Wirkt Marketing auch in der Krise? Meine persönliche Erfahrung mit der Pandemie

Die Corona-Pandemie zeigt, wie schnell gutgehende Unternehmen von einem Tag zum anderen um ihr Über­leben kämpfen müssen. Als Marketingberater musste ich mir die Frage stellen: Bewährt sich Marketing auch bei Sturm und schwerem Seegang oder ist es vor allem ein ­Schönwetterkapitän? 

Business Model Canvas: Ein Werkzeug zur Formulierung des Geschäftsmodells. 

Von der Pandemie wurden viele KMU und Selbständige betroffen. Auch in meiner Marketingagentur standen nach dem Lockdown im März 2020 die Räder still. Die meisten meiner Kunden stellten auf Homeoffice um, vermieden persönliche Treffen und stoppten Aufträge mit Meetings und Workshops. Von Amts wegen wurden auch sämtliche Events, die ich als Veranstalter organisierte, verboten. Nachdem ich die erste Schockstarre überwunden hatte, realisierte ich, dass ich keinen Notfallplan hatte. Das Virus legte die Schwächen meines Marketingkonzepts offen. Also analysierte ich meine Situation. Ich überprüfte meine Marktwahl – die Kundensegmente, für die ich vor allem arbeitete – mein Angebot – die Kommunikationsmittel, die ich einsetzte – sowie das Pricing und die ­Infrastruktur. Als nächstes entwarf ich einen Marketingplan und begann, ihn umzusetzen. Ich wollte, ja ich musste wissen, ob Marketing auch in der Krise funktioniert. Hier meine wichtigsten Learnings:

1. Halte den Kontakt zu den Kunden
Ich kontaktierte meine besten Kunden regelmässig per Telefon und Zoom, um zu spüren, wo der Schuh drückt.

2. Digitalisieren geht fast überall
Ich bot meinen Kunden an, die gestoppten und stornierten Projekte, Workshops und Meetings so weit wie möglich remote, via Zoom weiter zu führen.

3. Mach dich nützlich, auch mal kostenlos
Ich publizierte wöchentlich einen Blog mit Informationen, die meinen Kunden helfen sollten, die auch für sie schwierige Situation zu überstehen. Denn viele kämpften mit ähnlichen Problemen. Ich überarbeitete auch meinen Newsletter, der die Kunden auf meinen Blog aufmerksam machen sollte. Und via Zoom veranstaltete ich Meetings, wo ich Tipps und Tricks rund um Marketing und Verkauf offerierte.

4. Hinterfrage alles und geh neue Wege
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn er kann, vermeidet er Veränderungen und probiert kaum Neues aus. Das war meine Chance, ich kreierte ein Ideenvademecum und stellte meine Ideen via Zoom potenziellen Kunden vor. So gewann ich rasch erste kleine Aufträge.

5. Lege nie alle Eier in den gleichen Korb
Meine Analyse hatte gezeigt, dass ich in einem Nischenmarkt zu einseitig auf eine Kundengruppe ausgerichtet war. Dummerweise waren viele diese Kunden stärker von der Pandemie betroffen, als andere. Deshalb musste ich rasch einen zweiten (Nischen-)Markt aufbauen.

6. Wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner
Ich begann Unternehmen anzusprechen, die von der Pandemie profitierten, wie Teile der IT-Branche oder Logistiker, die aufgrund der Digitalisierung und des Onlineshoppings von Arbeit überschwemmt wurden. Und ich bot auch solchen Unternehmen, die nicht recht wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten, meine Lösungen an. 

7. Nicht abwarten, aktiv werden
Die Versuchung ist gross, Krisen auszusitzen oder sich unter den Kurzarbeitsschirm des Staats zu flüchten. Dabei geht vergessen, dass Krisen neue Kundenbedürfnisse produzieren. Darauf kann man als Anbieter eingehen, wie zum Beispiel jene grafischen Unternehmen, die online Produkte wie Schutzvisiere, Schutzmasken, Schutzbekleidung und Informationsmaterial (Pylone, Plakate, Steller) sowie Produkte zur Steuerung der Konsumentenströme anboten oder jene Restaurants und Blumenläden, die auf Heimlieferservice umgestellt haben.

8. Zeit nutzen
In Zeiten, in denen ich nur wenig zu tun hatte, bildete ich mich weiter. Ich belegte Online-Kurse und las Bücher aus Feldern, die mich interessierten und versuchte, daraus neue Ideen und Angebote zu entwickeln.

9. Erfolg ist Kopfsache – scheitern auch
Was man über eine Sache denkt, beeinflusst oft das Resultat. Jammern hilft nichts. Wenn man also glaubt, dass niemand mehr Inserate kauft, gelingt das auch kaum. Wer aber Chancen sieht und dem Kunden anschaulich klar machen kann, dass in der Krise die Beachtung von Inseraten steigt, unter anderem auch, weil es schlicht weniger Inserate gibt (Share of Voice), der kann überzeugen.                                                                                                   

Andreas Käppeli arbeitete als gelernter Schriftsetzer viele Jahre im Marketing und Verkauf in der Tamedia-Gruppe. Nach einem Marketingstudium gründete er 1999 seine eigene Marketingagentur und begleitet seither Selbständige und KMU rund um Marketing und Verkauf. Andreas Käppeli leitet seit vierzehn Jahren den P-Business-Club, ein Forum für Führungskräfte aus der Medienproduktion. talkingmarketing.ch

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