«Es ist wichtig, dass auch Erwachsene Spass an Kinderbüchern haben»

Interview mit Ed Russell, CEO von Librio, dem Anbieter von personalisierten Bilderbüchern

Wer kleine Kinder hat oder welche beschenken möchte, kennt sie: Personalisierte ­Bilderbücher, in denen das beschenkte Kind die handelnde Figur ist. Gerade kleine Kinder sind verblüfft und begeistert, wenn sich das Buch um sie dreht. In der Schweiz ist Librio führend bei personalisierten Kinderbüchern. Wir haben uns mit Gründer und CEO Ed ­Russell unterhalten und nach dem Erfolgsrezept gefragt.

Ed, wie bist du mit deinem Team eigentlich auf die Idee gekommen, Bilderbücher zu ­personalisieren? Hattet ihr vorher schon mit Personalisierung zu tun?

Ed Russell, Librio: Das ist eine typische Startup-Geschichte: Meine Tochter bekam ein personalisiertes Buch geschenkt. Ich fand die Idee grossartig, nicht aber den Inhalt des Bilderbuchs. Es war voll mit Feen und Prinzessinnen. Ich finde es wichtig, dass auch Erwachsene an Kinderbüchern Spass haben.

So machte ich mich auf die Suche nach einem besseren Produkt, aber ich konnte nichts finden.

Zwar wusste ich, wie man die Personalisierung technisch lösen könnte, hatte aber keine Ahnung davon, wie es geht, ein ­solches Produkt zu erstellen, zu drucken und zu vertreiben. Ich habe mich daher an einen Bekannten gewandt, der Art Director ist, und ihn gefragt: Kannst Du für mich ein Buch zeichnen? So nahm die Idee seinen Lauf.

Darauf sind wir fünf Männer im Juni 2017 zusammengekommen. Bis November hatten wir alles aufgebaut, ein Buch geschrieben, illustriert und personalisiert, die Website aufgeschaltet und bei den Druckern angeklopft.

Verrückt, was wir in fünf Monaten geschafft haben. Zum Vergleich: Um ein neues Buch zu kreieren, brauchen wir heute von A bis Z ungefähr ein Jahr.

Bis jetzt haben wir weltweit 180 000 Bücher verkauft. Damit sind wir einer der grössten Verleger der Schweiz. Wenn man die Top 10 der meistverkauften Bilderbücher in der Schweiz anschaut, sind vier davon Librio-Bücher. Das freut uns. Aufgrund der fehlenden ISBN werden die Verkaufszahlen unserer Bücher von GFK allerdings nicht in Betracht gezogen.

Diese Art Verlag zu sein, ist ein Zukunftsmodell. Nicht hoffen, dass Buchläden oder Onlinehändler das Buch ins Programm aufnehmen, sondern selbst mehr auf den B2C-Aspekt setzen. So konnten wir so schnell wachsen.

Bei meinem ersten Interview hat der ­Autor geschrieben «Gutenberg hat mit dem Buchdruck das Buch für alle ermöglicht, ­Librio ermöglicht das Buch für eine einzelne Person». Das gefällt mir.

Wie gross ist das Team heute?

Jetzt sind wir 13 Personen. Ein cooles Team, wir sind authentisch und das spiegelt sich in unseren Werten wider. Die Produkte und die Firmenkultur stimmen überein, wir wollen eine attraktive Firma sein.

Technisch läuft es doch so: Ich gehe ­Online, erstelle im Editor einen Avatar und damit ein Buch. Habt ihr den Software-Teil selbst entwickelt?

Ja, mehrheitlich mit PDF-Library. Wir haben eine E-Commerce-Plattform installiert, alles was mit der Erstellung des Avatars und des Buches zu tun hat, das ist von uns. Wir haben dabei viel gelernt. Unsere ersten Bücher waren 460 MB gross, jetzt haben sie noch ca. 65 MB. Am Anfang haben wir einiges falsch gemacht und mussten daraus lernen.

Wenn ich das Buch erstellt habe, wird ein PDF generiert und dann geht es in die Druckerei. Ist alles automatisiert?

Ja, das ganze System ist automatisiert. Die Bestellung wird dorthin geschickt, wo es für die Lieferung an den Endkunden am sinnvollsten ist. Für die Schweiz druckt Bubu in Mönchaltdorf. Dann haben wir jeweils einen Druckpartner in Deutschland, England und den USA.

Als Brite dachte ich, dass unser grösster Markt in England sein würde und unsere Druckerei dort ihren Standort haben sollte. Nachdem ich vor vier Jahren mit der Druckerei in England gesprochen hatte, fiel mir eine grosse Last von den Schultern. Denn die sagten mir, ich solle das PDF schicken, sie würden den ganzen Rest machen. Sie drucken, binden und verschicken das Buch dann direkt an die Endkunden.

Dann sind wir jedoch in den Schweizer Markt eingestiegen, unser erstes Buch war (und ist) in verschiedenen Schweizerdeutschen Dialekten erhältlich, einer unserer USPs (Unique Selling Proposition).

Aber es ist sehr schwierig, Bücher über die Grenzen zu verschicken, damit diese auch pünktlich ankommen, wegen der Verzögerungen am Zoll. So haben wir uns auf die ­Suche nach einer Schweizer Druckerei gemacht, die auch binden kann, was nicht viele können. Seit 2019 sind wir bei Bubu und sehr zufrieden.

Ihr habt in vier Monaten eine Web-to-Print-Software entwickelt. Selbst Grosse brauchen dafür länger.

Ja, wir entwickeln uns immer weiter und haben viele Ideen. Wir bekommen sogar Anfragen für die Web-to-Print-Technologie. Vielleicht bauen wir das Technologie-Standbein auch weiter aus. Dann hätten wir auf der einen Seite unserer Produkte, auf der anderen Seite die Technologie. Noch ist sie völlig auf Librio ausgerichtet. Wir prüfen aber gerade Möglichkeiten, die Software auch für interessierte Verlage und Unternehmen anzubieten.

Dann könnte man als Verlag auf euch ­zukommen und ihr würdet euch als Dienstleister anbieten?

Theoretisch ja. Wir haben bereits gute Erfahrungen mit dem Globi Verlag gemacht und sind immer offen für interessante Partnerschaften.

Das Thema Nachhaltigkeit ist auch auf ­Eurer Website präsent. Wie sieht das bei Librio konkret aus?

Es war uns wichtig, etwas Nachhaltiges zu machen. Die Bücher werden auf 100 % recyceltem Papier gedruckt, in der Schweiz ist es Refutura GSM von Fischer Papier. In der Zwischenzeit sind auch alle Verpackungen aus 100 % recyceltem Papier. Zudem pflanzen wir pro verkauftem Buch einen Baum. Wir Gründer haben alle ähnliche Werte, auch die sozialen Aspekte sind uns wichtig.

Für unsere Kampagne «Mehr als ein Buch» arbeiten wir bereits seit November 2018 mit einem Hilfswerk zusammen. Sie bauen dafür in Dörfern weltweit kleine Bibliotheken auf, so dass die Kinder Zugang zu Büchern erhalten. Wir sind sehr stolz darauf, für diese bereits 180 000 Bücher gespendet zu haben.

Wenn wir schon von fernen Ländern ­sprechen, wohin geht die Reise von Librio? Geht es über die personalisierten Bücher für Kinder hinaus?

Wir möchten die Idee weiter internationalisieren. Und meine Tochter ist jetzt sieben und erreicht bald das oberste Alterslimit unserer Zielgruppe. Was kommt als nächstes? Kinder bis ca. 8 oder 9 Jahre finden es cool, in einem Buch zu sein. Als Jugendliche halten sie es für peinlich. Erst ab 18 Jahren wird es dann wieder cool. Viele unserer Kinderbücher werden als Geschenk für Erwachsene gekauft, das möchten wir gerne weiterentwickeln.

Man könnte auch nur Text personalisieren, zum Beispiel einen Krimi für Erwachsene?

Wir sind schon eher im Bild und im Design zu Hause. Da gestalten wir besser andere personalisierte gedruckte Materialien, zum Beispiel Grusskarten und andere attraktive Artikel, die wir mit Web-to-print anbieten könnten. Wir machen auch bereits Art-Prints für Neugeborene und würden eher in diese Richtung gehen.

Personalisierung ist seit der Einführung des Digitaldrucks ein wichtiges Thema. Wie siehst du die Entwicklung und ­Chancen für Druckereien?

Das Potenzial ist riesig. Der weltweite Umsatz für personalisierte Geschenke beträgt momentan 27 Milliarden Dollar. 2027 wird das Volumen gar auf 43 Milliarden Dollar geschätzt. Aber wir sagen natürlich nicht, dass es nur noch personalisierte Bücher geben sollte. Es gibt auch Stimmen die warnen, dass man den Kindern damit eine ICH-Welt erschafft, dass sie glauben, es drehe sich alles nur um sie. Es gibt Platz für beides, für personalisierte und auch gewöhnliche Bücher.

Vielen Dank für das Gespräch!

Librio AG wurde 2017 in Zürich gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, einzigartige Bilderbücher für Kinder bis 8 Jahren zu produzieren. Besonderen Wert legt Librio auf Nachhaltigkeit und soziales Engagement. Jedes der Bücher kann online personalisiert werden und ist so ein einzigartiges Geschenk. Der CEO Ed Russell ist britischer Staatsangehöriger und war als Lehrer, Marketing Director und Gründer von verschiedenen Startups im technischen Bereich tätig. librio.com

  • Autor Laurent Gachnang
    Laurent Gachnang ist seit über 15 Jahren in der Medien- und Unterhaltungsindustrie tätig. Er gilt als Experte für digitales Publizieren und Online Marketing. Zuletzt arbeitete er bei einem Medienunternehmen als Marketingverantwortlicher und war massgeblich an der Lancierung eines Change-Prozesses beteiligt. Als Gastdozent ist er an diversen Fachhochschulen sowie ehrenamtlich als Mentor bei der Startup Academy Basel tätig.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 2-2021
  • Thema Personalisierung

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