Onlinetexte lesefreundlich gestalten

Wenn Artikel und Blogposts bei Lesern nicht so gut ankommen, muss das nicht allein mit den Inhalten zu tun haben: Viele Websites vernachlässigen die lesefreundliche Gestaltung ihrer Beiträge. Jan Tißler vom Online-Magazin UPLOAD gibt Ihnen in diesem Artikel einige (hoffentlich gut leserliche) Tipps.

Lesefreundliche Gestaltung ist wichtig, denn Leser sind online fast immer in irgendeiner Form auf dem Sprung. Eigentlich haben sie gar keine Zeit, den Beitrag zu lesen. Sie haben ihn vielleicht zufällig im Social Web entdeckt, während sie mit etwas anderem beschäftigt waren. Oder sie sind grundsätzlich erst einmal skeptisch, ob sich die Mühe überhaupt lohnt. Zudem ist die nächste Ablenkung nur einen Klick entfernt.

Insofern kämpfen Sie mit jedem Satz, mit jedem Absatz, mit jedem Textelement in Ihrem Artikel um die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser. Klappt das nicht, dann wurde der Beitrag zwar aufgerufen, wodurch Sie sich einen Seitenabruf gut schreiben können. Aber die Nutzer werden eventuell nicht wie erhofft den Newsletter abonnieren, ein Whitepaper herunterladen oder Ihren Post im Social Web empfehlen.

Im Folgenden schauen wir uns nun an, wie Sie allein schon durch lesefreundliche Gestaltung dafür sorgen können, dass Ihre Inhalte gern gelesen werden und rundherum erfolgreicher sind.

Punkt 1: Ablenkungen vermeiden

Bei den meisten Leserinnen und Lesern reicht eine kurze Irritation, um sie aus dem Text zu reissen. Deshalb sollten Sie Ablenkungen und Störungen so weit es nur geht vermeiden.

Animationen und Werbung

Ein Problem sitzt ganz tief in einem der ältesten Teile unseres Gehirns: Wir Menschen sind darauf konditioniert, Bewegungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Und das gerade aus dem Augenwinkel heraus! Während das früher nützlich war, um den heranschleichenden Säbelzahntiger zu entdecken, entdecken wir damit im Web heute vor allem eines: Werbung.

Vielleicht haben Sie das selbst auch schon erlebt, dass Sie eigentlich einen Artikel lesen wollten, aber dieses eine blinkende, zuckende, animierte Element irgendwo anders auf der Seite (oder sogar mitten im Text!) machte Ihnen das nahezu unmöglich. Ich persönlich habe solche Anzeigen schon mit der Hand abdecken müssen…

Natürlich kann es sein, dass Ihre Seite ohne solche nervigen Anzeigen nicht überleben kann. Sie sollten sich im Gegenzug aber auch nicht wundern, wenn die Zahl der Adblocker-Nutzer ebenso steigt wie die Absprungrate.

Und über automatisch abspielende und losplärrende Videos brauchen wir an dieser Stelle sicher gar nichts mehr zu sagen. Dass die eine Pest sind, sollte soweit klar sein. Manche Browser deaktivieren sie inzwischen standardmässig.

Eine andere Mode-Erscheinung sind kleine Hinweise, die am unteren Rand ins Browser-Fenster geflogen kommen, wenn wir uns dem Ende des Textes nähern. Da ist es dem Website-Betreiber dann offensichtlich wichtiger, dass wir dort klicken, als dass wir den Artikel zu Ende lesen. Denn unsere Konzentration ist natürlich gestört und der Lesefluss unterbrochen.

Aber es muss sich gar nichts bewegen, um uns zu stören und das Lese-Erlebnis runter zureissen: Vollflächige Werbeformate sind selbst auf inhaltlich hochwertigen Seiten zu finden. Da wird der gesamte Hintergrund eines Beitrags als Werbefläche missbraucht. Schreiende Farben, dringende Aufforderungen zur Aktion, hübsche Gesichter: Das mag alles Ihren Werbekunden helfen, aber nicht Ihrem Artikel.

Overlays

Eine weitere Unsitte des Webs sind Elemente, die sich über den Text legen. Manchmal tun sie das gleich, wenn man die Seite aufruft. Andere sind fieser: Sie warten erst, bis man mit dem Lesen angefangen hat, um sich in den Vordergrund zu drängen.

Weil ein einfaches Overlay-Fenster offenbar nicht schlimm genug ist, blenden manche Seiten den kompletten Beitrag aus! In dem Moment ist man nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, es ist oftmals gar nicht klar, was überhaupt passiert ist. Hat man aus Versehen einen Link geklickt? Ist man auf einer Scam-Seite gelandet, die einem Schadsoftware unterschieben will? Ist der Browser kaputt?

Und weil es diesen Seitenbetreibern nur um die eigenen Erfolgszahlen geht und nicht um die Nutzer ihrer Seite, kommen darüber hinaus «Dark Pattern» im Design zum Einsatz: Es wird bewusst verschleiert, wie man das Overlay wieder los wird, ohne die gewünschte Aktion auszuführen. Das «X» zum Schliessen wird dann möglichst klein und unauffällig ausserhalb des Sichtfelds platziert. Oder man muss auf einen passiv- aggressiven Link klicken à la: «Nein danke, ich will nicht erfolgreicher sein als meine Konkurrenz».

«Funktionieren» diese Overlays und die Dark Pattern im Design? Sicherlich. Sogar grosse Vorbilder wie Amazon nutzen sie auf ihrer Seite. Sind sie lesefreundlich? Positionieren Sie sich damit als hochwertiger Anbieter? Steigt Ihr Ansehen bei den Leserinnen und Lesern? Sicherlich nicht.

Punkt 2: Lesefluss optimieren

Aber selbst wenn Sie ein perfekt lesbares Layout haben und Ablenkungen komplett vermeiden, ist die Gefahr noch nicht gebannt. Es gibt weitere Elemente, die zu jedem Text gehören und zu einem Absprung führen können.

«Webdesign ist zu 95 % Typografie» – Oliver Reichenstein, Information Architects. © IgorTishenko, depositphotos.com

Fotos und Illustrationen

Generell wird empfohlen, den Text nicht durch Bilder zu unterbrechen. Wie wir es beim UPLOAD Magazin beispielsweise am Anfang eines Beitrags handhaben, ist demnach falsch. Wir machen das aber aus anderen Gründen trotzdem: Zum einen möchten wir den «Anreisser» vom Rest des Textes optisch abtrennen. Zum anderen wollen wir einen schönen ersten Eindruck vermitteln.

Manch andere Seiten treiben das mit dem ersten Eindruck so weit, dass man nur das Artikelbild und die Überschrift sieht und für den eigentlichen Text erst herunterscrollen muss. Das kann schön aussehen, wenn man denn wirklich schöne Abbildungen hat. Es kann die Nutzer aber durchaus auch irritieren und entmutigen. Hat man dann noch eine auffällige Werbung oberhalb dieses Elements wird das Ganze oftmals zum Suchspiel: Wo ist denn der Artikel, den ich eigentlich aufrufen wollte…?

Wenn wir bei UPLOAD Abbildungen im Text haben, sind diese oft spaltenbreit. Wir achten allerdings stets darauf, dass die Bilder dort platziert werden, wo sie inhaltlich Sinn ergeben. Idealerweise leitet der Text selbst sogar auf das Foto oder die Illustration über. Dadurch wird dieses Element zu einem Teil des Gesamtbeitrags und ist kein Fremdkörper, der den Lesefluss unterbricht.

Trotzdem will ich nicht verheimlichen: Der erste Eindruck eines Artikels ist oftmals wichtig. Und wenn man dann sehr viel Text und kaum Abbildungen sieht, wird das manchen Leser abschrecken. Insofern verlieren wir in UPLOAD sicherlich Potenzial, weil wir hier sehr minimalistisch gestalten.

Andererseits werden unsere Beiträge anders gelesen als andere. Denn unsere Abonnenten können sich die UPLOAD-Ausgaben in drei E-Book-Formaten herunterladen und dann auf einem Gerät ihrer Wahl lesen. Zudem gehen wir davon aus, dass unsere Artikel in Diensten wie Pocket gespeichert und später in Ruhe gelesen werden. 2000 Wörter und mehr liest man sowieso selten mal eben zwischen zwei Klicks.

Textgestaltung

Ich habe an dieser Stelle eine schlechte Nachricht für Sie: Die allerwenigsten Nutzer lesen Ihre Texte tatsächlich Wort für Wort wie einen Roman. Das mag jetzt Ihren Stolz verletzen. Aber Sie sollten das trotzdem bedenken. Übrigens lesen viele Menschen nicht einmal Romane wie Romane, sondern überspringen langweilige oder irrelevant scheinenden Abschnitte…

Und das betrifft mehr Nutzer als Sie vielleicht denken: Denn viele haben es sich bei längeren Beiträgen zur Angewohnheit gemacht, das «Gesamtwerk» einmal vorab zu überfliegen. Anhand dieses ersten, flüchtigen Eindrucks wird entschieden, ob sich die Mühe lohnt.

Dazu scannen sie den Text nach interessanten Elementen:
• Zwischenüberschriften,
• Bildunterschriften,
• Texthervorhebungen,
• die ersten paar Wörter der Absätze
• und die Links.

Sie alle sollten den Inhalt des Beitrags ebenso vermitteln, wie der Beitrag selbst – eben in komprimierter Form für eilige Leser. Sie alle sollten zudem dazu anregen, in den Text einzusteigen. Das kann an Ort und Stelle sein oder vielleicht sind sie so überzeugend, dass die Person doch nach oben scrollt und von Beginn an liest. Selbstverständlich ist das aber nicht.

Achten Sie also darauf, dass Zwischenüberschriften etwas darüber verraten, worum es geht. Bedenken Sie zugleich, dass eine Zwischenzeile nicht Teil des Fliesstextes ist. Sie dient der Orientierung, wird aber nicht zwingend mitgelesen. Unklare Überschriften, die sich erst nach dem Lesen des Textes erschliessen, können interessant sein. Da kommt es ganz auf Ihre Leserschaft an und darauf, was Sie vermitteln möchten. Bei einem Ratgeber-Beitrag sollten Sie es eher wie eine Gliederung sehen und nicht als Element Ihrer künstlerisch-intellektuellen Selbstverwirklichung.

Absätze wiederum dienen ebenfalls dazu, die Inhalte zu gliedern. Man macht eine gedankliche Pause, wenn ein neuer Absatz kommt. Und er dient wie erwähnt zugleich als potenzieller Einstiegspunkt.

Da die Aufmerksamkeitsspanne heutzutage angeblich so kurz ist, geht mancher dazu über, für jeden Satz einen eigenen Absatz zu machen. Das mag als Stilmittel ab und an ganz interessant sein. Und es gibt sicherlich Textformen, Themen und Zielgruppen, wo das gut funktioniert. Generell halte ich das aber für deutlich zu extrem.

Eine verwandte Form ist die Liste – geordnet mit Zahlen oder ungeordnet mit neutralen Listenpunkten. Listen dienen beispielsweise dazu, mehrere Punkte geordnet zu erklären. Sie können auch Arbeitsschritte enthalten. Oder es lassen sich damit Begriffe erklären und vergleichen.

Listen sind ebenfalls sehr auffällig und werden beim Überfliegen des Textes beachtet. Sie sind meistens eingerückt und haben etwas Abstand nach oben und unten, um sich vom restlichen Text abzugrenzen.

Bleiben noch Hervorhebungen. Das Wort «Hervorhebungen» im vorherigen Satz ist beispielsweise «gefettet », damit es auch beim Überfliegen auffällt. Und es signalisiert Ihnen als Leser gleichzeitig, dass ein neues Thema folgt.

Eine andere Hervorhebung ist schräggestellt, das in der Regel für Betonungen genutzt wird. Manche setzen es ein, um Fachbegriffe oder Fremdwörter zu kennzeichnen.

Orientieren Sie sich idealerweise daran, wie andere Medien in Ihrem Bereich das handhaben.

Unterstreichungen sind eher nicht als Hervorhebung geeignet, weil damit doch noch immer «Link» in Verbindung gebracht wird, auch wenn das heute kaum noch vorkommt.

Links

Apropos Links: Sie sind ein grundlegendes Element des WWW. Sie liefern zusätzliche Informationen, verknüpfen Inhalte und sind sowohl für die Nutzer als auch für Suchmaschinen entscheidend.
Zugleich muss man sich bewusst sein, dass jeder Link ein potenzieller Absprungpunkt ist. Sobald ein Link auftaucht, muss die Leserin oder der Leser in dem Moment entscheiden, ob er geklickt werden soll oder nicht. Dazu muss unter anderem klar sein, was sich hinter dem Link eigentlich verbirgt: Wo lande ich nach dem Klick und was erfahre ich dort? Erst dann lässt sich beurteilen, ob sich der Klick jetzt lohnt, ob man später hierher zurückkehrt oder ob man den Link ganz ignoriert. Dieser Prozess spielt sich zwar in Sekundenbruchteilen ab. Aber er lenkt uns natürlich vom Lesen ab. Er unterbricht unseren Lesefluss. Und das kann dazu führen, dass man den inneren Zusammenhang des Textes verliert, den man gerade gelesen hat – und diesen Moment eventuell zum Anlass nimmt, das Browserfenster zu schliessen. Oder man klickt auf den Link und vergisst vollkommen, was man eigentlich lesen wollte…

Es gibt dabei die Unart im Netz, einzelne Wörter zu verlinken, ohne dass der Sinn oder das Ziel des Links klar würden. Manchmal geschieht das aus Unwissenheit. Manchmal finden die Autoren das witzig oder smart – denn nach dem Klick versteht man dann (hoffentlich), was damit gemeint war.

Das kann tatsächlich interessant und unterhaltsam sein oder einen komplett verwirren und nerven. Ich bevorzuge generell Klarheit, wo es nur geht. Das hängt aber sicher auch vom Stil der Seite und der angestrebten Leserschaft ab.

Bedenken Sie ausserdem, dass viele Nutzer, wie bereits erwähnt, Ihre Artikel nur überfliegen! Einzeln verlinkte Wörter fallen dann zwar ins Auge, geben einem aber keinerlei Hilfe zum Inhalt.

Infoboxen

In Fachbüchern findet man oft Kästen im oder auch neben dem Text, die Tipps geben, Begriffe erklären oder eine Anekdote parat halten. Das lockert den Text auf und liefert interessante Informationsfetzen beim schnellen Durchblättern.

Bücher haben es da allerdings ein wenig einfacher als Onlinetexte: Wir kaufen sie in der Regel bewusst und nehmen sie auch bewusst zur Hand. Einen Artikel im Web aber haben wir vielleicht nur zufällig entdeckt. Insofern kommt hier wieder zum Tragen, was schon mehrfach erwähnt wurde: Solche Infokästen können zum Absprung der Leser führen.

Entscheiden Sie sich deshalb gezielt dafür, welche Informationen Sie auf diese Weise vermitteln wollen. Sie sollten zum Verständnis des Fliesstextes nicht notwendig sein. Zudem sollten diese Kästen so gestaltet sein, dass ihr Charakter deutlich wird. In dem Moment kann man sich als Leser schnell entscheiden, ob man der Box Beachtung schenkt oder sie ignoriert und überspringt.

Wir nutzen solche Boxen beispielsweise, um auf unseren Newsletter aufmerksam zu machen. Für uns ist das ein Kompromiss: Wir wissen, dass wir damit den Lesefluss unterbrechen. Vielleicht wird mancher sogar denken, der Beitrag sei bereits zu Ende. Dieses Risiko gehen wir ein, weil es uns wichtig ist, eine Leserschaft für unseren montäglichen Rundbrief zu gewinnen. Zugleich ist uns der Newsletter aber nicht wichtig genug, um unsere Nutzer mit einem Overlay zu nerven.

Bitte nicht ablenken lassen! Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, dies kann auch beim Gestalten passieren. Zu viele wichtige Infos erscheinen dann plötzlich unwichtig.

Schlusswort

Wir bei UPLOAD sind in vielerlei Hinsicht in einer besonderen Situation. Wir haben viele Zwänge nicht, die andere Seiten haben. So verzichten wir bewusst auf klassische Onlinereklame. Das gibt uns sehr viele Freiheiten bei der Gestaltung der Seite und verringert zugleich die Zahl der Ablenkungen enorm.

Natürlich geht es anderen anders. Da muss über Werbung Geld reinkommen. Oder jeder im Unternehmen möchte seine Angebote in der Seitenleiste platzieren, die als absolut unverzichtbar erscheint.

Deshalb gilt es Kompromisse zu finden. Und wie in diesem Beitrag erwähnt: Auch wir sind nicht frei davon. Es sollte nur allen Beteiligten klar sein, dass viele zusätzliche Elemente einen Preis haben. Und den zahlt der Beitrag auf der Seite. 

Weitere Infos
Dieser Artikel ist am 21. Juli 2019 in einer vollständigen Fassung im Upload Magazin 72: Richtig schön – Gutes Design erschienen.

Jan «jati» Tißler hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digitalpublizist. 2006 hat er das Online-Magazin UPLOAD aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er mit UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico. upload-publishing.de / jati.de

  • Autor Jan Tißler
    Jan «jati» Tißler hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Online-Journalist und Digital- publizist. 2006 hat er das Online-Magazin UPLOAD aus der Taufe gehoben. Seit 2015 hilft er Unternehmen, mit Inhalten die richtigen Kunden zu begeistern. Gemeinsam mit Falk Hedemann bietet er mit UPLOAD Publishing Leistungen entlang der gesamten Content-Marketing-Prozesskette an. Der gebürtige Hamburger lebt in Santa Fe, New Mexico.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 3-2020
  • Thema Beitragsoptimierung, Upload-Magazin

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