Freie Digitalfotografie: Mitmachen erwünscht

Sofern man als Fotograf ­der englischen Sprache einigermassen mächtig ist, findet man im Internet zahllose wertvolle Quellen zu kommerziellen und nicht­kommerziellen ­Programmen. Wir führen Ihnen einige wichtige freie Primärquellen vor und zeigen auch, wie man etwas gegen die Monopolisierungstendenzen in der RAW-Bearbeitung unternehmen kann.

Einer der wichtigsten Anlaufpunkte für alle Themen rund um Open Source und Digitalfotografie ist die Website pixls.us, die der US-amerikanische Fotograf Pat David ins ­Leben gerufen hat. Sie fungiert einerseits als eine Art Dach für die verschiedenen freien Projekte, die sich der Bild- und insbesondere der RAW-Bearbeitung verschrieben haben. Andererseits dient sie Fotografen, die mit Open-Source-Programmen arbeiten, auch als Bühne, auf der sie ihre Arbeiten präsentieren und für sich zu werben können.

Von Tutorien zur Universaldienstleistung

Pixls.us hat bereits eine längere Geschichte hinter sich. Ursprünglich war es als Sammelstelle für Tutorien zur Verwendung der freien Bildbearbeitung GIMP gedacht. Aber mit dem Aufkommen leistungsfähiger freier Alternativen zu kommerziellen RAW-Bearbeitungsprogrammen und Bilddatenbanken wie RawTherapee, digiKam oder Darktable änderte sich die Zielrichtung. Es waren vor allem zwei Überlegungen, die zum Kurswechsel beitrugen: Einerseits die Tatsache, dass die verschiedenen freien Fotoprogramme ein gemeinsames Schaufenster zur Demonstration ihrer Leistungsfähigkeit benötigten. Andererseits wollte Pat David den verschiedenen Projekten so viel Arbeit wie möglich abnehmen, damit sie sich auf die Verbesserung ihrer Software konzentrieren können. So spart man Zeit für das Aufsetzen und die Instandhaltung der notwendigen Web-Infrastruktur.

Heute besteht pixls.us vor allem aus vier Komponenten. Die erste ist die ursprünglich angedachte, nämlich das Bereitstellen von Tutorien, nunmehr ausgedehnt auf alle Open-Source-Projekte, die für Fotografen von Belang sind. Die zweite ist ein Blog, in dem Projekte über ihre Arbeit und neue Veröffentlichungen berichten können. Auch Fotografen, die mit freier Software arbeiten, können hier ihre Arbeit vorstellen. Da Programmierer eher ihren Code und Fotografen lieber ihre Bilder für sich sprechen lassen und häufig nicht gerade schreibbegeistert sind, wird man schnell feststellen, dass hier noch Luft nach oben besteht. Eine Konkurrenz zu spezialisierten Fotomagazinen ist pixls.us daher noch lange nicht, zumal es auch keine korrespondierende Druckausgabe gibt.

Mit der dritten Komponente hat Pat David sein Ziel indes zum grössten Teil erreicht, denn das von ihm eingerichtete Forum (­discuss.pixls.us) wird von vielen pixelzen­trierten Projekten entweder ausschliesslich oder zusätzlich als sogenannter «Bugtracker» verwendet. Das ist eine Art Meldestelle für Fehlerberichte oder Wünsche. Darüber hinaus dient es als Diskussionsforum rund um das Thema Digitalfotografie und digitale Bildbearbeitung.

Frei zugängliche RAW-Datenbank

Die für einen grösseren Anwenderkreis wichtigste Säule von pixls.us ist die vierte Komponente, die RAW-Datenbank (raw.pixls.us). Wie in anderen Bereichen in der grafischen Industrie besteht bei der Unterstützung von RAW-Formaten eine Tendenz zur Monopolisierung. Das bedeutet in diesem Fall, dass manche Kamerahersteller die technischen Spezifikationen ihrer Formate entweder zuerst oder ausschliesslich an den Marktführer weitergeben. Kleinere Firmen und natürlich Open-Source-Alternativen ­haben meist das Nachsehen.

Die RAW-Datenbank ermöglicht sowohl mittelständischen Betrieben als auch freien Projekten Zugang zu RAW-Dateien, anhand derer sich Importfilter für die ­betreffenden Formate schreiben lassen. Im Sinne des offenen Austauschs von Daten ist das Teilen eigener Probeaufnahmen seines ­Kameramodells durchaus wünschenswert. Anhand der Übersicht kann man schnell nachprüfen, für welche RAW-Formate bereits akzeptable Musterdateien vorliegen.

Objektive Korrektur

Mit dem Dekodieren von RAW-Dateien ist es jedoch nicht getan, denn zur automatischen Korrektur von Bildern anhand technischer Charakteristika einzelner Wechselobjektive werden ebenfalls Testdateien im RAW-­Format benötigt. Auch hierfür existiert eine Online-Anlaufstelle, die allerdings nichts mit pixls.us zu tun hat.

Für die automatische Korrektur verwenden die allermeisten freien RAW-Bearbeitungsprogramme (und auch andere Software) die Programmbibliothek lensfun (lensfun.github.io). Um es den Program­mierern dieser Bibliothek zu ermöglichen, ­ver­wendbare Korrekturalgorithmen zu schreiben, kann man ihnen entsprechende Testdateien zur Verfügung stellen. Die Anlei­tungen zur Erstellung dieser Dateien sowie zum Hochladen findet man unter wilson.bronger.org/calibration, eine Übersicht der bereits erfassten Objektive unter wilson.bronger.org/lensfun_coverage.html.

RawPedia

Das Entwicklerteam des freien Programms RawTherapee (vgl. Publisher 1-19) unterhält – ebenfalls unabhängig von pixls.us – ein eigenes Wiki namens RawPedia (rawpedia.rawtherapee.com). Obwohl sich das Wiki in erster Linie mit der genannten Software ­beschäftigt und es ermöglicht, die teilweise hochspezialisierten Funktionen zu finden und anzuwenden – angesichts der gewöhnungsbedürftigen Benutzeroberfläche nicht ganz einfach –, erfährt man quasi nebenbei vieles über die technischen und physikalischen Hintergründe. Erfreulicherweise sind die Erläuterungen so gehalten, dass sie auch für Endbenutzer verständlich sind. Man muss also nicht Physik oder Informatik studiert haben, um sie zu verstehen. Auf diese Weise lernt man neben der Bedienung von RawTherapee, wie ein Sensor funktioniert oder was alles in einer RAW-­Datei gespeichert wird. Darüber hinaus wird zu jeder Funktion sowohl erklärt, welches Problem sie löst und wie es entstanden ist, als auch, wie die Software intern funktioniert – eine bemerkenswerte Form der Transparenz, von der auch Benutzer anderer RAW-Programme profitieren können.

RawPedia ist zwar in einer deutschsprachigen Version verfügbar, jedoch sind noch nicht alle Artikel des englischen Originals übersetzt.

DCP-Profile

Sogar Nichtprogrammierern wird es ermöglicht, an der Verbesserung von RawTherapee mitzuarbeiten. Eine besondere Rolle spielt dabei die Bereitstellung von RAW-Fotos. Die Entwickler nutzen diese Beispieldateien, um daraus DCP-Farbprofile für ein bestimmtes Kameramodell zu erstellen, die dann in RawTherapee integriert werden und so eine bessere Farbkorrektur ermög­lichen. DCP steht für DNG Camera Profile und ist Teil des von Adobe entwickelten und offenen DNG-Standards für RAW-Dateien. Gegenüber dem weitverbreiteten ICC-Format bietet DCP den Vorteil, dass es auch für Aufnahmen bei Kunstlicht bestens geeignet ist, während ICC sich hier zuweilen als problematisch erweist.

Zur Erzeugung von DCP-Profilen benötigen die Entwickler zwei RAW-Bilder einer Farbkarte, wie sie im Fotofachhandel erhältlich ist. Eins muss bei Tageslicht (Sonnenschein) aufgenommen sein, das andere bei Kunstlicht (am besten Glühbirne). Damit die Programmierer etwas mit den Dateien anfangen können, muss man sie zusätzlich noch nach bestimmten Konventionen umbenennen und Informationen über die Aufnahmebedingungen in Textform beifügen. Um die Entwickler über die Existenz der Dateien unter github.com/Beep6581/RawTherapee/issues/new zu informieren, benötigt man ein GitHub-Konto.

Detaillierte Hinweise zu den Modalitäten findet man unter rawpedia.rawtherapee.com/How_to_create_DCP_color_profiles, wo man auch nachlesen kann, wie man DCP-Profile seiner Kamera für den privaten Gebrauch erzeugen kann.

Fazit

Unbeachtet von grossen Teilen der inte­ressierten Öffentlichkeit und abseits der ­einschlägigen Fotoforen und -magazine hat die Open-Source-Gemeinschaft eine kleine, aber feine Nische geschaffen, die eine wahre Fundgrube für Informationen zum Thema Bildbearbeitung und Digitalfotografie darstellt und darüber hinaus zum Mitmachen auch im Sinne besseren Wettbewerbs einlädt. Letzteres erfordert aber zumindest grundlegende Englischkenntnisse.

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