Kampf dem Verfall

Foto:   Michael J. Hußmann, Montage: Johannes Wilwerding

Im digitalen Zeitalter sind analoge Bilder totes Kapital; wir müssen sie digitalisieren, um sie sinnvoll nutzen zu können. Welche Hardware ist dazu nötig und welche Methoden sind empfehlenswert?

Es ist vor allem der unaufhaltsame Verfall von Farbnegativen, Dias und Vergrösserungen, der es zur dringlichen Aufgabe macht, die analogen Schätze in digitale Daten umzuwandeln, die sich potenziell ewig bewahren lassen – sei es wegen der ästhetischen Qualität der Bilder oder auch nur wegen ihres Erinnerungswertes.

Oft äussern Fotografen die Befürchtung, sie könnten ihre digitalen Bilder verlieren. Sei es durch schadhafte Laufwerke, durch Unachtsamkeit, durch ­Alterung der Speichermedien und damit einsetzende digitale Demenz oder durch den technischen Fortschritt, der einst populäre Speicherformate und -medien obsolet werden lässt.

Solche Gefahren sind real, aber dennoch gut zu beherrschen. Mehrfache, an unterschiedlichen Orten gelagerte Backups, regelmässiges Umspeichern auf neue Datenträger und nötigenfalls in neue Dateiformate gewährleisten, dass sich die digitalen Bilder auch noch in Jahrzehnten ohne Zeichen der Alterung präsentieren lassen. Analoge Bilder, die manche als vermeintlich sichere Alternative zu Digi­talbildern empfehlen, sind dagegen einem schleichenden Verfall ausgesetzt, der sich allenfalls verlangsamen, aber nicht stoppen lässt.

Der Filmscanner Reflecta DigitDia 6000 nimmt Diamagazine auf und scannt bis zu 100 Bilder im Stapel­betrieb. 

Die Uhr tickt

Analoge Bilder entstehen durch che­mische Reaktionen, die idealerweise nach dem Fixierbad und der letzten Wässerung beendet sein sollten. Schwarzweisse Negative und Papierbilder sind relativ stabil, da diese Bilder durch metallisches Silber gebildet werden, das in feinsten Partikeln in einer Emulsion eingebettet ist – das Edelmetall Silber ist nicht sehr reaktionsfreudig. Eine Tonung oder ein Bad in Agfa Sistan verbessern die Archivfestigkeit von Schwarzweissbildern weiter. Allerdings kann das Papier von Abzügen unter UV-Einfluss vergilben, und auch der Kunststoff von PE-Papieren ist einer Alterung unterworfen.

Die Sorgenkinder jedes Fotosammlers sind die Farbbilder. Zwar gab es schon in den 1940er-Jahren archivfeste Technologien wie Kodaks Azochrome-Verfahren, bei denen die Farben von vornherein in die lichtempfindlichen Schichten eingelagert waren und in den hellen Bildteilen ausgebleicht wurden. Am Markt setzten sich jedoch die chromogenen Verfahren durch, bei denen sich die Farben erst während der Entwicklung über Farbkuppler bilden.

Die Haltbarkeit so entstandener Bilder war zunächst deutlich schlechter, und wer heute ein Foto­album aus den 70er-Jahren aufschlägt, wird vor allem rotstichige Abzüge vorfinden – die blauen und grünen Farbstoffe haben sich bereits weitgehend zersetzt. Zudem können ungenutzte Farbkuppler mit der Zeit zerfallen und dann gelbliche oder bräunliche Flecken hinterlassen. Nur Kodachrome-Diafilme sind frei von diesem Problem, weil deren Farbkuppler erst während der Entwicklung zugeführt wurden. Die farbstabilsten Bilder aus dieser Zeit sind solche nach dem Cibachrome/Ilfo­chrome-Verfahren, das Abzüge vom Dia ohne den Umweg über ein Zwischennegativ möglich machte.

Die Verdrängung des Baryt-Foto­papiers mit echtem Papierträger durch die leichter verarbeitbaren PE-Papiere mit Kunststoffträger schuf weitere Probleme. Das eingelagerte Titandioxid, das dem PE-Papier seinen weissen Hintergrund gibt, kann unter Lichteinfall Sauerstoff freisetzen, der den Kunststoff spröde werden und reissen lässt.

Besonders problematisch sind älte­re Sofortbilder. Polaroids Trennbildfilmen fehlte noch eine UV-absorbierende Schutzschicht, und die 1972 mit der SX-70 eingeführten Integralfilme können selbst bei dunkler Lagerung einen Gelbstich entwickeln, verursacht durch die Entwicklerchemikalien, die im Integralfilm gekapselt bleiben. Zudem neigen diese Filme zu Rissen in der lichtempfindlichen Schicht.

Wenn Filme oder Abzüge in Schutzhüllen aus Kunststoff archiviert und in Schränken aus Kunststoffmaterial oder chemisch behandeltem Holz gelagert wurden, müssen Sie mit unerwünschten chemischen Reaktionen mit ausdünstenden Gasen rechnen, die die ursprünglichen Farben zerstören.

Die Zersetzungsprozesse können Sie verlangsamen, indem Sie Ihre Bilder möglichst kühl aufbewahren. Eine Absenkung der Lagerungstemperatur von 24 °C auf 7 °C verzehnfacht die Lebensdauer der Bilder; bei –10 °C bleiben die Fotos 100-mal länger und bei −26 °C rund 1000-mal länger erhalten. Eine handelsübliche Kühltruhe eignet sich für die Lagerung, sofern Sie Ihre Bilder luftdicht verschweisst einfrieren und langsam auftauen.

Der durch eine unsachgemässe Lagerung entstandene Schaden ist allerdings nicht mehr rückgängig zu machen. Auch die besten Lagerungsbedingungen verschaffen Ihnen nur eine Atempause, um die bedrohten Bilder endgültig zu retten und die ursprünglichen Farben und Tonwerte so gut wie möglich zu restaurieren. Dies ist nur mit einer Digitalisierung der Bilder möglich.

Scanner

Viele Abzüge aus den siebziger Jahren sehen heute so aus – Grün und Blau sind weitgehend verblichen.
Mit einer Anpassung der Gradationskurven für die Farbkanäle lässt sich oft eine natürliche Farbwiedergabe wiederherstellen.

Es scheint zunächst nahezuliegen, sich zur Bilderrettung auf Scans der Negative und Dias zu beschränken. Schliesslich sind diese die erste Generation der Bilder, Abzüge davon aber nur die zweite. Mit einem Scan der Filme sollten sich daher die meisten Informationen in die digitale Welt retten lassen. In der Praxis werden Sie aber nicht immer die Wahl haben – manchmal sind nur Abzüge erhalten geblieben und möglicherweise hat das Foto­papier auch dem Verfall besser standgehalten als die Filmemulsion.

Sie brauchen also einen Scanner für Auflichtvorlagen und einen Filmscanner für Durchlichtscans – oder einen Flachbettscanner mit Durchlichteinheit, der für beide Aufgaben geeignet ist. Aktuelle Flachbettscanner erlauben, bis zu 12 Kleinbilddias oder 24 Negative in einem Rutsch zu scannen. Für Scans von Dias, die einen geringeren Dynamikumfang als Farbnegative haben, aber einen deutlich höheren Kontrast, sollte der Scanner eine hohe optische Maximaldichte von etwa 4.0 bewältigen, um alle in den Diapositiven enthaltenen Tonwerte digitalisieren zu können.

Viele Flachbettscanner unterstützen eine nominell hohe Auflösung; ihre Optik ist aber eher für grossformatige Aufsichtvorlagen als für Negative oder Dias optimiert. Ein meist auf das Kleinbildformat ausgelegter Filmscanner kann daher die bessere Wahl sein. Nachdem das eigene Archiv digitalisiert ist, hat er allerdings seine Aufgabe erfüllt – es sei denn, Sie würden nach wie vor auch analog fotografieren. Daher ist es eine Überlegung wert, einen Filmscanner gebraucht zu kaufen – oder ein Neugerät gleich wieder zu verkaufen, nachdem es seine Schuldigkeit getan hat.

Wenn die analogen Originale bereits gelitten haben, müssen Sie die Scans nachbearbeiten. Solange noch eine hinreichende Restmenge der Farbstoffe vorhanden ist, lassen sich die ursprüng­lichen Farben mit einer Ein­stellungs­ebene Gradationskurven wiederherstellen, indem Sie die Gradation in den drei Farbkanälen individuell anpassen.

Flachbettscanner wie der Epson Perfection V800 eignen sich auch zur Digitalisierung von Negativen und Dias. 

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