Von Distanz und Toleranz

Indem man den Farbabstand bestimmt, lässt sich beurteilen, wie exakt ein Farbmuster auf dem Monitor oder im Druck getroffen wird. Welche Werkzeuge dafür erforderlich sind und wie man dabei genau vorgeht, erklären wir im dritten Teil unserer ColorManagement-Serie, die in Zusammenarbeit mit der Fogra entsteht.

Die ersten beiden Teile dieser Artikelserie zeigten, dass bei bekannten Betrachtungsbedingungen ein CIELAB-Wert ausreicht, um die Farbempfindung exakt zu beschreiben. Dabei haben wir gelernt, dass neben der Messunterlage und der Messgeometrie die Lichtart den grössten Einfluss auf die Betrachtungsbedingungen hat. Die grafische Industrie definiert für die einheitliche Farbkommunikation die Normlichtart D50. Wenn der Druckeinkäufer seine Logo-Farbe, z. B. HKS 14 (Fogra Rot), exakt drucken möchte und dabei ein ausgemessenes Muster (z. B. Fächer mit CIELAB= 49,3; 66,3; 43,6) mitsendet, kann er sicher sein, dass die Reproduktion ununterscheidbar ist, sofern das Druckprodukt die gleichen CIELAB-Werte aufweist. Was ist aber, wenn dies nicht der Fall ist?

Was ist ein eben merklicher Unterschied?
Der Abstand zwischen zwei Farben entspricht, wie wir gelernt haben, dem Abstand zwischen zwei Empfindungen. Bei der Messung des Farbabstands bedient man sich daher der Psychophysik, also den gesetzmässigen Wechselbeziehungen zwischen dem subjektiv psychischen und dem quantitativ messbaren Erleben. Man stellt sich zwei Farben nebeneinander vor, z. B. zwei identisch angelegte Flächen in Photoshop. Nun ändert man die Farbe einer Fläche in eine beliebige Richtung (heller, dunkler, roter, grüner gelber oder blauer – die CIELAB-Koordinaten). Während dieses Prozesses fragt man die Beobachter, ob sie einen Unterschied wahrnehmen. Statistisch legt man es derart fest, dass 75 von 100 Probanden einen eben merklichen Unterschied beobachten müssen, der dann als Farbabstandswert von 1 bezeichnet wird. Der Farbabstand wird in der Farbwissenschaft als Delta-E (∆E) bezeichnet, da er einen Unterschied zwischen zwei Empfindungen beschreibt. Je grösser die Farbabstände zwischen zwei Flächen, desto grösser werden die ∆E-Werte. Dieses Konzept ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1: Darstellung systematischer Farbvariationen zur Veranschaulichung des ∆E-Prinzips für zwei exemplarische Farbzentren (links: violett, rechts: grau). Ausgehend von einer Referenz wird die Farbe um einen eben merklichen Unterschied (in die verschiedenen Richtungen heller, dunkler, roter, grüner, gelber und blauer) variiert. Die Unterschiede sind zur Verdeutlichung verstärkt worden. Eine Probe mit exakten Referenzpaaren kann man in der Fogra (z. B. im Rahmen einer Farbmanagement-Schulung) betrachten oder auch selber erzeugen.

In Abb. 1 sind für zwei Farben typische Variationen zu erkennen. Die Farbreferenz im Zentrum wird um einen eben merklichen Unterschied verändert. Das Feld über der Referenz ist beispielsweise eine Wahrnehmung heller – der Farbabstand ist somit ∆E = 1. Die Fläche unter der Referenz ist einen eben merklichen Unterschied dunkler – und somit ebenfalls ∆E = 1. Stellt man die oberste und unterste Fläche gegenüber, addiert man die Abweichungen. Das Ergebnis ist also ∆E = 2. Aber auch Zwischenwerte, wie z.B. ∆E = 1,2 sind möglich. Dabei wird stets der gesamte Farbabstand betrachtet, egal ob die Farben nun heller, dunkler, bunter oder farbstichiger sind. Die Aufteilung in die einzelnen Farbkomponenten erfolgt analog und wird im folgenden Abschnitt an einem Beispiel beschrieben.

Wahrnehmungs-Arithmetik
Nachdem nun beschrieben wurde, was ein Farbabstand ist, soll erklärt werden, wie man ihn berechnet. Ausgangsbasis für den Farbabstand zweier Objekte sind deren CIELAB-Farbmesswerte, wobei es sehr wichtig ist, diese Werte unter den gleichen Messbedingungen zu bestimmen. Im Gegensatz zu eindimensionalen Abständen wie der Gewichtsdifferenz zweier Menschen oder dem Geschwindigkeitsunterschied zweier Fahrzeuge, handelt es sich bei Farben stets um dreidimensionale Angaben, wie z. B. CIE, CIEa und CIEb. Der Farbabstand ist somit ein Abstand im Raum. Die einfachste Form der Farbabstandsberechnung wurde 1976 publiziert. Sie berechnet auf der Basis des Satzes des Pythagoras aus 2 CIELAB-Werten den direkten Abstand im CIELAB-Farbraum und wird mit ∆Eab bezeichnet (siehe dazu auch das Beispiel in Tab. 1).

Tab. 1: Beispielhafte Berechnung des CIELAB-Farbabstands ∆E*ab (sowie seiner Komponenten) für das ­exemplarische Farbpaar Fogra-Rot.

Das Rechenbeispiel in der Tab. 1 zeigt, wie einfach die Berechnung eines Farbabstands durchzuführen ist. Es zeigt ferner, wie sich der Gesamtfarbabstand aus den Faktoren Helligkeit, Rot-Grün- und Gelb-Blau-Komponenten zusammensetzt. Konkret wurde das Fogra-Rot im Druck um zwei eben merkliche Unterschiede zu hell (∆L = 2,2) gedruckt. Die Änderung im Rot-Grün-Kanal mit ∆a = –6,3 zeigt, dass etwas Rot fehlt. Der Druck ist also nicht ganz so rot wie die Referenzkarte bzw. das Referenzmuster. Letztlich ist der Druck also ein Stück zu gelb (∆b* = 3,5).

Trivia
Wie so häufig im Leben gibt es noch viele Details und Erweiterungen zu diesem Thema. Sie sind für das grundsätzliche ­Verständnis aber nicht notwendig. Eine weitere moderne und erwähnenswerte ­Berechnungsmethode ist beispielsweise der CIEDE2000-Ansatz, welcher den als ∆H bezeichneten Farbabstand, die ­Umrechnung der CIELAB-Koordinaten in Polar-Koordinaten CIELCh (also CIEC: Buntheit und CIEh: Bunttonwinkel) und den Einfluss der Oberfläche mit berücksichtigt.

Wie gross darf der Farbabstand sein?
Jetzt wissen wir, dass ein ∆E von 1 einen eben merklichen Unterschied bedeutet und höhere ∆E-Werte entsprechend grössere Farbabstände beschreiben. Ebenfalls haben wir in Erfahrung gebracht, dass die 40 Jahre alte ∆E*ab-Formel versucht, die menschliche Wahrnehmung zu berechnen. Das tut sie auch ganz gut, wobei es bessere Formeln gibt, die auf Basis der beiden CIELAB-Werte einen Wert berechnet (z. B. CIEDE2000), der deutlich besser mit der visuellen Empfindung – der Grösse, um die es hier geht – übereinstimmt.

Bei der Festlegung von Toleranzen für die Druckproduktion ist die exakte Farbabstandsformel nicht wichtig. Häufig liegt eine Vielzahl an Gut- und Schlechtmustern vor, anhand derer eine beliebige Formel derart angepasst wird, dass der spätere Toleranzwert die guten von den schlechten trennt. Bei der Festlegung von Toleranzwerten, egal ob in einer ISO-Norm, im Procter & Gamble-Anforderungsheft oder der Kundenspezifikation, treffen aber stets Kundenwünsche und technische Möglichkeiten aufeinander. Diesen Kompromiss hat ein Fogra-Institutsdirektor bereits 1968 treffend formuliert:

«Drucken heisst ein optisches Soll mittels Druckfarbe auf Papier vervielfältigen, wobei sich Bogen um Bogen gleichen soll wie ein Ei dem anderen. Genau besehen, schaffen das die Drucker, obwohl sie sich stark bemühen, ebenso wenig wie die Hühner, die sich nicht bemühen. In der Praxis geht es also den Druckern, wie allen Technikern, nicht viel besser als der schöpferischen Natur. Wer immer, was immer produziert, braucht Toleranzen! Das ist eine conditio sine qua non und die Frage des Homo sapiens kann nur lauten: Wie gross darf sein, was sein muss, obwohl es nach menschlichen Wunschvorstellungen auf vielen Gebieten nicht sein sollte.»

Während die meisten etablierten Standards (z. B. PSO, Proofing oder Validation Print) eine einzige Farbtoleranz (oft auch im ­Zusammenspiel mehrerer Masse für den Farbabstand) definieren, stellt der ProzessStandard Digitaldruck (PSD) drei Toleranzbänder (A, B und C) für den digitalen Auflagendruck zur Verfügung. Somit können die unterschiedlichen Qualitätsanforderungen im Markt, ähnlich wie bei der Bewertung von Hotels, effizient und effektiv berücksichtigt werden.

Abschliessend bleibt zu sagen, dass Farbe höchst selten exakt reproduziert wird – umso wertvoller ist es für den modernen Drucker und Qualitätsmanager darum, in puncto Farbabstände sattelfest zu sein.

Das Forschungsinstitut für Medientechnologie Fogra wurde vor 70 Jahren gegründet und verfolgt als eingetragener, gemeinnütziger Verein den Zweck, die Druck- und Medientechnik in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Anwendung zu fördern und die Ergebnisse für die Druckindustrie nutzbar zu machen. Die Fogra zählt rund 900 Mitglieder aus verschiedenen Feldern des Druckgewerbes und hat ihren Sitz in Aschheim bei München.

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