«Wir haben die gemeinsame Aufgabe, Print an seinen verdienten Platz zu bringen!»

Zukunftsvisionen, Umweltverträglichkeit und die Stellung von Print: Roland Krapp, Leiter des Heidelberg Print Media Center im deutschen Wiesloch, gibt im PUBLISHER-Interview seine Einschätzung zu ­dringlichen Fragestellungen im Premium Print.

Herr Krapp, wohin bewegt sich Premium Print? Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie?

In der Vergangenheit hat man gerne ­davon gesprochen, dass der Markt zweigeteilt ist: Zum einen gibt es hochwertige und ­kostspielige Premium-Drucksachen, zum anderen ist man doch gehörig vom Preis getrieben. Diese beiden Extreme werden sich annähern. Ein Beleg dafür ist beispielsweise, dass Anbieter ihrem gesamten Warensortiment – nicht nur den teueren Eigenmarken, sondern auch den Discount-Produkten – eine gewisse Aufwertung, sei das Lack, Prägung oder Folie, verleihen möchten.

Bei den konkreten ­Veredelungsmethoden ist ein Megatrend sicherlich die Kaltfolie – auch getrieben durch den Umweltaspekt. Das ist auf jeden Fall eine preiswerte und dennoch qualitativ hochwertige Alternative, wenn man metallischen Glanz braucht – verglichen mit folienkaschierten Materialien und Deckweiss.

Weiter wird man vermehrt versuchen, Veredelungsvorgänge inline auszuführen – die Drucksysteme werden immer länger und der Inline-Trend hält ja schon seit geraumer Zeit an.

Der Fokus des kleinen Schweizer Marktes sind nicht die grossen Auflagen, sondern eher hohe Qualität oder Spezialanfertigungen. Wie würden Sie das in einer globalen Perspektive beschreiben? Speed, Qualität oder Zusatznutzen – was ist Trumpf?

Qualität wird heute vorausgesetzt. Der Haupttreiber – gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wie diesen – ist die Produktivität. Hier geht der Trend dazu, eine hohe Qualität kontinuierlich produzieren zu können. Da leistet Heidelberg mit Maschinen- oder Toolentwicklungen viele Beiträge: Ich denke etwa an das Mensch-Maschine-Interface, das wir auch mit unserem «Push-to-Stop»-Ansatz, dem intelligenten und ­kontinuierlichen Abarbeiten von Queues vermarkten. Das Streben nach ­höherer ­Produktivität schliesst auch Veredelung – gerade mittels der eingangs erwähnten Inline-Veredelung – nicht aus. Im Verpackungsdruck haben wir beispielsweise die Möglichkeit, dass die Lackplatte automatisch ausgewechselt wird. Dieser Schritt hat früher einige Zeit in Anspruch genommen und läuft inzwischen hochgradig automatisiert ab – was wiederum zu einer Steigerung der Produktivität führt.

Trotz der mannigfaltigen Möglichkeiten wird im Akzidenzbereich immer noch sehr vereinzelt veredelt oder hochwertig gedruckt. Wie sehen Sie das? Gibt es Handlungsbedarf und falls ja, was muss passieren, damit Premium Print öfter genutzt wird?

Wir merken selbst bei den Einstiegssegmenten, wo viel über den Digitaldruck läuft und wir selbst mit unserer Versafire aktiv sind, dass die Nachfrage zunimmt. Wenn wir uns alleine anschauen, wie stark sich dort das anwendungstechnische Spektrum – auch für Kleinstauflagen – in den letzten ­Jahren erweitert hat, ist das schon ein grosser Schritt. Wir reden hier von Neonfarben, extralangen Formaten, Deckweiss oder Lacken auf tonerbasierten Maschinen. Da sind heute Drucksysteme mit Veredelungsoptionen verfügbar, die der Kreativität kaum Grenzen setzen.

Premium Print und Veredelung könnten aber sicherlich noch stärker genutzt werden und ich denke, Druckbetriebe wären um diese zusätzliche Auslastung auch froh.Doch viele kennen die Möglichkeiten kaum, die sich heute bieten. Meiner Meinung nach ist es so, dass viele, die einen Bedarf an hochwertig erzeugten Print-Artikeln hätten, sich zu wenig mit dem Thema auseinandergesetzt haben und es zu wenige gibt, die ­etwaige Aufwertungen auch vernünftig empfehlen können. Die Druckereien sind oftmals nicht beteiligt, wenn es um das Beraten geht, sondern da sitzen Agenturen mit jungen, digitalaffinen Leuten, die auf Networks und Social Media fokussiert sind. Bei ihnen wirkt Print auf den ersten Blick vielleicht ein wenig kompliziert.

Denn Print kann man natürlich nicht so einfach korrigieren, auch wenn die Drucksysteme darin immer besser werden, Fehler frühzeitig zu erkennen. Wenn vor der Druckfreigabe nicht sorgfältig gearbeitet wird und man nicht den Hang zu Perfektion hat, den dieses Medium oft erfordert, gibt man unter Umständen etwas frei, was so nicht veröffentlicht werden sollte. Und so verbrennt man mit nicht ­korrigierbaren Fehlern Geld.

Darüber hinaus wissen viele nicht, wie man Print richtig einsetzt – was für mich auch ein Grund ist, warum das Medium zu kurz kommt. Meiner Einschätzung nach wäre es oft das bessere Kommunikationsmittel, denn es erregt mehr Aufmerksamkeit und kann auch Wertigkeit viel ­besser transportieren. Hier haben wir alle die gemeinsame Aufgabe, Print den Platz zu geben, den es verdient und den es im Media-Mix spielen kann.

Wie sehen Sie den Vergleich analog – digital in Bezug auf die Pandemie? Gibt es eine digitale Übermüdung bzw. Übersättigung?


Man schwankt von einem Extrem ins andere: Nach der ersten Technikbegeisterung über Videokonferenzen und Demo-Streamings kommt der Wunsch nach Aktivitäten vor Ort.

Bei Heidelberg haben wir für den 23. Juni zum ersten Mal seit langer Zeit eine dreitägige Präsenzveranstaltung geplant – selbstredend unter strikter Einhaltung der entsprechenden Regeln. Die Resonanz ist so gut, dass wir dafür komplett ausgebucht sind. Das zeigt mir auch, dass die Leute sich danach sehnen, unsere Lösungen von richtigen Menschen gezeigt zu bekommen – und nicht nur eine Person hinter der Webcam zu sehen.

Ein Teil dieser «neuen Normalität» wird aber blieben: Bei uns ist es so, dass für Software keiner nach Heidelberg reist, wenn er nicht im Umkreis wohnt. Das wurde früher auch schon «remote» demonstriert und hat gut funktioniert. Insgesamt bleibe ich aber bei der Überzeugung, dass die Leute wieder vermehrt direkte Interaktion und direkten Austausch wünschen. Dieses Networking, das kleine Gespräch im Gang zwischen zwei Konferenzen liegt uns im Geschäftsleben ja auch und wird aktiv gesucht.

Wie schätzen Sie die Stellung der ­Druckereien mit Blick auf Umwelt­verträglichkeit ein?

In Zukunft wird es für Druckerei-Unternehmen wichtig sein, ihre Abnehmer korrekt und konkret über den umwelttechnischen Impact der jeweiligen Produkterzeugung zu informieren und detaillierter darzulegen, welche weniger schädlichen Materialien und Prozesse zur Verfügung stehen – hier also noch mehr als bisher eine Beraterrolle einzunehmen. Neben der Preisermittlung muss künftig also auch ein «Lifecycle-Assessment» durchgeführt und quasi Rechenschaft für den CO2-Abdruck des jeweiligen Printprodukts abgelegt werden. Im Faltschachtel- und Etikettendruck fordern die grossen Player diese Transparenz bereits ein – der Werbedrucker weiss vielerorts noch gar nicht, dass er in wenigen Jahren dieses Problem haben wird.

Das Image von Folien und ­Lackierungen ist in Bezug auf Nachhaltigkeit nicht das Beste. Sind diese Veredelungsmethoden wirklich so schädlich? Gibt es hier eine positive Entwicklung in Richtung Umweltfreundlichkeit, ähnlich wie beim Papier mit den Zertifizierungen Cradle-to-cradle oder Blauer Engel?

Es gibt auf jeden Fall einen starken Trend in diese Richtung. Wir bemerken einerseits bei grossen Handelsketten genauso wie bei Kleinstunternehmen, dass Bemühungen da sind, ohne schlechtes Gewissen zu Veredeln. Und wie vorhin erwähnt möchte niemand, egal in welchem Preissegment das zu veredelnde Produkt angesiedelt ist, auf die ­Differenzierung durch diese Aufwertungen verzichten. Gleichzeitig wollen alle aber auch möglichst nachhaltig unterwegs sein.

Andererseits werden die Farben und ­Rezepturen jetzt schon deutlich auf Umweltfreundlichkeit getrimmt, was aber auch zu Schwierigkeiten führen kann. Wir ­mussten gerade die LED-UV-Farben im Nachhinein optimieren bzw. stabilisieren. Aber es ist und muss auch möglich sein, mit ressourcenschonenden Materialien zu arbeiten. Das ist ein Megatrend, genauso wie der Trend nach Monomaterialien oder der Plastikvermeidung. Das Streben nach Nachhaltigkeit ist an allen Fronten erkennbar und wird sich weiter intensivieren.

Wie setzt man das am besten um?

Wenn man sich Umweltverträglichkeitszielen verschreibt, ist der schonende Umgang mit Ressourcen, also möglichst wenig Makulatur, unumgänglich. Will heissen: Wenn Ökologie auf Ökonomie trifft und die Schonung des Planeten eine Schonung des Geldbeutels mit sich bringt, dann sind die Ziele deckungsgleich, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorhaben auch realisiert werden, stark steigt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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