Lieber wenig von viel als viel von nichts!
Flyerline-Gründer Steffen Tomasi sieht eine Konsolidierung bei Online-Drucksachengeschäft. Er ortet bei individuellen Lösungen abseits vom Standard grosses Potenzial, allerdings nicht mit den komfortablen Margen von einst.
Publisher: Sie haben mit Flyerline ein beeindruckendes Wachstum hinter sich und gelten heute als grösster Drucksachen-Webshop der Schweiz. Wollen und können Sie in den nächsten Jahren so weiterwachsen oder ist das Ende der Fahnenstange irgendwann erreicht?
Steffen Tomasi: Wir stellen tatsächlich eine gewisse Konsolidierung des Marktes fest. Vor allem bei den konventionellen Drucksachen ist das Potenzial von Standardprodukten irgendwann ausgeschöpft, Ich sehe jedoch bei individuellen Lösungen noch einen riesigen Markt, wenn man ihn richtig angeht.
Und wie macht man das?
Es gilt, den Kunden mit den richtigen Fragestellungen anzugehen: Die Frage lautet nicht «was gibt es bei dir zu drucken», sondern «was ist das Problem, das ich für dich lösen kann?» Die besten Ideen kann man beim Kunden abholen! Ein Beispiel dafür sind unsere Dienstleistungen für Audi im Bereich Gebrauchsanleitungen, über die im Publisher ja auch schon berichtet wurde. Oder jetzt aktuell unsere Kooperation mit PET Schweiz. Wir haben hier unter anderem die Füllmenge der Sammelboxen optimiert – und das bei gleichbleibenden Logistikkosten. In der Folge haben wir nicht nur die Boxen neu konzipiert, sondern übernehmen für den Kunden auch das ganze Fulfillment und die Logistik drumherum. Mit dem so gewonnenen Know-how können wir jetzt die Website sammelbox.ch lancieren und erschliessen uns damit ein neues Geschäftsfeld.
Wie behaupten Sie sich neben den deutschen Webshops, die immer mehr in die Schweiz drängen?
Wir spüren die sicher auch, keine Frage! Mit unserem Fokus auf individuelle Lösungen können wir jedoch als Schweizer Anbieter den Trumpf der Nähe zum Kunden ausspielen. Gerade bei kundenspezifischen Closed-Shops sehen wir viel Potenzial. Als Schweizer Dienstleister sind wir hier nahe am Puls. Um das auszudrücken, haben wir jetzt mit «Wirklich Schweiz» ein eigenes Label geschaffen.
Braucht es das wirklich? Es gibt ja schon das gut etablierte Label «Printed in Switzerland».
Ich finde es ehrlich gesagt eine blöde Idee, dass man bei diesem Label um Mindestanforderungen feilscht, damit man es führen darf. Es geht uns mehr um ein Herkunftssiegel. Wir wollen Haltung zeigen, leben was wir sind: Wirklich Schweiz! Dazu gehört auch die regionale Verankerung als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb sowie die Unterstützung regionaler Vereine und Institutionen. Ich stimme jedoch grundsätzlich mit der Stossrichtung hinter «Printed in Switzerland» überein, dass der Werkplatz Schweiz stark gefordert ist und wir hier einen grossen Handlungsbedarf haben.
Was heisst das konkret?
Wir sehen hier am Bodensee ja aus nächster Nähe, was in Sachen Einkaufstourismus abgeht. Was früher noch verpönt war, ist heute absolut salonfähig. Es ist schon fast cool, Waren per Internet im Ausland zu bestellen. Das macht mir Angst für den Werkplatz Schweiz. Wir sind gefordert, weiterhin Produktivität, Effizienz und Innovationskraft zu stärken.
Daneben werden wir uns aber auch immer mehr aus unserer Komfortzone hinaus bewegen müssen – uns verschlanken und mit kleineren Margen leben. Wir bei Flyerline handeln schon lange nach dem Motto «lieber wenig von viel als viel von nichts!». Und wenn ich rundherum die Entwicklung der Druckpreise anschaue, kann man sagen, dass sich in dieser Beziehung schon viel getan hat.
Sie haben 2016 Flyerline an die Wipf-Gruppe mit der bekannten Marke Elco verkauft. Wie geht es jetzt weiter mit «Ihrer» Firma?
Ich werde die Flyerline sicher noch eine gewisse Zeit führen. Ich habe hier ein sehr gutes Team, das Schritt für Schritt immer mehr Aufgaben von mir übernehmen kann.
Es scheint aber doch so, dass Sie noch immer der Innovations-Motor sind …
Das ist sicher der anspruchsvollste Teil der Übergabe. Wir arbeiten daran und ich bin zuversichtlich!
Und was sind Ihre persönlichen Pläne für die Nach-Flyerline-Ära? Lockt da schon eine neue Lebensphase als Privatier?
Eine neue Lebensphase ja, aber bestimmt nicht als Frührentner. Ich will auf jeden Fall nochmals etwas Neues anpacken!
Steffen Tomasi
Steffen Tomasi startete seine Karriere als erfolgreicher Macher in der Musikbranche, bevor er 2002 als unzufriedener Printeinkäufer den Spiess umdrehte und kurzerhand die Flyerline gründete. Er ist der Mastermind hinter den Kulissen und scheut sich nicht davor, das Geschäftsmodell einer Online-Druckerei immer wieder neu zu erfinden.
Den Ausgleich zum schnellen Business findet Steffen Tomasi bei allem, was noch mehr PS hat oder ganz entspannt in der Natur beim Skifahren, Mountainbiken und auf dem Bodensee.
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Autor
Martin Spaar
Martin Spaar ist Gründer des PUBLISHER und hat diesen kontinuierlich zum führenden Magazin im Bereich Publishing und Digitaldruck im deutschen Sprachraum ausgebaut. Anfang 2019 hat er die Zeitschrift an das junge Team der Pantara GmbH übergeben. Jedoch bleibt er dem PUBLISHER als Autor weiterhin verbunden und ist über freie Mandate auch sonst aktiv in der Schweizer Publishing-Szene unterwegs. - Rubrik Print
- Dossier: Publisher 1-2018
- Thema Flyerline
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