Etwas Licht in die Dunkelkammern
Capture One und Lightroom sind die wohl bekanntesten Softwares für Fotografen. Sie vereinen die Bildverwaltung, -bearbeitung und -ausgabe in einem Programm. Die Gegenüberstellung zeigt, beide haben einige Vor- und wenige Nachteile.
Adobe Lightroom und Capture One von Phase One arbeiten jeweils mit dem Katalog-Konzept. Das heisst, die Metadaten, Markierungen, Sterne, Stichwörter, Entwicklungseinstellungen und vieles mehr werden direkt in eine Katalog-Datei geschrieben. Die Bilddaten sind nicht zwangsläufig in diesem Katalog abgelegt. Sie werden normalerweise mit ihrem Speicherort nur in der Katalog-Datei referenziert.
Capture One bietet darüber hinaus die Möglichkeit, auch die Bilddaten direkt in den Katalog zu speichern. Diese Möglichkeit besteht in Lightroom nicht.
Sessions
Sessions oder Sitzungen sind eine Eigenheit von Capture One. Der Gedanke hinter den Sessions ist, dass alles, was zu einem Fotoshooting gehört, an einem zentralen Ort abgelegt und verwaltet wird. So kann man sich beispielsweise ein Produktshooting vorstellen, bei dem man tethered in den Computer fotografiert und dabei den Aufnahmeort und anderes direkt definiert. Nachdem die Bilder entwickelt sind und der Job abgeschlossen ist, kann die gesamte Session auf ein Backup-Medium verschoben werden.
Spannend ist zudem, dass man bei Sessions die Bilddaten nicht in einen Katalog beziehungsweise in die Session importieren muss, sondern direkt durch die Ordnerstruktur navigieren und mit Bildern arbeiten kann.
Die bessere Arbeitsweise?
Sessions sind in sich abgeschlossene Projekte, die alle relevante Daten enthalten. Das macht es relativ einfach, die Projektdaten zu verschieben.
Kataloge bieten andererseits die Möglichkeit durch viele (wenn nicht sogar alle) Projekte direkt zu gehen und nach beispielsweise den besten Bildern zu suchen, die man als Portfolio-Arbeiten auf die Website stellen möchte. Man braucht nicht durch unzählige Sessions zu navigieren und hat alle Bilder direkt an einem Ort. Die Verwaltung und Organisation sollte dann aber über Sammlungen erfolgen!
Verschiedene Interfaces
Ein grosser Unterschied der beiden Programme zeigt sich beim Interface. Einerseits starr und fix in Module aufgebaut und andererseits flexibel und bis ins letzte Detail selbst konfigurierbar. Lightroom hat ein starres Korsett, Capture One ist offen für alles.
Was ich in diesem Zusammenhang von einem Trainerkollegen gehört habe und genial finde, ist folgender Ausspruch: «Ein Korsett kann behindern aber auch stützen». Aus meiner Erfahrung heraus muss ich sagen, dass die klaren Wege in Lightroom durchaus stützen. Gerade Neueinsteiger, aber auch Umsteiger auf Capture One sind mit dem offenen Interface oft etwas überfordert.
Vorteile sind bei beiden Tools zu finden. So weiss man in Lightroom immer genau, was man in welchem Modul machen kann und auch soll. In Capture One kann dafür jeder noch so spezielle Workflow mittels eigenen Interfaceanpassungen optimiert werden. Beides hat seinen Reiz und seine Berechtigung!
Mit Mythen aufräumen
Nichts bietet so viel Stoff für Diskussionen wie Halbwissen. So werden – gerade, aber nicht nur in Foren und Fotografiestammtischen – Meinungen über Farbe, Schärfe und Hauttöne zu dem einen oder anderen Programm unreflektiert wiedergegeben. Hier möchte ich die wichtigsten Mythen beleuchten und zeigen, dass man mit dem nötigen Wissen mit beiden Programmen zu wirklich guten Ergebnissen kommt. Auch wenn es nicht immer exakt die gleichen sein werden.
Oft hört man, dass Capture One mehr Details und Schärfe aus den Bildern holen kann. Das mag in der Standardeinstellung der jeweiligen Werkzeuge durchaus der Fall sein. Wenn man aber versteht, wie Schärfung funktioniert, kommt man mit beiden Werkzeugen zu sehr ähnlichen Ergebnissen (siehe Artikel «Richtig Scharf» in Publisher 4-17).
Lightroom hat sich in den letzten Jahre nicht gerade einen Ruf als Rennpferd gemacht. Im Gegenteil, auf manchen Maschinen ist Lightroom sehr zäh und langsam gelaufen. Das letzte Update auf Lightroom Classic CC hat hier nachgezogen. Wobei einige Teilaspekte gerne noch schneller sein dürften. Der Punkt geht aber an Capture One, da es im Workflow durch geniale Werkzeuge wie die Schärfemaske und eine schnellere Generierung der Vorschaudaten glänzt.
Capture One wird nachgesagt, dass es schönere Hauttöne generiert. Ich halte einem solchen Totschlag-Argument entgegen, dass man mit eigenen Kameraprofilen (erstellt beispielsweise mit dem Color Checker Passport von x?Rite) auch in Lightroom sehr gute Ergebnisse erzielt. Wenn man allerdings Hauttöne an eigene Vorstellungen anpassen und angleichen möchte, bietet Capture One ein Werkzeug an, das in Lightroom nicht vorhanden ist.
Capture One soll auch ganz allgemein schönere Farben entwickeln. Hier gilt gleiches wie bei den Hauttönen: Sobald man nicht das generische Adobe-Profil verwendet und mit eigenen Profilen arbeitet, ist der Startpunkt auch in Lightroom sehr gut.
Farbbalance und Farbeditor sind hingegen sehr mächtige Werkzeuge die Capture One hier für gezielte Bearbeitungen der Farbe den Vorzug geben. Jedoch ist auch Lightroom Classic CC mit der Farbauswahl um ein grosses Stück vielseitiger geworden.
Da und dort Nachholbedarf
Capture One bietet wie Lightroom das Konzept der virtuellen Kopien an – es wird Varianten genannt. Dabei können beliebig viele Kopien erstellt werden, die immer auf die gleiche RAW-Datei zugreifen. Dadurch spart man Speicherplatz und erhält unglaublich viel Flexibilität bei der Bearbeitung.
Capture One hat aber ein riesiges Manko: Wenn man Varianten erstellt, werden diese immer gemeinsam in eine Sammlung gegeben. So muss man beim Export händisch die gewünschten Varianten auswählen und kann eine Sammlung nicht auf einmal exportieren.
Capture One soll bei grösseren Bildmengen relativ schnell langsam werden. Selbst kann ich das nicht bestätigen, man hört es aber immer wieder.Dem kann man nur entgegenstellen, das Phase One einen starken Fokus auf Leistung hat und dieses Problem bestimmt schon auf dem Radar hat.
Aber auch Lightroom Classic CC hat bezüglich Leistung und Anzeigegeschwindigkeit noch einiges zu tun.
Ein grosses Fragezeichen schwebt über Lightroom Classic CC. Denn mit dem letzten grossen Update der Adobe Creative Cloud ist aus Lightroom nun Lightroom Classic CC geworden. Lightroom CC ist jetzt eine cloud-basierte Software, die – zumindest nach Adobe-Wording – neu, gut und toll ist.
Benutzer des klassischen Lightroom haben nun das Gefühl auf einem Abstellgleis zu sein. Ob das so ist oder ob Lightroom Classic CC genauso viel Aufmerksamkeit bekommt wie Lightroom CC wird die Zukunft zeigen. Vielleicht wird Lightroom CC ja ein richtiges Arbeitstier – wer weiss …
Richtig gut
Capture One bietet bei der Ausgabe – die ja meist mit Grössenänderungen verbunden ist – die Möglichkeit, direkt zu schärfen und dies bereits bei den Einstellungen zu sehen. Wenn man diese Vorgehensweise einmal verstanden hat, will man diese Funktion nicht mehr missen!
Lightroom bietet die Möglichkeit, alle Anpassungen im Entwickeln-Modul sofort und ohne Zwischenschritt auf alle ausgewählten Bilder zu übertragen. Ist man dies gewohnt, möchte man dies nicht mehr missen.
In diesem rund 21-minütigen Video erfahren Sie mehr zu den Vor- und Nachteilen von Capture One und Lightroom Classic CC.
Martin Dörsch ist Softwaretrainer, Fotograf und Mediendesigner aus Linz, Österreich. Er arbeitet mit Firmen wie Adobe, Eizo und Wacom zusammen und ist Exklusivtrainer für video2brain. Aus seiner täglichen Praxis nimmt er viel Erfahrung in seine Workshops mit.
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Autor
Martin Dörsch
Martin Dörsch ist Softwaretrainer und Contentcreator aus Linz/Österreich. Er ist u.a. Adobe Education Leader, Wacom Evangelist und Exklusivtrainer für Linkedin Learning. Aus seiner täglichen Praxis nimmt er viel Erfahrung mit in seine Workshops und umgekehrt. - Rubrik Imaging
- Dossier: Publisher 1-2018
- Thema Lightroom, Dunkelkammer, Capture One
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