Nur Dummheit ist umsonst

Die Vergleichbarkeit von Waren und Dienstleistungen ist mit dem Internet sehr viel einfacher geworden. Ohne grossen Aufwand lässt sich herausfinden, wie viel Pullover da und dort kosten, wie eine Politikerin im letzten Jahr abgestimmt hat oder wer die günstigsten Flüge anbietet. Diese Transparenz ist jedoch eine scheinbare. Langsam merken wir, dass die Vergleichbarkeit nur bedingt taugt, das Internet ist in diesem Sinn noch geduldiger als Papier. Sicher ist, dass Dinge und Dienstleistungen immer weniger kosten. Gerade in der Publishing- und Druckbranche ist das Preisgebaren selbstmörderisch. Die Medien selbst stellen ihre Inhalte gratis zur Verfügung – weshalb überhaupt noch für Informationen bezahlen? Werte werden verschoben.

Seit Trump wissen wir von der zerstörerischen Macht, die von sozialen Medien ausgeht. Auch von der unsäglichen Dummheit, die den öffentlichen Diskurs durchdringt. Leser können kaum mehr Richtig und Falsch unterscheiden, geschweige denn Gut und Böse. Jedermann kann frei heraus behaupten, was er will, selbst die abstrusesten Verschwörungstheorien finden eine Anhängerschaft. Sind Ratings und Likes glaubwürdig? Können Tausende irren? Selbst bei politischen Abstimmungen sind Prognosen aufgrund von Umfragen alles andere als sicher. Die Unsicherheit bildet den Nährboden für Rattenfänger aller Couleur, welche ganz einfach nach Macht oder Geld streben.

Auf der einen Seite kann die Meinungsfreiheit im Internet nicht hoch genug gewertet werden – auf der anderen Seite sind immer weniger Leute da, die Informationen kanalisieren, gewichten, in einen Kontext stellen, sie werten und einordnen. So gerät das ganze Leben zur volatilen Achterbahn ohne fundamentalen Halt. Wem kann man noch vertrauen? Influencer, die Nagellack und 5-Minuten-Frisuren preisen, generieren Millionen Follower – Zahlen, die Medien neidisch werden lassen. Die Fachwelt diskutiert inzwischen, wann die künstliche Intelligenz die des Menschen überholt. Es könnte schnell der Fall sein, aber nicht nur, weil künstliche Intelligenz immer besser wird, sondern auch, weil die Menschheit immer blasenartiger denkt oder vom Netz abhängiger wird.

Auch der Qualitätsfaktor ist unsicher geworden. Wenn der Onlinehandel Lederschuhe für 30 Franken anbietet: Können diese nachhaltig und ohne Kinderarbeit produziert sein? Ist das Kilo Kalbfleisch für 50 Franken hormon- und antibiotikafrei? Sind Medien, die nichts kosten, glaubwürdig? Es gibt immer einen Grund, etwas gratis anzubieten. Bei den Gratis-Kaffeemaschinen sind es die teuren Kapseln, die Billigtischdrucker werden durch exorbitant teure Tinte finanziert – Kundenbindungsprogramme erster Güte. Gratis ist nie altruistisch, sondern immer Lockvogel. Einen Nachlass gewährt man nur, wenn das Volumen dadurch gesteigert werden kann. Im Internet sind die persönlichen Daten von Interesse. Zunehmend verflüchtigt sich das eigene reale Leben, denn ein Algorithmus bestimmt, was wir in welcher Geschwindigkeit zu sehen bekommen, was wir lesen und was wir einkaufen.

Welche Folgen dies für das Einkommen generell, für die Jobs und die Verteilung des Wohlstands haben wird, sollten sich die politischen und wirtschaftlichen Kräfte einmal mit gesundem Menschenverstand überlegen. Im Internet finden sie die Antwort vermutlich nicht.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 1-2018
  • Thema Kolumne

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