Dreidimensionale Möglichkeiten der Kommunikation

Bei 3D-Druck denkt man an gedruckte Möbel oder Plastikfiguren. Die ­Technologie bietet für die grafische Branche jedoch weitaus mehr Möglich­keiten und entwickelt sich rasant weiter. 

3D-Druck ist seit einigen Jahren medial sehr präsent. Man kann ganze Häuser oder auch sein eigenes Essen drucken. Doch welche Relevanz hat die Technologie für das grafische Gewerbe? Bisher waren Anwendungen von Dienstleistern in der Schweiz zu sehen, bei denen sich Menschen in einem grossen Scanner ausmessen lassen können. Von diesen Scans werden anschliessend kleine Figuren als Abbild der Personen – oder auch eines Tiers – gedruckt. Diese Lösung ist witzig, hat sich aber noch nicht richtig durchsetzen können und richtet sich mehrheitlich an Privatkunden. Im professionellen Bereich kommt 3D-Druck immer häufiger vor. Ob für verkaufsunterstützendes Material im bzw. vor dem Laden, Give-Aways oder Beschriftungen – die Möglichkeiten der Technologie sind für Dienstleister in der grafischen Industrie vielfältig und das Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

3D-Druck als Eyecatcher

Schweizer Dienstleister wie etwa Haas – Die Werbemanufaktur beweisen mit innovativen Anwendungsbeispielen, dass die Technologie eine Chance für Anbieter von Kommunikationslösungen ist. So hat der Betrieb von Reto Haas eine überdimensionale Bierflasche für eine Brauerei hergestellt. Die mit dem grossformatigen 3D-Drucker BigRep aus Filament gedruckte Flaschenform hat danach mittels Wrapping-Folie den Look des Originals erhalten. Um das Ganze noch spektakulärer zu machen, wurde die Flasche so am Schaufenster angebracht, dass man meint, sie würde horizontal durch die Scheibe fliegen. Der Large-Scale-Printer von BigRep, welcher in der Schweiz von der Chromos AG zusammen mit FORM AG vertrieben wird, hat dabei die Vorarbeit geleistet, indem er die Objektform gefertigt hat. Anschliessend müssen 3D-Produkte aber noch weiterverarbeitet und veredelt werden, was ein wesentlicher Bestandteil im Produktionsprozess ist. Da diese Kompetenzen zum Tagesgeschäft der Werbetechnik- und Druckbranche gehören, liegt der Einsatz der dreidimensionalen Drucktechnologie für die grafische Branche nahe.

Junger Markt mit Potenzial für Experimente

Anwendungen im 3D-Druck müssen kundenspezifisch entwickelt werden. Anderes als bei den meisten Druckern im 2D-Bereich ist die Form beim 3D-Druck variabel. Entsprechend braucht es ein räumliches Vorstellungsvermögen zur Entwicklung von Projekten, genauso wie eine hohe Kreativität und Experimentierfreude zur Ausarbeitung von Ideen für den Kunden. Das alles bringt die Berner Form AG mit: diverse Projekte mit internationaler Reichweite haben dem Unternehmen über die Landesgrenzen hinaus Ansehen und Aufträge von Weltkonzernen eingebracht. Dazu sagt Stefan Ingold, Geschäftsführer bei der Form AG: «Als Dienstleister für 3D-Druck braucht es aufgeschlossene Mitarbeiter, die motiviert sind, die Technologie und die dazugehörige Software erlernen zu wollen.» Der Markt ist noch nicht übersättigt und die Möglichkeiten enorm. Katinka Gyomlay ist bei der Chromos AG für den neuen Geschäftsbereich 3D-Druck verantwortlich. Neben Produkten von BigRep vertritt das Unternehmen auch Lösungen von Sinterit und Mimaki in der Schweiz. «Man muss als Dienstleister für 3D-Druck experimentell unterwegs sein und sich an der Entwicklung des Markts beteiligen», so Gyomlay und ergänzt: «Da die Maschinen in den letzten Jahren preislich interessanter geworden sind, haben sich die druckbaren Materialien enorm weiterentwickelt.» Entsprechend ist nach einer ersten Phase, in der alle darüber sprachen, dass vom Haus bis zum Möbelstück alles gedruckt werden kann, nun eine praxisbezogene Aufbauphase im Gang, die zu Spezialisierungen führen wird. Innovative Dienstleister haben dadurch jetzt die Chance, sich früh am Markt zu beteiligen. Auch etablierte 2D-Dienstleister wie Chromos können diesen Aufbau unterstützen. Chromos hat deshalb gemeinsam mit der FORM AG die Firma Plattform 3 ins Leben gerufen. Plattform 3 paart Praxiserfahrung mit technischem Know-how und bietet seinen Kunden umfassende Lösungen von der Idee, über die Beratung und Produktion bis hin zum Verkauf von 3D-Geräten.

Fehlende Standards für Daten

Im Vorfeld der Produktion ist die Datenaufbereitung entscheidend und etwa eine CAD-Expertise notwendig. In einem Auftrag für Samsung erstellte die FORM AG einen über zwei Meter grossen Roboter als 3D-Figur ausgehend von einem Werbevideo, in dem diese Figur vorkam. Dafür wurden 70 kg Filament verwendet und der Druck dauerte 410 Stunden. «Wir haben zwar vom Kunden 3D-Daten erhalten, aber sie waren für das Rendering ausreichend, jedoch nicht für die Konstruktion. Zum Glück hatten wir Mitarbeiter, welche diese zeichnen und ergänzen konnten», so Stefan Ingold. Herausfordernd sind insbesondere freistehende Elemente, welche bei einem aufbauenden Druckverfahren gestützt oder so geplant werden müssen, dass sie nicht abbrechen oder herunterfallen. Jeder Drucker hat dabei andere Aufbauten und Anforderungen, sodass Standards für die Datenaufbereitung bis heute fehlen. Um Enttäuschungen zu vermeiden, macht es durchaus Sinn die gezeichneten 3D-Modelle den Kunden mittels Virtual Reality vorab zu zeigen und dabei auf schwierige Stellen beim Objekt hinzuweisen.

Die Weiterverarbeitung macht den Unterschied

Wenn ein Objekt dann gedruckt ist, heisst das aber noch lange nicht, dass es fertig ist. Erst mit dem nötigen Finishing entsteht das Endprodukt. Stefan Ingold ist seit ca. 8 Jahren im 3D-Bereich tätig und hatte sich ursprünglich aus Neugier eine erste Maschine angeschafft. Die nächste Investition war in ein 3D Fräsroboter, dieser funktioniert nicht wie beim bekannten 3D-Druck aufbauend, sondern fräst die Formen aus einem Styropor-Block heraus, arbeitet also wie ein Bildhauer. Da Styropor alleine nicht attraktiv für die Kundschaft ist und zudem der Witterung kaum standhält, forschte die Form AG gut ein Jahr an einer eigenen Lösung für die Textur, welche den Styropor überzieht. Stefan Ingold von der FORM AG betrachtet gerade die Weiterverarbeitung als entscheidend: «Wenn man 3D machen will, ist das Knowhow beim Finishing und in der Datenaufbereitung entscheidend. Der Druck an sich ist einfach, wenn man sich mit den Materialeigenschaften und den Verarbeitungsbedingungen auskennt.» Bei der Veredelung jedoch besteht der eigentliche Markt. Hier lässt sich die Expertise der Dienstleister ablesen. Das gedruckte Objekt wird unter Umständen noch lackiert, foliert, ausgehärtet, gespachtelt oder geschliffen, da entstehen ganz neue Geschäftsmodelle, die sehr nahe an der Arbeit von Werbetechnikern sind. Die meisten 3D-Drucker produzieren Objekte mit ein bis zwei Materialien und Farben. Der Vollfarb-3D-Drucker von Mimaki 3DUJ-553 ist das erste 3D-Drucksystem, das mehr als 10 Millionen verschiedene Farbtöne ermöglicht. Basierend auf der UV-härtenden Inkjet-Technologie baut es Objekte durch das Sprühen von aufeinander folgenden Farbschichten auf, die bei jedem Durchgang durch LED-UV-Licht ausgehärtet werden. Der 3DUJ-553 verwendet CMYK-, weisse und klare Tinten, um fotorealistische Produkte auch in Schmuckfarben und mit Schattierungen sowie Farbverläufen herzustellen.

Anforderungen und Ausblick

Wer als professioneller Dienstleister für 3D-Druck einsteigen will, sollte in erster Linie mit einem kleinen System anfangen und durchaus mehr Zeit in die eigene Strategie investieren. Das neue Thema muss seinen Platz im Tagesgeschäft finden und entsprechend ist auch das Zeitmanagement anzupassen. Nur so kann der Bereich aktiv entwickelt werden. Lediglich einen Drucker zu kaufen, reicht nicht aus. Um sich als eigenständiger Spezialist zu entwickeln, braucht es Training und Schulungen. Die Anwender der Systeme gehen oftmals nicht einfach von der Schule ab, das Wissen muss individuell für jeden Betrieb aufgebaut werden. Der Markt ist zu jung und die Möglichkeiten zu vielfältig, um bereits breites Know-how im Arbeitnehmermarkt zu finden. Deshalb gilt es, die eigenen Mitarbeiter für diesen Bereich zu begeistern, z.B. mit Leuchtturmprojekten, die dann gleichzeitig auch dazu dienen neue Kunden anzuziehen. Zum Experimentieren verleitet durchaus auch die ständig zunehmende Auswahl an Möglichkeiten. Beispielsweise lassen sich bereits Sensortechnologien, Bildschirme oder Touch-Displays in 3D-Objekte integrieren, Figuren können mit Elektromechanik beweglich werden und es gibt bereits erste Ansätze, um das stabile Material Carbon zu drucken. Zudem zeigt Mimaki Anwendungsbeispiele, wo sich aus der Kombination von 3D- und Flachbett-Druck Individualisierungen ergeben: So können auf dem 3D-Drucker hergestellte Formen als Halterung für Objekte eingesetzt werden, welche dann mittels Flachbettdruckern bedruckt werden. Hier überschneiden sich die beiden Gebiete Werbetechnik und 3D-Druck und eröffnen ein enormes Potenzial.

  • Autor Laurent Gachnang
    Laurent Gachnang ist seit über 15 Jahren in der Medien- und Unterhaltungsindustrie tätig. Er gilt als Experte für digitales Publizieren und Online Marketing. Zuletzt arbeitete er bei einem Medienunternehmen als Marketingverantwortlicher und war massgeblich an der Lancierung eines Change-Prozesses beteiligt. Als Gastdozent ist er an diversen Fachhochschulen sowie ehrenamtlich als Mentor bei der Startup Academy Basel tätig.
  • Rubrik Magazin
  • Dossier: Publisher 5-2019

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