Porträtfotografie in KMU

Gute Porträts auf der Website oder in der Unternehmensbroschüre? Heute immer noch die Ausnahme. Zu sehr sind Unternehmen auf ihre Texte in Leitbildern, ­Deklarationen und Angeboten fixiert. Fotos schaffen schneller Vertrauen.

Das breite Format ist für Porträts auffällig, weil eher ungewöhnlich. Der Lichteinfall zwischen den Treppenstufen stammt von einem Blitzkopf, der auf dem Treppenabsatz steht. Die Strahlen wirken sich auf die Ausstrahlung des Unternehmers aus, er scheint dem Licht entgegenzuschreiten. Zudem ist das Treppenhaus in Glas sehr lichtdurchflutet und wirkt transparent. Der monochrome Hintergrund stellt die Person stark in den Fokus.  

Frauen sehen ihr eigenes Porträt viel skeptischer als Männer. Die Sichtweise, wie sie wirken wollen, liegt ihnen eher im Blut als Männern. Warum das so ist, mögen Psychologen erklären, mir gehts hier um eine fotografische Sichtweise, wie gute Porträtfotografie funktioniert. Wenn man auf Websites nach abgebildeten Personen stöbert, so fällt erschreckend auf, was auch auf Wahlplakaten in Erscheinung tritt: Viele Porträts folgen einfachen Grundregeln nicht, sie wurden offenbar durch Laien gefertigt und genügen bestimmten Qualitätskriterien keineswegs. Auf den ersten Blick kann da einiges schieflaufen: farblich kommen die Köpfe so daher, dass der Eindruck von Bluthochdruck oder von ­käsebleich entsteht. Oft setzt sich der Hintergrund zu wenig von der Person ab, Struktur, Farbe und Schärfe sind gleichartig. Weiter hat das einfallende Licht natürlich mit Profilierung zu tun, im wahrsten und übertragenen Sinn des Wortes. Mitarbeitende auf Websites hätten es verdient, ins beste Licht gerückt zu werden.

Hier wird gerade eine Nebelanlage demonstriert, die Einbrecher orientierungslos machen soll, bis die Polizei eintrifft. Der Jungunternehmer darf spitzbübisch lachen. Zwei Blitzköpfe von links vorn und von rechts hinten beleuchten die Szenerie.

Das Vertrauensverhältnis des Models zum Fotografen ist ein zentraler Punkt der Porträtfotografie. In meiner eigenen Arbeit für eine Zeitung interviewe ich die Person immer zuerst etwa eine Dreiviertelstunde lang. Im Gespräch finde ich Kontakt und schaffe ein Vertrauensverhältnis. Wenn ich anschliessend dann zum Fotoshooting bitte, ist das Model entspannt und folgt den Regieanweisungen leichter: Bitte recht freundlich!

Selbstverständlich ist auch eine spannende Umgebung gefragt. Das kann nun der eigene Arbeitsplatz, das Treppenhaus oder irgendwo im Freien sein. Die Situation ist immer eine andere. In der Papeterie stehen viele Glasvitrinen, die Blitzlicht überall reflektieren, im schmalen Büro können keine Studioblitze aufgestellt werden, oder es herrscht Mischlicht wie bei Deckenspots und seitlich einfallendem Tageslicht. Die Frage ist auch immer, ob es sich um ein Porträt handelt oder wie weit die Arbeitsumgebung integriert werden kann. Bei genügend Umfeld geht die Person mit ihrer Mimik etwas verloren. Und bei einem reinen Porträt kann die Arbeitsumgebung nicht gezeigt werden. Die Abbildungsgrösse ist ebenfalls wichtig. Einspaltige Bilder sollten deshalb eher reine Porträts zeigen, zwei und dreispaltige Fotos können auch Umgebung beinhalten.

Körpersprache

Die frontale Haltung ist nur eine der Möglichkeiten. Ich bevorzuge oftmals eine leicht abgedrehte seitliche Körperhaltung, die dynamischer wirkt. Wohin die Hände sollen, ist für viele Models eine Herausforderung, die Gestik sagt viel über die Person aus. Wenn die Hände etwas zu halten haben, wird die Situation dadurch entspannt. Verschränkte Arme, die Hand am Treppengeländer oder einen Gegenstand haltend – der Fotograf sollte hier helfend Regie führen und eine Idee beisteuern. Die wenigsten Personen haben eine Vorstellung vom guten Bild.

Die abgebildete Person führt ehrenamtlich ein Café, wo sich Migranten treffen können. Der Teppich im Hintergrund wurde von Migrantinnen aus Fernost für das Café hergestellt, er steht für Patchwork, was genau dem Cafézweck entspricht. Zwei Blitzköpfe beleuchten von links und rechts.  

Seitlicher Lichteinfall

Die Modulation des Körpers wie des Kopfes wird vom Licht gesteuert. Wenn es möglich ist, sollte das Licht eher schräg bis seitlich einfallen. Kopf und Körper erhalten so eine Schattenseite, die das Model plastischer erscheinen lässt. Mit Aufsteckblitz sollte man Personen eher nicht ablichten, denn das Bild wird sehr flach ausfallen, die Tonwertmodulation sinkt. Indirektes Blitzlicht oder ein entfesselter Blitz bringen bessere Resultate. Wenn es die räumlichen Verhältnisse zulassen, arbeite ich mit zwei Studioblitzköpfen, die eine relative Unabhängigkeit von bestehenden Lichtsituationen bringen. Der eine Blitz dient dann als generelle Ausleuchtung, er wird seitlich vorn aufgestellt, der zweite Blitzkopf dient als Aufhelllicht, er steht dann fast entgegengesetzt hinter dem Model und streift es von hinten. Ein solches Setting erzeugt eine gute plastische Wirkung.

Die Malerwerkstatt erfährt durch die Perspektive eine Dreidimensionalität. Gegenstände im Vordergrund betonen das Handwerkliche und zeichnen die Person als jemanden aus, der sich im Beruf praktisch auskennt.
Der Transportunternehmer ist nicht nur ein Spediteur, sondern auch ein Administrator und ein Organisator. Die Ordnerwand im Hintergrund ist in der Unschärfe, was die Person dreidimensional hervorhebt. Farben sind in der Zeitung hochwillkommen.

In engen lichtarmen Räumen ist die Lichtführung eine Herausforderung, da der Platz für Studioblitze oft fehlt. Dann fotografiere ich auch mal mit hohen ISO-Werten bis 10 000, bei denen ich auf den Blitz verzichten kann. Ein Aufsteckblitz zerstört immer etwas die vorherrschende Atmosphäre.

Vordergrund und Hintergrund

Ein gleichförmiger Hintergrund lässt das Porträt nach dem Figur-Grund-Gesetz stark hervortreten. Solche Bilder entstehen typischerweise im Studio. In der Businessfotografie werden die Personen im natürlichen Umfeld abgelichtet, und dieses ist fast nie einförmig. Wenn die Umgebung stark strukturiert und mit vielen Details durchsetzt ist, kann man sie mit der offenen Blendenwahl in die Unschärfe legen. Es braucht dazu ein lichtstarkes Objektiv mit Offenblende von etwa f1,8. Ein detailreicher Hintergrund ist nur sinnvoll, wenn das Porträt gross abgebildet wird.

Aufnahmen mit mehreren Personen sind besonders schwierig, weil eine davon zwinkert oder nicht dahin schaut, wo sie hinsehen sollte. Deswegen drücke ich immer mindestens dreimal auf den Aus­löser. Die Beleuchtung ist anspruchsvoller, da alle Personen gleichmässig ausgeleuchtet werden sollten. Oft steht eine Person der anderen vor dem Licht. In diesem Beispiel sieht man zudem im Spiegel hinten den Schirm des Blitzkopfes, was allerdings hier nicht störend wirkt.

Eine attraktive Möglichkeit ist es, Dinge im Vordergrund zu inszenieren und das Porträt dazwischen abzulichten. Diese Variante schafft zusätzlich eine Dreidimensionalität.

Ganz selten sind Personen zu einer solchen Mimik bereit. Lächeln ist immer gut, wenn es authentisch wirkt, sonst genügt auch ein freundliches Dreinschauen.
Hier konkurrieren zwei Blitzköpfe von links und rechts mit den Spotlampen der Drogerie. Die sind jedoch notwendig, um die Atmosphäre der Arbeitsumgebung zu erhalten. Ein Weissabgleich hier führt unweigerlich zu falschen Farben im Bereich der weissen Kittel oder der Umgebung.

Farben

Die Wiedergabe der Hauttöne sollte einfach glaubwürdig sein. Ob die Hauttöne nun etwas rötlich, gelblich oder bläulich geraten, spielt aus meiner Sicht keine so grosse Rolle. Unser Auge-Hirn-System arbeitet adaptiv, und solange nicht käsebleich oder bluthochdruckrot suggeriert wird, können wir gut mit einem gewissen Spielraum umgehen. Einen Hautton in bestimmten CMYK-Werten als Standard zu definieren, verkennt die Tatsache, dass auch das Umgebungslicht nicht normiert ist. Ein Standard-Hautton ist deshalb Unsinn.

Ein Unternehmer posiert im eigenen Umbau. Der Kontrast besteht aus Kleidung und Umgebung, das Licht beleuchtet von rechts hinten und von links vorn.
Ralf Turtschi

Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG, ­visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der ­­Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als ­Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden, tätig, wo er beim Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie das ­Studienfach Design unterrichtet.
­Kontakt: agenturtschi.ch ­
turtschi@agenturtschi.ch
Telefon +41 43 388 50 00.

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Imaging
  • Dossier: Publisher 3-2018
  • Thema Porträitfotografie, KMU

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