sein. Zudem ist es für die Marketer nicht ganz so einfach, die richtigen Codes zu finden, um ein Marken- oder Produktversprechen intuitiv und verständlich vermitteln zu können. Die so genannte «Statistik der Umwelt», die durch die individuellen Erfahrungen und die kulturelle Sozialisierung geprägt ist, bestimmt die Art und Weise, wie der angesprochene Kunde eine Sinneswahrnehmung interpretiert.

Es existieren keine absoluten Wahrheiten darüber, wie Print und die vielen Veredlungseffekte wirken. Eines ist jedoch ganz sicher: Print ist auch in der digitalen Revolution nicht obsolet. Im Gegenteil: Print ist ein wichtiger Bestandteil im Erfolgsrezept erfolgreicher Marken. 

«Wer die Wirkung von Printkommunikation unterschätzt und auf sie verzichtet, darf sich später nicht über sinkende Effizienz seiner Kampagnen wundern.»

Interview mit den Studienautoren

Im Auftrag des Creatura-Teams und des Fachverbands Medienproduktion e.V. (f:mp.) führten Olaf Hartmann und Sebastian Haupt vom Multisense ­Institut für sensorisches Marketing die weltweit erste Metaanalyse wissenschaftlicher Studien durch, die sich mit der Wechselwirkung von Mensch und Printmedien befasst. Wir sprachen mit den Autoren über die Ergebnisse der Studie und was diese für die Druck- und Medienbranche bedeuten.

Publisher: Erklären Sie kurz, wie die Metaanalyse durchgeführt wurde und mit welchen Themen sich die Forschungen im Detail beschäftigen.

Olaf Hartmann: Die Erkenntnisse der Metaanalyse speisen sich aus über 300 internationalen wissenschaftlichen Quellen, Trend- und Marktstudien, die wir mit aktuellen Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Wahrnehmungspsychologie zusammengeführt haben. Die Erkenntnisse haben wir entlang von fünf Dimensionen aufbereitet: Welchen Einfluss hat Print auf die Aufmerksamkeit? Wie steigert Print die Erinnerung? Wie steigert Print die Glaubwürdigkeit von Werbung und Markenbotschaften? Wie beeinflusst Print Wertschätzung sowie die Kaufbereitschaft?

Herr Haupt, Sie gehen in Ihren Ausführungen in der Metaanalyse sehr auf die menschlichen Motive und die Psychologie der Wahrnehmung ein. Was sind die besonderen Qualitäten von Print im Vergleich zu digitalen Kanälen?

Sebastian Haupt: Der differenzierende Faktor von Print ist die Haptik, das reale Erleben. Wir Menschen haben ein tief in uns verwurzeltes Verlangen nach Berührung, denn durch sie begreifen wir unsere Welt. Durch Berührung vergewissern wir uns, was real und wirklich ist und bilden uns ein Urteil. Können wir uns dieses uralten Instinkts jedoch nicht bedienen, verlieren wir ein Stück weit unsere Orientierung, Sicherheit und Urteilskraft – insbesondere bei der Bewertung von Marken und Produkten.

In unserer audiovisuell überreizten Informationsgesellschaft passiert genau das: Technologien dringen in alle Lebensbereiche vor und schaffen immer mehr virtuelle Räume. Uns Menschen fehlt sensorisches Feedback, das Gewissheit bietet und das uns Unterschiede spüren lässt. Folglich sehnen wir uns immer stärker nach Verlässlichkeit und echtem Erleben. Bereits 1982 sah der Zukunftsforscher John Naisbitt diesen Megatrend voraus und taufte ihn «High Tech – High Touch». In einer Hightech-Welt, in der sensorische Erfahrungen rar geworden sind, ist «High Touch» der Schlüssel zum Gleichgewicht – und wird damit auch ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Markenkommunikation.

Was bedeuten Ihrer Meinung nach die Ergebnisse Ihrer Studie für Kampagnen, die verschiedene Medienkanäle nutzen, also so genannte Multi­channel-Kampagnen?

Olaf Hartmann: In vielen internationalen Studien zeichnet sich klar ab, dass Kampagnen, die über mehrere Kanäle gespielt werden, bis zu 35 Prozent effizienter sind als Monokanalkampagnen. Innerhalb des Mixes strahlt Print zudem besonders stark auf die anderen Kanäle ab und erhöht so die gesamte Kampagneneffizienz. Viele Marketer vergessen beim Schwärmen über die Effizienz von digitaler Kommunikation die Tatsache, dass sie digital nur die Früchte vom Baum pflücken – sprich: bestehendes Produkt- oder Markenvertrauen konvertieren, doch mit digitalen Kampagnen wenig dazu beitragen, ihren Baum wachsen zu lassen. Print ist dagegen ein Medium, das die Markenwurzeln stärkt, die für das Wachstum der Umsatzfrüchte sorgen.

Würden Sie aufgrund der wissenschaftlich bestätigten Bedeutung von Print sagen, dass gedruckte Produkte auch in Zukunft eine starke Bedeutung haben werden?

Sebastian Haupt: Eindeutig ja. Der digitale Fortschritt macht Print nicht obsolet. Im Gegenteil, Print ist und bleibt ein wertvoller Markenkontaktpunkt. Werbung in Printmedien geniesst höchste Akzeptanz und erzeugt keine Abwehrreaktionen. Von haptischen Werbemedien fühlen sich Menschen deutlich weniger genervt und finden sie sympathischer als unterbrechende Push-Werbung in Fernsehen, Radio und Internet. Print klickt man nicht einfach so weg. Menschen wenden sich Print zudem bewusst zu – es ist kein Medium, das sie nebenbei konsumieren. Die unbewusste Kraft des Haptikeffekts greift dabei sofort und wächst mit jeder Berührung. Print gehört deshalb in jeden Marketing-Mix. Wer die Wirkung von Printkommunikation unterschätzt und auf sie verzichtet, darf sich später nicht über sinkende Effizienz seiner Kampagnen wundern.

Rüdiger Maaß

Rüdiger Maaß begann seine Laufbahn in der Kommunikationsindustrie mit einer Ausbildung als Werbekaufmann. Mit der Zusatzausbildung als «Geprüfter Medienproduktioner/f:mp.» entdeckte er sein Herz für die Medienproduktion. Seit 1998 ist er als Geschäftsführer des Fachverband Medienproduktion e.V. tätig. r.maass@f-mp.de

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