Ursache und Nebenwirkungen

Zehn Jahre später …

Am 15. Januar hatte ich einen Flashback. Im «Tages-Anzeiger» berichtet ­Matthias Schüssler auf der Seite «Digital» über die Einstellung von ­Windows 7. Windows 7, das Nachfolgemodell des damals erfolglosen ­Windows Vista, wird nach gut zehn Jahren eingemottet. Microsoft wird alle Upgrades einstellen und keine Sicherheitslücken mehr schliessen. An Windows Vista erinnere ich mich noch genau, weil damals die Segoe UI, ein Plagiat mit gerichtlicher Brandmarkung, auf den Markt kam, die die Arial ablösen sollte. In der Wiege mit der Segoe lagen sieben neue Schriften mit dem C im Namen: Calibri, Constatia, Consolas, Calisto, Corbel, Candara, Cambria.

Nach gut zehn Jahren soll es jetzt also mit Windows 7 vorbei sein. Glücklich schätzte sich, wer zehn Jahre lang das gleiche System mit der gleichen Software nutzen konnte. Wenn einmal etwas zuverlässig funktioniert, dann lasst es doch so bleiben. Jetzt kommt der grosse Rush. Die Ärmsten! In Windows’ Cloud heisst es, die kuschelige Wohlfühlzone zu verlassen.

Die Beerdigung von Windows 7 betrifft Mac-User wenig. In der Apfelwelt heisst das Betriebssysteme macOS, benannt nach kalifornischen Wahrzeichen: Yosemite, El Capitan, Sierra Nevada, Mojave oder in der neusten Variante St. Catalina. Ziemlich erfolgreich werde ich regelmässig bedrängt, doch bitte eine Upgrade herunterzuladen. So sind wohl die meisten Mac-User mit dem neusten Betriebssystem ausgerüstet. Ein kontinuierliches Upgraden bedeutet nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch allerlei Schnickschnack, auf den man nicht unbedingt gewartet hat.

… und kein bisschen weiser

Wir alle zappeln im Netz. Das gleiche Spiel läuft bei der Software. Seit ich zur Abolösung von Adobe gewechselt habe (fast wechseln musste), kommen im Monatstakt Upgrades. Selbstredend basiert Adobe auf die neusten Versionen von Windows und macOS – bei älterer Software drohen gewisse Funktionen nicht mehr zu laufen. Ich bin der Upgrade-Epidemie zum Opfer gefallen. Wie, Epidemie. Pandemie! Die Krux am Ganzen: Das «Krankheitssymptom» äussert sich als schleichender Kompetenzverlust, denn keiner sagt, was mit den Upgrades wirklich auf die Rechner gelangt. Plötzlich sind in InDesign offensichtlich und verdeckt neue Funktionen enthalten, keine Ahnung wofür, und in Photo­shop will partout etwas nicht mehr funktionieren. Ich Ärmster! Natürlich habe ich keine Zeit, das Problem sofort zu googeln und meine Kompetenz ebenfalls «upzugraden». Ganze Programmbereiche entfernen sich in einer nebligen Wolke. Dafür gibts neu den Kindergartenbereich: in Photoshops Fenster Formen sind jetzt Silhouetten von Blümchen, Affen, Elefanten und Segelbooten vorhanden. Für die Kleinsten, zum Ausmalen! Für die etwas grösseren Kinder gibts einen 3D-Bereich – wofür das im Desktopbiotop nützlich ist? Irgendwie scheint die Denkweise der Tech-Giganten nicht mit der von uns gemeinen Usern übereinzustimmen. Effizientes Arbeiten und Klarheit scheint ihnen vollkommen egal zu sein. Das Aufblähen im Sinn von «Toll, für alle was dabei!» ist für uns nicht erhellend, sondern einfach verwirrend und zuweilen frustrierend.

Ich frage mich, wo die künstliche Intelligenz beim Aufsetzen und Konfigurieren eines Betriebssystems und von personalisierter Software bleibt. So manche hätten es leichter, von Windows 7 wegzukommen!

  • Autor Ralf Turtschi
    Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden,
    tätig, wo er im Diplomlehrgang Fotografie der Masterclass Fotografie und an der Höheren Fachschule für Fotografie unterrichtet.
  • Rubrik Kolumne
  • Dossier: Publisher 1-2020

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