Zehnkämpfer der Wirtschaft

Viele Arbeitnehmende hegen den Wunsch, eines Tages den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und Unternehmer zu werden. Oftmals können diese Geschäftsmänner und -frauen als Allrounder breit gefächerte Kenntnisse und Fähigkeiten vorweisen. Aller Vielseitigkeit zum Trotz stellt der Einstieg in das Unternehmertum viele Gründer vor eine grosse Herausforderung und wirft zahlreiche Fragen auf. Der folgende Artikel bietet Hilfestellung, Tipps & Tricks. 

Facts und Figures
Laut Bundesamt für Statistik gibt es in der Schweiz rund 591 000 kleine und mittlere Unternehmen, sogenannte KMU (< 249 Angestellte). Sie sind die Basis der Schweizer Wirtschaft. Viele von ihnen sind unspektakuläre Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe.

Quelle: Statistik der Unternehmensstruktur STATENT
Stand der Daten: 28.08.2020

Die Mühsal der Nachfolge
Kleine und mittlere Unternehmen befinden sich oft im Familienbesitz und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Aktuell scheint das aber nicht mehr so gut zu funktionieren, denn zur Zeit sucht eine grosse Zahl von Betrieben eine Nachfolge. Gemäss den Daten von Bisnode sind es derzeit in der Schweiz 75 038 KMU (ca. 13 %). Im Druck- und Verlagsgewerbe meldet Bisnode ca. 20 % oder 859 Unternehmen.

Es scheint, als verspürten junge Leute wenig Lust, den familieneigenen Handwerksbetrieb, Blumenladen oder die Druckerei zu übernehmen. Ein Grund, der oft genannt wird, ist die Tatsache, dass sie als Kinder miterlebt haben, wie wenig Freizeit ihren Eltern geblieben ist und wie viel Einsatz und Arbeit ihnen das eigene Unternehmen abverlangt hat.

Übernahme des Familienbetriebs
Marlen Baumgartner (33) übernahm nach einer Lehre als Polygrafin und einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung an einer Fachhochschule zusammen mit ihrem Bruder das elterliche Unternehmen Printex AG in Dagmersellen. Davor hatte sie in einer Werbeagentur gearbeitet. Seit 2017 leitet die ehemalige Leichtathletin und begeisterte Fotografin die ­elterliche Druckerei mit 18 Mitarbeitenden.
printex.ch

Der Start-up-Hype
Die andere Seite der Medaille sagt das Gegenteil: Im Jahr 2020 wurden 46 800 neue Unternehmen gegründet. Ein Rekord, trotz Corona. Diese Zahl übertrifft das Vorjahr um 4,9 %. Die meisten Neugründungen verzeichnet der Kanton Zürich mit 8417 Firmen, gefolgt von den Kantonen Waadt (4428), Bern (3944) und Genf (3868).

Hinsichtlich Branchenwahl führen Unternehmensdienstleistungen mit 4954 Neueintragungen vor Unternehmens- und Steuerberatungen (4090) und handwerklichen Betrieben (3803) die Aufzählung im Handelsregister (SHAB) an .

In den Medien werden junge Gründerinnen und Gründer oft gefeiert. Dabei geht aber vergessen, dass zwei bis drei von fünf Jungunternehmen die ersten fünf Jahre nicht überleben und sang- und klanglos wieder verschwinden.

Fragen
Gründerinnen und Gründern stellen sich erstmal viele Fragen: Wie entwickle ich eine Unternehmensstrategie? Wie gründe ich eine AG? Was muss ich über Versicherungen und Steuern wissen? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten muss ich mitbringen und wie kann ich mein Unternehmen finanzieren?

Bin ich ein Unternehmer?
Rund ums Unternehmertum gibt es oft falsche Vorstellungen. Vor allem die ersten Jahre verlangen viel Einsatz und grosse Opfer. Unternehmerinnen und Unternehmer haben oft wenig Freizeit, gehen hohe Risiken ein und stecken all ihr Erspartes ins Unternehmen. Es lohnt sich also herauszufinden, ob man als Unternehmerin und Unternehmer das richtige Mindset mitbringt. Auf der Website www.entrepreneur-check.ch gibt es dazu einen Test.

Kauf einer Druckerei
Rino Frei (45) ist einen anderen Weg gegangen. 2015 erwarb er die Ostschweiz Druck AG in Wittenbach mit 62 Mitarbeitern. Dazu gesellten sich im Verlaufe der Zeit die Typotron AG mit Sitz in St. Gallen, die Walz Druck GmbH in Walzenhausen sowie die Vetter Druck Thal GmbH. Total zählt die Gruppe heute 100 Beschäftigte. Das nötige Wissen hat sich Rino Frei über Jahre in verschiedenen Funktionen als Produktions- und Geschäftsleiter in der grafischen Branche sowie mit einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung angeeignet.
ostschweizdruck.ch

Reicht der Inhalt meines Rucksacks?
Fragt man Unternehmerinnen und Unternehmer nach ihren Erfahrungen, werden oft Führungs- und Verkaufserfahrung als zwei der wichtigsten Voraussetzungen genannt. Wer schon Mitarbeitende geführt hat und weiss, wie man Kunden und Aufträge gewinnt, erhöht seine Erfolgschancen.

Nützlich sind auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse und kaufmännisches Basiswissen. Im Internet finden sich zwar viele Tools, die Gründer bei der Entwicklung der Strategie und des Geschäftsmodells unterstützen, beispielsweise die Website www.strategyzer.com. Trotzdem lohnt es sich, eine solide Ausbildung zu prüfen, beispielsweise beim Institut für Jungunternehmer www.ifj.ch.

Der richtige Kaufpreis
Wer ein etabliertes Unternehmen übernimmt, muss einen angemessenen Preis bezahlen. Viele schätzen den Wert ihres Unternehmens aber viel zu hoch ein und verlangen von Nachfolgern unrealistisch hohe Preise. Hier lohnt sich eine Schätzung durch einen neutralen Spezialisten, wie beispielsweise durch das vermoegenszentrum.ch.

Fazit
Der Beruf einer Unternehmerin, eines Unternehmers verändert das Leben radikal. Wer aber seine Talente ausleben, Neues wagen und ausprobieren möchte, Visionen entwickeln und umsetzen will, findet in diesem Beruf das geeignete Spielfeld. Auf der anderen Seite übernimmt man als Unternehmerin und Unternehmer Verantwortung. Finanziell und moralisch, für sich und seine Mitarbeitenden. 

Nützliche Links
www.kmu.admin.ch – Info für Gründer
www.ifj.ch – Weiterbildung für angehende Jungunternehmer
www.startbox.swiss – Leitfaden zur Selbstständigkeit
www.easygov.swiss – Papierkram für Unternehmensgründer
www.zurich.impacthub.ch – kostengünstige Büros, inspirierende Atmosphäre
www.wemakeit.com – Unternehmensfinanzierung via Crowdfunding
www.startzentrum.ch – Coaching für Gründer
www.supertext.ch – professionelle Texte und Übersetzungen

Mich hat es mit 22 Jahren erwischt
Eine mehrmonatige Reise kreuz und quer durch Nordamerika schärfte meinen Blick für das Unternehmertum. Ich realisierte, dass ich in Amerika als Unternehmer ein besseres Leben haben würde, als Angestellter. Das Gründervirus hatte mich infiziert. Ich prüfte verschiedene Geschäftsideen, vom Reisebüro, einem Korrektorat bis zur Übernahme einer Druckerei.
Nach einem Marketingstudium gründete ich schliesslich 1999 eine Marketingagentur und begleite seither Selbstständige und KMU rund um Marketing und Verkauf. Seit vierzehn Jahren leite ich den P-Business-Club, ein Forum für Führungskräfte aus der Medienproduktion. www.talkingmarketing.ch.
Als ich während meiner Kalifornien-Reise bei einer ­Familie Halt machte, bemerkte meine Schlummermutter eines Tages, dass unten im Tal ein junger Unternehmer namens ­Steven Jobs in seiner Garage Personal Computer zusammenschraube. Sie meinte, ich solle mich dort doch mal umschauen. Ich zuckte ungerührt mit den Schultern und ­verpasste die Gelegenheit.

Lust, einen grafischen Betrieb zu übernehmen? Zwei Wege und zwei Erfolgsgeschichten

Der Verleger des PUBLISHER, Laurent Gachnang, und ich wollten es genauer wissen und haben im Rahmen des Publisher Lunch Talks mit einer Unternehmerin und einem Unternehmer aus der Medienproduktion gesprochen.

Marlen Baumgartner und Rino Frei erzählen in einem Videocast, was sie bewogen hat, in eine turbulente Branche, die sich immer wieder neu erfindet, einzusteigen. Das Videocast findest du hier.

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