Zwischen Florida Grey und Milk Moustache

Der Color-Parrot-Bot von David Aerne bringt Interessierten den ungreifbaren und schier unendlichen Farbraum auf eine kreative Weise näher und hilft mit, die ­Kommunikation mit und über Farbabstimmungen zu verbessern.

Sail to the sea, Dull Lavender & Co.: Das Farbharmonisierungstool «Der Bunt».

Die Anfänge

Seine ersten Berührungspunkte mit dem Thema Farbe hatte Aerne nach der Sekundarschule. Vor die Entscheidung gestellt, ob die ersten Sporen im Berufsleben als Kunstkurator oder Informatiker verdient werden sollen, entschied sich der passionierte Hobby-Gamer ganz pragmatisch für das Letztere. Nach Beendigung der als zumeist trocken wahrgenommen Ausbildung verdingte sich Aerne in verschiedensten Werbeagenturen zunächst als Multimedia-Gestalter, später als Frontend-Designer. Dieser Tätigkeit geht Aerne seit rund fünf Jahren auch als Freelancer nach. In dieser Zeit entstanden erste Projekte, die sich mit Farb­räumen und -werten auseinandersetzen und als Vorläufer des Color Parrots gelten können.

Von der Pizza zum Papagei

Bevor das «Seitenprojekt eines Seitenprojektes», wie Aerne seinen Color Parrot beschreibt, ins Leben gerufen wurde, hatte der Zürcher für seinen damaligen Arbeitgeber nach Möglichkeiten gesucht, unterschiedliche Farbmodelle anzuwenden, um so beinahe unbegrenzte Farbabstimmungen für die Kreation eines Brands zur Hand zu haben. Die Lösung lag schliesslich in der Entwicklung des «Der Bunt» Farbrads: Eine Visualisierung, die wie eine Pizza aussieht – dabei zahlreiche Abstufungen darstellen kann und als Tool zur Farbharmonisiserung fungiert.

An der Tatsache, dass die verschiedenen Töne der Farbrad-Aufzählung entweder lediglich mit einem simplen Farbcode definiert wurden oder bloss schnöde, uninspirierte Namen trugen, störte sich Aerne schnell: «Ich habe Farbe – wahrscheinlich ist das meinem Beruf geschuldet – anfänglich als sehr technisch wahrgenommen, aber irgendwann festgestellt, dass es primär doch etwas Subjektives ist.» Konsequenterweise fasste der gelernte Informatiker den Entschluss, neue, kreative Namen für die Töne der Farbpaletten zu kreieren und begann, eine Excel-Liste mit möglichen Benennungen zu füllen.

Ein erfüllendes, abendfüllendes Hobby

Ein Vorhaben, das «mit der Zeit ein wenig ausgeartet ist», wie Aerne mit einem verschmitzten Lachen zugibt: Unter Zuhilfenahme verschiedenster Quellen – darunter die rund 1700 Farbnamen umfassende Wikipedia-Farbnamensliste, zahlreiche Namensvorschläge Mitwirkender oder Transliterationen aus diversen, nicht-englischen Sprachen und gar einige durch Machine-Learning kreierte Bezeichnungen – ist die Auflistung der Namen inzwischen auf über 28 000 einzigartige Beiträge angewachsen. Der Grossteil der Benennungen, nach persönlicher Schätzung rund 80 %, entstammt Aernes eigener Vorstellungskraft.

Umso überraschender mag es anmuten, dass die unzähligen Stunden, die Aerne bisher in die Speisung der Excel-Liste gesteckt hat, keinem hoch ambitionierten Ziel dienen: Die Beweggründe für die Erstellung der Farbauflistung sind erfrischend simpel: «Mir macht es einfach Spass, neue Farbnamen zu erfinden – und inzwischen ist das so etwas wie ein Hobby für mich geworden.» Obwohl Aerne keinen Druck verspürt, irgendetwas zu erreichen oder eine arbiträre Zahl an Farbnamen überbieten zu müssen, bietet die Liste dennoch viel Mehrwert und praktische Hilfestellung: Zum einen werden Interessierten so Farben und deren Nuancen näher gebracht: «Unter einem Blau mit der Bezeichnung ‹Blue Ballerina› kann sich jeder mehr vorstellen als unter dem Farbcode #b4c7db. Das ermöglicht auch eine bessere und präzisere Farbkommunikation.» Andererseits gewährt das Knobeln und Recherchieren nach neuen, passenden Bezeichnungen Einblick in unterschiedlichste Welten, wodurch der wissbegierige Aerne auch sein Allgemeinwissen verbessern konnte.

Plappern mit dem Papagei

Das Vorhaben nahm irgendwann so gewaltige Dimensionen an und wurde «zusehends komplexer» – was Aerne dazu veranlasste, das Ganze in ein OpenSource-GitHub-Projekt zu verwandeln. Auf diese Weise ermöglichte der gelernte Informatiker einer breiteren Masse an Interessierten, Farbvorschläge einzureichen – und erlaubte damit zugleich die freie Benutzung der Namensliste.

Die Migrierung auf GitHub war auch der Startschuss für den eigentlichen Color Parrot, einen Twitter-Bot:

32 auf einen Streich: Bei Nachfragen liefert der Twitter-Bot die Farben und Farbnamen der 32 beherrschendsten Abstufungen eines Bildes.

Dieser wurde ursprünglich geschaffen, um die Resonanz der Farbbezeichnungen zu testen und gleichzeitig gut performende Namen für einen Styleguide zu kuratieren. Seit März 2019 postet der Color Parrot auf der gleichnamigen Twitter-Page alle 3 Stunden eine Farbe aus dem Farbnamen-Sammelsurium.

Mit fortgeschrittener Zeit gewann der Color Parrot an Komplexität und zeigt Usern, die die Farben eines geposteten Bildes in Erfahrung bringen möchten, inzwischen die neun – bei erneuter Nachfrage mit «more» gar die 32 dominantesten Tönungen des Fotos. «Die Interaktion der Nutzer mit dem Bot ist wirklich interessant, weil man auch sieht, welchen kulturellen Hintergrund die Interessierten haben und wie genau sie mit dem Parrot kommunizieren», meint Aerne. «Teilweise ist das auch überraschend – ich habe beispielsweise gemerkt, dass sich viele User beim Bot bedanken», bemerkt der Zürcher mit einem Lächeln.

Overdue Blue im Fokus: Das Informationspanel dieser Abstufung liefert zahlreiche Angaben und Hintergründe zum Farbnamen.

Der Vogel verleiht Flügel

Überhaupt hat der Color Parrot Aerne einen «Aufschwung gegeben»: Die Pflege und Erhaltung des Bots bereitet ihm viel Freude, ausserdem schätzt Aerne die Tatsache, «dass mein Projekt gebraucht wird». Folgerichtig stehen auch die Arbeiten um den Color Parrot nie still: Auf der Webseite des Farbvogels sind sämtliche Tönungen mittlerweile in einem eigenen Informationspanel verewigt. Dort werden die kreativ betitelten Farben unter anderem bestmöglich mit englischen Adjektiven beschrieben, ausserdem enthält die Webseite diverse Bildbeispiele und erläutert zusätzlich die Hintergründe zum gewählten Farbnamen.

Frei nach Farben stöbern: Ein weiteres Tool von David Aerne ist der Zufalls-Farbexplorer mit dem Namen «FarbVelo».

Die Farbliste wächst indes weiterhin konstant an: «Seit das Projekt existiert, sind im Durchschnitt täglich 92 neue Farbnamen dazu gekommen», so Aerne. Es wartet also auch in Zukunft ein Menge Arbeit auf den gelernten Informatiker. «Wenn wir so weitermachen, haben wir in rund 109 Jahren den gesamten RGB-Farbraum mit Bezeichnungen abgedeckt», scherzt er über ein so wohl nicht geplantes Vorhaben. Für Aerne gilt ohnehin weiterhin, Spass an der Sache zu haben und witzige, kreative Namen auszubrüten. Dazu passt, dass eingängige Kreationen wie «Crème de la crème» oder humorvolle Benennungen «Testosterose» auf Aernes persönlicher Favoritenliste ganz oben rangieren. 

David Aerne betreibt als gelernter ­Informatiker den ColorParrot-Bot und die zugehörige Bot-Website parrot.color.pizza. Zusätzlich ist er als Freelancer bei der Zürcher Elastiq GmbH als Design & Interaction Developer tätig. Gemeinsam mit dem Elastiq-Team hat Aerne weitere interessante Farbmanagement-Projekte ins Leben gerufen, so zum Beispiel den Zufalls-Farbexplorer FarbVelo oder den Farbpalettengenerator CGA.

David Aerne trägt die Instandhaltungskosten seiner Projekte selber. Wer ihn bei seiner Arbeit unterstützen möchte, kann dies einerseits mit finan­ziellen Zuwendungen in Form von Donations oder Sponsoring, anderer­seits mit dem Einreichen eigener Farbnamen über die GitHub-Seite des Color Parrots tun.

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